Expedition im TschadKölner erforscht den Weg des Menschen nach Europa

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Der Kraterboden des „Trou au Natron“ mutet wie eine Schneelandschaft inmitten der Sahara an.

Der Kraterboden des „Trou au Natron“ mutet wie eine Schneelandschaft inmitten der Sahara an.

Köln – Berge höher als die Zugspitze, Hunderte Meter tiefe Schluchten und Krater, die an Mondlandschaften erinnern. Das Tibesti-Gebirge im Nordwesten des Tschad ist eines der wildesten und am wenigsten erforschten Gebiete der Welt – inmitten der ohnehin schon unwirtlichen Sahara. 1000 Kilometer von der tschadischen Hauptstadt N’Djamena entfernt leben im 200 000 Quadratmeter großen Areal nur vereinzelt Menschen. Europäer kommen nur selten in diese Gegend. Der Kölner Wüstenforscher Stefan Kröpelin ist der erste Deutsche, der seit Jahrzehnten eine Expedition ins Tibesti-Massiv leitet.

Dabei geht es um nichts weniger als um die Geschichte der Menschheit. Kröpelin glaubt, dass die Menschen von ihrem Ursprungsort Äthiopien nach Europa aufgebrochen sind und dabei nicht über die arabische Halbinsel oder entlang des Nils kamen, sondern über das Tibesti-Gebirge. „Der Mensch ist direkt durch die Sahara gewandert“, sagt er. Diese war mit hoher Wahrscheinlichkeit vor 120 000 Jahren allerdings viel grüner als heute. Wo und wie viel Wasser es im Tibesti gegeben hat, dafür sucht der Kölner Uni-Wissenschaftler im Rahmen des Sonderforschungsprojekts 806 „Unser Weg nach Europa“ Belege.

Wie eine Schneelandschaft mitten in der Wüste

Kröpelin ist ein Profi, was Expeditionen in die Sahara angeht. 60 wissenschaftliche Touren in 35 Jahren hat er in den Sudan und nach Ägypten, nach Libyen und in den Tschad geführt. Kurz nach Karneval ist er mit vier Kollegen ins Tibesti-Massiv aufgebrochen. Ist mit einer Linienmaschine nach N’Djamena und einer alten russischen Antonov in die Provinzhauptstadt Bardai geflogen, ein 500-Seelen-Dorf im Nordwesten des Landes. Hier haben die Tubu das Sagen. Ein Volk, dessen Menschen von wenig Wasser und manchmal nur von einer Dattel am Tag leben können und die auch unter den Einwohnern des Tschad gefürchtet sind. Kröpelin hat sie als liebenswürdige und hilfsbereite Menschen erlebt, die ihm – freilich gegen Bezahlung – Scouts, Esel und Kamele für die Expedition zur Verfügung stellten. „Ohne sie hätten wir sofort wieder umdrehen können“, so Kröpelin.

Mit ein paar Jeeps brach das Team auf zum 3315 Meter hohen Berg Tarso Toussidé. Auf Pisten, auf denen die Chauffeure nur im Schritttempo fahren können. Pisten, neben denen noch Minen aus dem Libysch-tschadischen Grenzkrieg von 1979 bis 1987 liegen. Am Fuß des Toussidé warteten Treiber mit Eseln, die Proviant, Schlafsäcke und Forschungsmaterial 3000 Meter hinauf-, dann wieder 850 Meter hinabtrugen. Ziel der Forscher war der Krater „Trou au Natron“, dessen Boden mit einer meterdicken und messerscharfen Salzkruste bedeckt ist und der wie eine Schneelandschaft mitten in der größten Wüste der Erde anmutet.

Gesteinsproben werden in Köln untersucht

An den Wänden des Massivs entdeckten die Wissenschaftler eindrucksvolle Wandbilder mit Elefanten, Giraffen und Antilopen, die Menschen vor einigen Tausend Jahren angefertigt haben. An einer Stelle des Kraters trat 25 Grad Celsius warmes Wasser aus. Hier nahm das Kölner Forscher-Team Gesteinsproben und fand Kieselalgen, die darauf hindeuten, dass es im Krater einmal einen zehn Meter tiefen See gegeben hat. Ideale Voraussetzung also für den Urzeitmenschen auf seinem weiten Weg nach Europa.

Weiter ging es auf den höchsten Berg des Tibesti, den 3445 Meter hohen Emi Koussi. Dort bohrten die Forscher nach Sedimenten eines fossilen Sees. In der Mitte des Kraters fanden sie ein tiefes Strudelloch, unter dem sich ein harter Kern aus Kalk verbarg. Kröpelin versuchte, von dem geologisch interessanten Gestein Proben zu nehmen. „Die Gefahr war aber zu groß“, sagt er. Die Salzkruste hätte einstürzen können und die Forschen unter sich begraben können. Dennoch habe sich der Weg zum Emi Koussi gelohnt. Die Kölner stießen erneut auf Kieselalgen und Steine, in denen Kröpelin auch jahrtausendalte Pollenreste vermutet. Die Algen lassen Rückschlüsse zu, ob es einen See an dieser Stelle gegeben hat. Die Pollen geben Aufschluss darüber, welche Pflanzen im Tibesti-Gebirge vor 120 000 Jahren heimisch waren. Weitere Ergebnisse wird erst die Auswertung der Gesteinsproben in Köln liefern. Aber jetzt schon meint Kröpelin, dass das Tibesti als Unesco-Welterbe ausgezeichnet werden sollte. Einen Antrag will der Kölner bald mit seinem tschadischen Kollegen Baba Mallaya stellen.

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