„Starkregen wird häufiger"Wie sich Hausbesitzer vor Überflutungen schützen

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Im Juli 2017 fielen in Teilen Kölns über 60 Liter Regen pro Quadratmeter in zwei Stunden. Es kam vielerorts zu Überflutungen, wie hier an der Weinsbergstraße.

Im Juli 2017 fielen in Teilen Kölns über 60 Liter Regen pro Quadratmeter in zwei Stunden. Es kam vielerorts zu Überflutungen, wie hier an der Weinsbergstraße.

Herr Werker, vollgelaufene Keller, überflutete Straßen und Unterführungen – die Häufigkeit von Unwettern mit sintflutartigen Regenfällen hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Werden wir uns daran gewöhnen müssen?

Starkregenereignisse gab es schon immer, aber durch den Klimawandel ist davon auszugehen, dass es künftig auch bei uns häufiger zu außergewöhnlichen Starkregenereignissen kommen wird, da es durch die globale Erderwärmung auch in unseren Breiten mehr heiße Tage geben wird. Der Sommer 2018 hat gezeigt, dass wir es mit immer stabileren Großwetterlagen zu tun haben.

Aber das klingt ja erst einmal positiv…

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Für uns war das tatsächlich positiv, weil wir es im vergangenen Sommer mit einem stabilen Hochdruckgebiet zu tun hatten, das uns viel Sonne und Wärme beschert hat. Wenn man aber Pech hat, dann steht genauso stabil ein Tiefdruckgebiet über einer Region, wie es vergangenen Sommer in Italien der Fall war, wo es in zahlreichen Regionen zu Überschwemmungen gekommen ist.

Kostenlose Info-Veranstaltung

Starkregen, Hochwasser, Klimaänderung – was kann ich tun? Wo? VHS-Forum, Neumarkt Wann? Samstag, 30. März, 15 bis 17 Uhr Preis: Freier Eintritt Moderation: Marie-Anne Schlolaut

Aufgrund der Klimaveränderungen werden in Köln bedingt durch seine geografische Lage vermehrt Wetterextreme eintreten, vor allem Starkregen. Wie man sich als Haus- und Wohnungseigentümer vor gravierenden Folgen, Schäden und hohen Kosten schützen kann, erläutert Henning Werker, Experte der Stadtentwässerungsbetriebe bei einer Podiumsdiskussion. Mit dabei sind Fatma Öksüz von der Verbraucherzentrale NRW, die zu Elementarschadenversicherungen Stellung nehmen und erläutern wird, was Sinn macht und was nicht, der Kölner Architekt Dr. Peter Kotulla, der sich intensiv mit überflutungsangepasstem Bauen beschäftigt hat sowie Barbara Albat, die erfahren hat, was es heißt, wenn Starkregen die Wohnung flutet.

An zahlreichen Informationsständen können sich die Besucher an dem Infotag kundig machen, welche individuellen Möglichkeiten der Sicherung für Hausbesitzer vor Starkregen machbar sind.

Warum gibt es Starkregen vor allem in den Sommermonaten?

Je mehr sich die Luft erwärmt, desto mehr Feuchtigkeit kann sie aufnehmen und es kommt zu Wolkenbildung. Und da es global immer wärmer wird, nehmen die Wolken auch mehr Wasser auf als früher. Treffen diese wassergesättigten Wolken dann mit kalter Luft zusammen, kondensiert die Feuchtigkeit und ergießt sich heftig auf relativ kleinem Raum. Unwetterartige Regenfälle sind dann die Folge. In Köln zum Beispiel haben wir dieses Phänomen, wenn westliche warme Winde nasse Wolken nach NRW bringen, wo sie mit kalten östlichen Wetterfronten aufeinandertreffen.

Was macht diese Regenfälle so tückisch?

