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Theologie-Professorin„Es ist gerade nicht einfach, gern katholisch zu sein“

Lesezeit 5 Minuten
Julia-Knop_Credit-Universitaet-Erfurt

Als Theologie-Professorin blickt Julia Knop mit Frust und Heimatgefühlen auf die Kirche.

Köln – Frau Professorin Knop, wie bringen Sie Ihr Selbstverständnis als Frau und Theologin mit der real existierenden katholischen Kirche überein? Prof. Dr. Julia Knop: Diese Kirche ist die religiöse Welt, in der ich aufgewachsen und beheimatet bin. Ich habe sogar das Nachdenken darüber zu meinem Beruf gemacht. Insofern sind das keine zwei getrennten Welten. Aber als Theologin sehe ich natürlich den massiven Reformstau. Der Druck, der daraus entsteht, ist anstrengend, keine Frage. Es ist gerade nicht einfach, gern katholisch zu sein. Das sehe ich an meinen Studierenden, aber auch an mir selbst.

Lässt sich der Spagat denn bewältigen?

Kaum. Wenn man die strukturelle Ungerechtigkeit gegenüber Frauen in der katholischen Kirche einmal ehrlich wahrgenommen hat, kann man sie sich nicht mehr schönreden. Aber Frauen können diese kirchlichen Blockaden nicht selbst lösen. Dazu bräuchte es den guten Willen und die strukturelle Power der Männer, speziell der Bischöfe. Das ist sehr frustrierend. Für meine Theologiestudentinnen wird das zum existenziellen Problem. Nicht ihre Qualifikation, sondern ihr Geschlecht entscheidet über ihre beruflichen Möglichkeiten in der Kirche. Das geht im 21. Jahrhundert einfach nicht mehr.

Zur Person

Prof. Dr. Julia Knop wurde 1977 in Herne geboren und ist im Münsterland aufgewachsen. Sie studierte Katholische Theologie an den Universitäten Münster und Bonn. 2011 habilitierte sie sich an der Universität Freiburg. 2017 erfolgte die Ernennung zur ordentlichen Professorin für Dogmatik an der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität Erfurt. Seit 2020 ist Knop Mitglied der Vollversammlung des Synodalen Wegs, seit 2021 gewähltes Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken.

Aber wer im System mitmacht, toleriert es doch auch.

Wenn ich in einem fahrenden Zug bloß in die andere Richtung laufe, bringt das nichts – schon klar. Trotzdem halte ich „tolerieren“ für den falschen Begriff.

Warum?

Als Theologieprofessorin bin ich ja kein verlängerter Arm des kirchlichen Lehramts. Das Theologiestudium soll nicht frömmer machen, sondern klüger. Wir schauen uns an der Universität an, wie Glaubensüberzeugungen und kirchliche Lehren entstanden sind und was sie bedeuten. Wir fragen nach Motiven und Begründungen und danach, ob sie dem aktuellen Forschungsstand genügen und stichhaltig sind.

Sind die Gründe für den Ausschluss der Frauen von den Weiheämtern denn „stichhaltig“?

Gegenüber den alle Jahre wieder vorgebrachten Argumenten der römischen Position lässt sich theologisch einiges ins Feld führen. Die traditionelle Begründung für den Ausschluss von Frauen genügt dem aktuellen Stand der theologischen Forschung jedenfalls nicht. Daraus ergibt sich ein echtes Problem: Ein Papst kann als verbindliche Lehre nur etwas vorlegen, was „Glaube der Kirche“ ist. Das verlangt die Zustimmung der Gläubigen und setzt sie voraus. Die anhaltende Debatte zeigt aber, dass hier kein Konsens besteht. Weder die Gläubigen noch die Theologie noch alle Bischöfe stimmen der lehramtlichen Position einmütig zu. Da hilft es nichts, alte Argumente nur zu wiederholen und Glaubensgehorsam einzufordern. Das schwächt die Autorität des Lehramts nur weiter. Es braucht also einen neuen Diskurs.

Wie argumentiert denn das Lehramt?

