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ZukunftsfragenWas wäre, wenn die Menschen plötzlich unsterblich wären?

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Mike Pearl wagt in seinem Buch einen Blick in die Zukunft (hier ein Symbolbild).

  • Mike Pearl denkt in seinem Buch „Was wäre wenn“ verschiedene Zukunftsszenarien durch.
  • Was passiert zum Beispiel, wenn wir unsterblich würden oder von einem Tag auf den anderen kein Fleisch mehr äßen?
  • Auf drei der Fragen, mit denen sich Pearl befasst hat, geben wir eine Antwort.

Köln – Ganz unabhängig von Corona: Müssen wir Angst vor der Zukunft haben? Was wäre zum Beispiel, wenn Antibiotika nicht mehr wirken, wenn alle Fische aussterben würden oder das Internet zusammenbricht? Auch positive Gedanken können uns verunsichern: Was wäre, wenn jeder Mensch unsterblich wäre oder es keine Schlachthöfe mehr gäbe?

Mike Pearl fragte sich auch: Was wäre, wenn Donald Trump Präsident würde?

Diese und ähnliche Fragen halten den amerikanischen Journalisten Mike Pearl nachts wach. Im Buch „Was wirklich passiert, wenn…“ hat er zu vielen Themen recherchiert, mit Wissenschaftlern gesprochen und schließlich viele sehr detaillierte Antworten gegeben, von denen wir hier drei vorstellen. Übrigens: Im Jahr 2015 hat Mike Pearl für das Magazin Vice einen Artikel mit folgender Überschrift geschrieben: „Was wäre, wenn Donald Trump Präsident würde?“.

Was wirklich passiert, wenn die Menschen unsterblich werden

Was ist die Ausgangslage? Die Menschen akzeptieren, dass sie sterben müssen und glauben sogar, dass das Wissen um diese Endlichkeit ihr Leben erst wertvoll macht. Wäre Unsterblichkeit denn überhaupt denkbar? „Gut möglich“, meint Pearl. Wir müssten dazu eigentlich nur das tun, was wir seit der Entwicklung der modernen Medizin schon immer getan haben, nämlich die Medizin und Behandlungsmöglichkeiten weiter entwickeln und gegen das Altern an sich kämpfen. Die biologischen Ursachen des Alterns sind mittlerweile hinlänglich bekannt, zum Beispiel Entgleisung der Mitochondrien, Verschlechterung der DNA und Platzierung falscher Proteine an den falschen Stellen. Durch diese Veränderungen sind ältere Menschen anfällig für Krankheiten, die junge Menschen nicht bekommen. Wenn man nun Möglichkeiten hätte, diese Prozesse aufzuhalten, könnte man theoretisch die Unsterblichkeit ermöglichen. Alle Gründe des Alterns müssten schrittweise abgearbeitet und behandelt werden.

Kann eine Kombination von Therapien wirklich als Unsterblichkeit bezeichnet werden?

Natürlich wird es auch Nebenwirkungen und Wechselwirkungen der Medikamente untereinander geben, die Menschen müssten sich vermutlich auf viele Restriktionen in ihrem Leben einstellen. Und die wichtigste Frage: Kann man eine solche Kombination von verschiedenen Medikamenten und Therapien wirklich als Unsterblichkeit bezeichnen? Die Medikamente würden die Menschen schließlich nicht resistent gegen einen Unfalltod machen.

Ohnehin könnte man nicht unendlich leben, weil man niemals feststellen würde, wann man es „geschafft“ hat, schließlich würde es nie ein Ende geben. Unsterblichkeit ist also ein bewegliches Ziel, das man nur im übertragenen Sinne anstreben kann. 

Es gäbe einfach zu viele Menschen auf der Welt

Würde man nun aber beispielsweise annehmen, die Menschen würden tausend Jahre alt, hätten wir auf der Erde schon sehr bald ein Bevölkerungsproblem und müssten auf andere Planeten ausweichen. So steht die nächste Krise direkt vor der Tür. Wenn wir unsere gewaltige Lebensspanne auf einem winzigen Planeten verbringen müssen, dessen Ressourcen erschöpft sind, werden wir noch garstiger und roher werden als je zuvor.

Was wirklich passiert, wenn der letzte Friedhof voll belegt ist

Weil immer mehr Platz für Wohnraum geschaffen werden muss, könnte es sein, dass Friedhöfe aufgelöst werden müssen. In Singapur zum Beispiel denkt man darüber nach. In dem wirtschaftlich reichen Stadtstaat drängen sich fast sechs Millionen Einwohner auf 729 Quadratkilometern. In Singapur gibt es auch unterschiedliche Religionen mit unterschiedlichen Bestattungsregeln. So wird das Land zu einer interessanten Fallstudie. Die Menschen können sich hier weiter begraben lassen, müssen aber nach 15 Jahren exhumiert werden und so Platz für neue Leichen schaffen. Die Überreste sollen dann in eine große Urnenhalle umgesiedelt werden.

Soll man die Särge übereinander stapeln?