Sie sind extrem schwer vorherzusagen, weil sie räumlich meist nur sehr begrenzt auftreten. Manchmal sind es nur einzelne Ortsteile oder gar nur einzelnen Straßenzüge, die betroffen sind. Ich gehe davon aus, dass wir in Köln insgesamt im Stadtgebiet in den nächsten Jahren häufiger mit Starkregenereignissen zu tun haben werden, lokal begrenzt und vermutlich nicht immer an der gleichen Stelle.

Ist die Kölner Region besonders gefährdet?

Nein, aufgrund der Großwetterlage ist Köln nicht gefährdeter als andere Regionen. Problematischer ist vielmehr, dass Köln anders als das Umland sehr dicht bebaut ist und es deshalb weniger Grünflächen und Felder gibt, wo das Wasser abfließen kann. So bleibt das Wasser bei Starkregen auf den Straßen stehen, wo es nicht schnell genug über Kanäle abfließen kann. Es sammelt sich dann am tiefsten Punkt – kann also in Tiefgaragen oder durch Kellertüren und -fenster in die Gebäude eindringen.

Oft kommt das Wasser aber doch auch durch die Kanalisation?

Ja, wenn sich das Wasser in den Kanälen der Gebäudeentwässerung aufstaut. Kanalrückstau entsteht, wenn der Wasserstand im Kanalnetz und in der Hausanschlussleitung ansteigt. Nach dem Prinzip der kommunizierenden Röhren drückt das Wasser aus dem öffentlichen Kanalnetz in die Hausanschlussleitungen zurück. Der Wasserstand kann bis zur Höhe der Gullys ansteigen. Tief liegende Räume, z. B. Kellerräume, die nicht gegen Rückstau gesichert sind, können durch Bodenabläufe, Waschbecken und andere Öffnungen überflutet werden.

Es kann aber auch passieren, dass es trotz eines Verschlusses zu einem Rückstau kommt. Wenn nämlich die Dachentwässerung am gleichen Kanal angeschlossen ist – was im Übrigen gar nicht erlaubt ist. Es ist vorgeschrieben, dass das Dachwasser nicht mit Fäkalienwasser in einem Kanal aus dem Haus geleitet werden darf. Beides darf erst hinter dem Rückstauverschluss zusammengeführt werden. Ist das nicht der Fall, kann es passieren, dass man sich bei starkem Regen durch das Dachwasser sozusagen selbst flutet. Eine weitere, aber eher seltene Gefahr ist, dass das Wasser durch Sickerwasser und Staunässe im Boden durch die Kellerwände in ein Gebäude eindringt.

Sind Rückstauverschlüsse vorgeschrieben?

Ja, die Normen zur Grundstücksentwässerung verlangen Rückstauverschlüsse, sofern unterhalb des Straßenniveaus Abwasseröffnungen, sprich: Toiletten oder Gullys eingebaut worden sind.

Aber trotzdem haben immer noch viele Häuser keinen Rückstauverschluss…

Mein Eindruck ist, dass wir in Köln mit dem Thema gut aufgestellt sind und die meisten Architekten und Baufirmen Bescheid wissen. Die meisten Hausbesitzer wissen um ihre Situation und die, die keinen Rückstauverschluss haben einbauen lassen, haben sich entschieden, mit dem Risiko zu leben.

Was teuer werden kann…

Ja, im Schadensfall zahlen Elementar- oder Hausratversicherung nur, wenn ein Rückstauverschluss vorhanden ist und der auch regelmäßig fachmännisch gewartet wird.

Woher weiß ich, ob ich gefährdet bin?

Potenziell ist jeder durch Starkregen gefährdet, denn Starkregenereignisse können überall auftreten. Allerdings sind Gebäude am Hang oder in Senken sicherlich mehr gefährdet, da die Wassermassen hier abfließen und sich sammeln. Wie gefährdet man tatsächlich ist, hängt aber auch vom Gebäude selbst ab. Gibt es beispielsweise tiefliegende Räume mit Anschluss an die Kanalisation?