Traditionell werden drei Gründe angeführt. Erstens die Bibel: Jesus habe an seinem letzten Lebenstag im Abendmahlssaal tatsächlich schon die Verfassung der Kirche grundgelegt und dabei bewusst keine Frauen zu Apostelinnen erwählt. Zweitens die dogmatische Einschätzung dieser Auslegung: Selbst wenn die Kirche wollte, dürfte sie diese Gestalt der Kirche und ihrer Ämter nicht ändern. Dem lässt sich nun leicht die Praxis anderer Konfessionen entgegenhalten. Die anglikanische, evangelische und altkatholische Kirche haben sich im Zuge kultureller Entwicklungen zu mehr Ge-schlechtergerechtigkeit dieselbe Frage gestellt, sie aber anders beantwortet. Sie haben ihre Jahrhunderte lange Praxis, nur Männer zu ordinieren, korrigiert und die Frauenordination eingeführt.

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Und das dritte Argument des Lehramts?

Das dritte Argument ist ein Appell an etwas vermeintlich Plausibles: Die exklusive Weihe von Männern sei gar keine Diskriminierung von Frauen, sondern entspreche der natürlichen Unterschiedlichkeit der Geschlechter. Nur ein Mann könne schließlich den Mann Jesus repräsentieren, und im Verhältnis von Mann und Frau spiegele sich das Zueinander von Christus und Kirche. Dieses Argument wird ausgerechnet in einer Zeit immer vehementer vorgetragen, in der solch simple Geschlechtersymbolik kaum mehr überzeugt. Das zeigt, dass die Debatte um die Frauenordination zu weiten Teilen eine kulturelle und längst nicht bloß eine theologische ist: Wie stellt sich die katholische Kirche im 21. Jahrhundert dar?

Das heißt: Auch wenn das Argument nichts taugt, beharrt das Lehramt darauf, dass alles bleibt, wie es ist. Aber warum denn nur?

Entscheidend scheint mir zu sein, dass man kirchliche Lehren zeitenthoben, als „ewige Wahrheiten“ versteht. Dann nämlich spielen kulturelle Entwicklungen und Erkenntnisfortschritte keine Rolle. Aber das ist ja eine Fiktion. Natürlich ist die Kirche immer auch Teil ihrer Zeit. Genau deshalb kann sie sich weiterentwickeln. Die Fähigkeit zur Selbstkorrektur ist eine Stärke, keine Schwäche. Die Kirche würde glaubwürdiger, wenn sie sich beherzt von prekären Festlegungen auf den Zeitgeist des 19. Jahrhunderts verabschieden würde, etwa in ihrer Machtorganisation, in Fragen der Sexuali-tät und der Rolle der Frauen. Momentan sehe ich aber eine echte Gefahr darin, katholisches Profil durch Exkulturation zu suchen, also dadurch, dass die Kirche sich aus der Gegenwart verabschiedet.

Sehen Sie Chancen, diese Gefahr zu bannen?

Wir haben zurzeit – resultierend aus dem Problem massiver sexualisierter und spiritueller Gewalt durch Kleriker – einen enormen Reformdruck. Wir haben aber auch eine neue Debattenlage, die noch vor wenigen Jahren so noch nicht möglich war. Das macht durchaus Hoffnung. Wer sich auf einen Diskurs einlässt, geht immer verändert daraus hervor.

Da stellt sich die Frage: Was hält Sie denn selbst noch in dieser Kirche?

Beruflich sage ich: Die Verantwortung, junge Leute auszubilden und die Entwicklung dieser Kirche kritisch zu begleiten, kann ich nur in dieser Kirche und mit dieser Kirche übernehmen. Auch persönlich wäre ein harter Cut mit meinen religiösen Wurzeln und meiner spirituellen Heimat für mich keine lebbare Option. Aber es bleibt eine Zerreißprobe zwischen Beheimatung und Empörung. In der „Frauenfrage“ bricht ja eine prinzipielle Frage auf. Es geht um Gerechtigkeit. Gerechtigkeit ist nicht verhandelbar. Deshalb geht das Thema jede katholische Frau an, auch wenn sie nicht Priesterin werden will. Katholische Männer natürlich auch. Die Schmerzgrenze, wann es in der Kirche nicht mehr auszuhalten ist, wird aber für jede und jeden verschieden sein und sich im Lauf des eigenen Lebens auch verändern.’

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