Auch andere Länder haben dieses Problem. In Deutschland zum Beispiel werden Grabstätten für etwa 20 Jahre verpachtet. Wenn die Pacht nicht verlängert wird, werden die Gebeine in ein Massengrab umgesiedelt. In vielen Ländern und Städten stehen die Friedhöfe bereits am Rand ihrer Aufnahmekapazität. Viele Friedhofsbetreiber haben sich deshalb neue Möglichkeiten und Anbauten mit kleineren Gräbern ausgedacht, außerdem wird die Pacht immer teurer. In manchen Gräbern sollen die Särge von Familien übereinander gestapelt werden.

Das Konzept der ewigen Ruhe ist noch nicht so alt

Früher war es übrigens ganz normal, dass Gräber mehrfach verwendet wurden, es sei denn, es handelte sich um wirklich wichtige Menschen. Das Konzept der ewigen Ruhe ist noch nicht so alt. Grabstätten auf Friedhöfen sind tatsächlich ein ziemlicher Luxus, die Friedhöfe selbst nehmen sehr viel Platz mitten in der Stadt ein. Andererseits ist es nicht von der Hand zu weisen, dass Friedhöfe als Orte der Begegnung und Erinnerung für die meisten Menschen wichtig sind. Für die Zukunft steht also an, sich neue, praktikable Möglichkeiten zu überlegen.

Was wirklich passiert, wenn das letzte Schlachthaus geschlossen wird

Mittlerweile sollten alle Menschen wissen, dass zu viel Fleischkonsum ungesund und klimaschädlich ist und dass zu einem großen Teil die Bedingungen der Tierhaltung untragbar sind. Trotzdem ist es für viele sehr schwierig, ihre Ernährungsgewohnheiten zu ändern. Den meisten Menschen gelingt es, die Verbindung zwischen dem liebenswerten Tier und dem Fleisch, das später auf dem Teller liegt, zu ignorieren. Dennoch führt die menschliche Fähigkeit zur Empathie dazu, das Schlachten von Tieren abzulehnen.

Die Welt würde regelrecht kopfstehen

Was also tun? Mal angenommen, eine größere Zahl von Regierungen auf der Welt würde Schlachthäuser einfach verbieten: Unsere Welt würde regelrecht kopfstehen, meint Mike Pearl. Aus heutiger Sicht „normale“, also alles essende Menschen würden als fremdartige Rohlinge betrachtet werden. Man würde sie des „Karnismus“ bezichtigen, Fleisch würde selten werden oder man würde es überhaupt nicht mehr bekommen. So sieht es tatsächlich schon in Pushkar im indischen Bundesstaat Rajasthan aus, wo 100 Prozent der Einwohner vegetarisch sind und kein Restaurant oder Laden Fleisch anbietet. Pushkar ist durch eine behördliche Verordnung zu einer fleischlosen Stadt geworden, denn es ist eine wichtige Pilgerstätte für Hindus, insbesondere für Mitglieder der Sekte des Shakismus, deren Mitglieder sich zu lebenslangem Vegetarismus verpflichten. Wie würde man in einer Welt ohne Schlachthäuser mit anderen Formen des Schlachtens umgehen, die in einem religiösen Zusammenhang, zum Beispiel wie bei den Muslimen, stehen? Gäbe es in einer utopischen Welt, in der Tierrechte geachtet werden, Ausnahmeregelungen für Muslime, die das islamische Opferfest begingen, bei dem ein Tieropfer dargebracht würde?

Wahrscheinlich würden Rezession und Chaos drohen

Wenn alle Menschen von einem Tag auf den anderen Vegetarier würden, würden die dreieinhalb Milliarden Weidetiere auf der Welt plötzlich zu toxischen Gütern werden und eine ähnlich gigantische Zahl von Schweinen und Geflügel würde wirtschaftlich bedeutungslos werden. Wir erlitten schlagartig einen finanziellen Verlust von mehr als einer Billion Dollar und rutschten damit wohl in eine globale Rezession, die durch das nachfolgende Chaos verschärft werden würde, wenn alle diese Tiere in Massen getötet und verbrannt werden müssten oder auf der Suche nach Nahrung frei im Land herumstreifen würden und schließlich an ungeeigneten Orten sterben und verrotten würden. Wenn alle gleichzeitig Vegetarier würden, würden vor allem in den Entwicklungsländern riesige Weideflächen praktisch wertlos.

Das Problem lässt sich also nicht auf die einfache Formel „Fleisch ist gleich Tod“ bringen, sondern wurzelt viel mehr in den sich allmählich häufenden Belegen, dass die Art und Weise, wie die Tiere getötet werden, den Wertvorstellungen einer wachsenden Zahl von Menschen widerspricht. Immer wieder gibt es Berichte darüber, dass die Tiere vor dem Töten nicht richtig betäubt werden und qualvoll schreien. Auch unabhängig davon ist die Fleischwirtschaft schlecht für den Planeten, da die Viehhaltung mehr Treibhausgase erzeugt als beispielsweise Autofahren.

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Eine Lösung könnte im Labor hergestelltes Fleisch sein. Pearls Fazit: „Aber dass sich die Menschheit einhellig dazu entschließt, das Schlachten von Tieren abzuschaffen, ist eines der am wenigsten plausiblen Szenarien, mit denen ich mich befasst habe. Das liegt schlicht daran, dass wir es trotz allem nicht wollen.“

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