Welche Schutzmaßnahmen empfehlen Sie?

Wer unsicher ist, sollte von einem Installateur die Hausentwässerung überprüfen lassen. Der wird den Einbau eines Rückstauverschlusses empfehlen, wenn es im Keller Abwasseröffnungen gibt. Werden aber zum Beispiel Abläufe gar nicht mehr genutzt, sollte man diese verschließen lassen. Bei Haus-, Keller- oder Garagenzugängen, die unterhalb des Straßenniveaus liegen, empfiehlt es sich, kleine Schwellen zu setzen, damit das Wasser erst einmal zur Seite fließen kann. Keller- und Lichtschachtfenster sollte man schließen, vor allem, wenn man nicht zu Hause ist. Wer immer wieder feuchte Stellen an Kellerwänden hat, sollte diese Stellen nicht mit Möbeln zustellen, um nicht auch noch Schimmelbildung zu begünstigen.

Und was machen die StEB zum Schutz gegen Starkregen. Müsste nicht das Kanalnetz ausgebaut werden?

Das Kanalnetz entspricht dem allgemein anerkannten Stand der Technik. Es ist für Regenfälle ausreichend dimensioniert. Für extreme Wolkenbrüche kann und braucht ein Kanalnetz nicht ausgelegt sein. Handlungsbedarf sehe ich aber, wenn es darum geht, dass wir genug und funktionierende Straßenabläufe und Sinkkästen haben. Da sind wir mit dem Amt für Straßen- und Verkehrstechnik bereits im Gespräch und schauen gemeinsam, welche Lösungen sinnvoll sind. Ein Beispiel: Bisher ragen die Abwasserroste etwa 30 bis 40 Zentimeter in die Straßen hinein. Für die größer werdende Zahl an Radfahrern auf der Straße ist das aber ein Problem. Da könnten kürzere Roste sinnvoll sein. Über all das müssen wird sprechen.

Ein Problem bei Starkregen scheinen aber auch die durch Laub verstopften Gullys zu sein?

Die Gullys werden regelmäßig gereinigt. Dabei sind wir auch auf Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen. Bei Starkregen fallen jedoch innerhalb von kurzer Zeit so große Regenmengen, dass auch laubfreie Gullys diese nicht aufnehmen können.

Zur Person

Henning Werker ist Leiter der Hochwasserschutzzentrale und Hauptabteilungsleiter „Planung und Bau“ bei den Stadtentwässerungsbetrieben (StEB Köln)

Das Gespräch führte Angela Horstmann

Was ist Starkregen

Für Starkregen gibt keine einheitliche Definition. Der Deutsche Wetterdienst warnt beispielsweise vor Starkregen (Warnstufe „orange“), wenn 15 Millimeter bzw. Liter Regen pro Quadratmeter in einer Stunde vorhergesagt sind oder 20 Millimeter bzw. Liter Regen pro Quadratmeter in sechs Stunden vorhergesagt sind. Es können aber auch deutlich größere Regenmengen fallen.

Am 28. Juli 2014 wurden in Münster (Westfalen) 292 Liter Regen pro Quadratmeter innerhalb von sieben Stunden gemessen. Das war eine der höchsten in Deutschland gemessenen Regenmengen.

Am Nachmittag des 5. Juli 2012 fielen in Worringen und Roggendorf/Thenhoven innerhalb von eineinhalb Stunden 84 Liter Regen pro Quadratmeter. Es kam zu lokalen Überflutungen. Das war das stärkste Starkregenereignis der letzten Jahre in Köln.

Am Nachmittag des 19. Juli 2017 fielen in weiten Teilen Kölns über 60 Liter Regen pro Quadratmeter in zwei Stunden. Es kam vielerorts zu zum Teil heftigen Überflutungen. Die U-Bahnstation Geldernstraße etwa wurde überschwemmt. Ausgespart blieb lediglich der äußerste Nordwesten und Nordosten des Stadtgebiets.

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