Stolpern über die eigenen FüßeWarum fallen Heranwachsende eigentlich so oft hin?

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Bei manchen Jugendlichen reichen die eigenen Füße, um zu stolpern und hinzufallen. 

  • Sie stoßen sich dauernd, stolpern über die eigenen Füße und fallen ständig hin: Manche Jugendliche wirken extrem ungeschickt.
  • Es scheint, als könnten sie nicht erkennen, wo ihr Körper aufhört und die Außenwelt beginnt.
  • Warum das in einem bestimmten Alter ganz normal ist und was Eltern tun können, erklären hier zwei Kinderärzte.

Köln – Mädchen und Jungen in der Pubertät können einem Leid tun mit den vielen Kämpfen, die sie auszufechten haben. Alles verändert sich, insbesondere auch der Körper. Neben den bekannten Problemen wie Chaos im Kopf und einem Überschwang an Gefühlen, macht ihr Körper, was er will. Alles wächst wie verrückt, aber nichts passt so richtig zusammen. Diese Asymmetrie kann dazu führen, dass manche Heranwachsenden ständig stolpern, irgendwo gegen stoßen oder hinfallen. Von außen sieht es so aus, als wüssten die Jugendlichen nicht, wo ihr Körper aufhört und wo die Außenwelt beginnt.

Vor allem Jungs schießen ab 11 extrem in die Länge

„In einer bestimmten Phase ist es völlig normal, dass Heranwachsende etwas ungeschickt und tolpatschig sind“, sagt Dr. Burkhard Rodeck, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. (DGKJ). Vor allem bei Jungs gibt es zwischen dem elften und 14. Lebensjahr große Längenwachstumsschübe, bei denen die Muskulatur nicht in ähnlichem Umfang nachwächst. Auch Gliedmaßen können unterschiedlich schnell wachsen. So kann es sein, dass ein Vierzehnjähriger plötzlich Schuhgröße 46 hat, aber körperlich noch nicht so groß ist wie ein Erwachsener mit Schuhgröße 46.

Entwicklungsphasen bei Kindern und Jugendlichen

Im Neugeborenenalter herrscht die Phase der ungerichteten Massenbewegung vor. Die Kinder können sich noch nicht ökonomisch bewegen, haben einen hohen Muskeltonus, die Bewegungen wirken eckig und ungelenk. Zudem reagiert das Neugeborene auf bestimmte Reize von außen mit Reflexen, die es nicht beeinflussen kann. Nach dem dritten Lebensmonat werden die Bewegungen zielgerichteter und fließender, Muskeltonus und Reflexbewegung nehmen ab. Die Babys lernen bis zum ersten Lebensjahr koordinierte Bewegungen wie Greifen, Drehen und Krabbeln, später auch die aufrechte Haltung und das Laufen. Im Kleinkindalter haben die Kinder einen erheblichen Bewegungsdrang. Sie sind unterwegs und können ihr Bewegungspotential kaum einschätzen. In dieser Zeit muss man extrem auf die Kinder aufpassen. Sie erlernen jetzt viele Bewegungsarten wie Klettern, Fangen, Steigen, Werfen und Balancieren. Im späteren Kleinkindalter kommen noch komplexere Bewegungsmuster wie Hüpfen, Ziehen, Schieben und Tragen dazu. Mit Beginn der Schule verbessert sich die Koordination noch einmal. Die Bewegungen werden zielgerichteter ausgeführt und besser aufeinander abgestimmt. Das späte Kindesalter etwa im Alter von 10 bis 13 zeichnet sich durch eine hervorragende motorische Lernfähigkeit aus, koordinative und konditionelle Fähigkeiten entwickeln sich weiter. Jungen sind in dieser Zeit gut bei Lauf-, Wurf- und Kraftübungen, Mädchen sind eher im Tanzen und bei rhythmischen Abläufen besser. Im frühen Jugendalter zwischen elf und 15 liegt der Schwerpunkt auf Koordination und Flexibilität. Die feinmotorischen Möglichkeiten werden besser, komplexere Bewegungstechniken können erlernt werden. 

„Das ist körperlich ein wenig unkoordiniert. In dieser Phase kommt es innerhalb von wenigen Jahren zu immer neuen Körperschemaveränderungen, die zu Ungeschicklichkeit führen können. Das ist eine Lernphase und da sind Jugendliche manchmal tolpatschig. Man kann aber in Ruhe abwarten, bis alles zusammen passt. Das ist eine normale Entwicklungssituation. Wenn da einer ungeschickt ist, dann ist er eben ungeschickt. Wenn man im Rahmen der Vorsorgeunterschungen von seinem Kinder- und Jugendarzt gesagt bekommt, dass alles in Ordnung ist, muss man sich keine Sorgen machen“, sagt Rodeck. 

Unsicherheitsgefühl im Umgang mit dem eigenen Körper

Auch der Kinder- und Jugendarzt Edwin Ackermann führt das häufige Stoßen, Fallen und Stolpern mancher Jugendlicher darauf zurück, dass die motorische Koordination mit dem raschen Körperwachstum nicht richtig Schritt halten kann. Durch die körperlichen Veränderungen entsteht zudem ein gewisses Unsicherheitsgefühl im Umgang mit dem eigenen Körper. Insbesondere bei Jungen spielt natürlich auch die größere Kraft sowie das größere Risikoverhalten eine Rolle bei Unfällen, die in diesem Alter vermehrt passieren.

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Abwarten und Sport treiben

Abwarten also, bis alles wieder zusammen passt. Wenn möglich, sollten Eltern ihre Kinder zudem Sport treiben lassen. „Da die Kinder sich heute nicht mehr so frei und vielseitig draußen bewegen wie früher, trainieren sie leider nicht mehr nebenbei das, was sie noch nicht so gut konnten. Auch wenn die Bewegungsabläufe in den Sportvereinen oft sehr standardisiert trainiert werden, ist es auf jeden Fall gut, wenn Sport getrieben wird – gerade bei Jugendlichen, die sich oft stoßen oder hinfallen“, empfiehlt Rodeck.

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