Nachlass regelnWie Sie den Streit ums Erbe vermeiden

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In vielen Erbengemeinschaften entsteht Streit. Schließlich geht es meist um größere Summen. Mit gutem Willen ist aber auch eine einvernehmliche Vermögenstrennung machbar.

In vielen Erbengemeinschaften entsteht Streit. Schließlich geht es meist um größere Summen. Mit gutem Willen ist aber auch eine einvernehmliche Vermögenstrennung machbar.

Wenn Mutter und Vater versterben, sind die Kinder beim Erbe oft auf sich gestellt. Das macht manches noch schwieriger – vor allem, wenn es ums Elternhaus geht. Anders als zum Beispiel bei Aktien oder Bargeld lassen sich Häuser oder Wohnungen nicht immer problemlos aufteilen. „Und der Normalbürger hat sein Geld häufig in einer Immobilie angelegt“, sagt Paul Grötsch, Geschäftsführer des Deutschen Forums für Erbrecht. Gibt es keine testamentarische Festlegung, müssen sich die Erben einigen.

Grundsätzlich haben die Mitglieder einer Erbengemeinschaft die gleichen Pflichten und Rechte. Dazu gehört, dass jeder die Teilung des Nachlasses verlangen darf. Geld sei am einfachsten zu teilen, sagt Jan Bittler von der Deutschen Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge (DVEV). Schwieriger wird es etwa mit Goldbarren, Unternehmensanteilen oder Fahrzeugen. Einigen die Erben sich nicht, bleibt das Verkaufen: „Im Zweifel ist alles zu veräußern und zu Geld zu machen“, sagt der Fachanwalt für Erbrecht.

Bis zur endgültigen Teilung der Erbmasse kann die Erbengemeinschaft nur zusammen über den Umgang mit dem Vermögen entscheiden. Beschlüsse, auch über den Verkauf, muss sie einstimmig fassen - und sämtliche Mitglieder haben gleiches Stimmrecht.

Praktisch kann so jeder Entscheidungen blockieren. Spätestens hier werden oft „innerfamiliäre Spannungen ausgelebt und alte Rechnungen beglichen“, sagt der Anwalt Holger Siebert von der Deutschen Gesellschaft für Erbrechtskunde (DGE). Am verbissensten streiten seiner Erfahrung nach Geschwister.

Hat der Erblasser kein Testament gemacht hat und gilt deshalb die gesetzliche Erbfolge, oder hat er mehrere Erben eingesetzt, entsteht laut Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB, Paragraf 1922) eine Erbengemeinschaft. Nach dem Willen des Gesetzes zielt die Gemeinschaft darauf, den Nachlass zu teilen. Das kann aber leicht Streit geben.

„Jedem Miterben gehört der gesamte Nachlass. Es besteht also keine Zuordnung einzelner Gegenstände“, sagt Anton Steiner, Präsident des Deutschen Forums für Erbrecht (DFE) in München. Auto, Haus, wertvolle Sammlungen, Schmuck und Ähnliches gehört allen zusammen. Hinzu kommt: „Jeder kann mitbestimmen, mitverwalten. Daher kann aber auch jeder die anderen schikanieren, blockieren“, warnt Steiner. Außerdem könne jeder die Versteigerung von Nachlassgegenständen erzwingen, auch gegen den Willen der anderen.

In der Konsequenz kann es einer Mutter passieren, dass der miterbende Sohn die Versteigerung des von ihr bewohnten Hauses durchsetzt. Das Versteigerungsrecht kommt häufig als Druckmittel gegen Miterben zum Einsatz. „Angenommen, dem Sohn steht die Hälfte des Hauses zu. Er glaubt, es sei 100.000 Euro wert, die Mutter setzt 80.000 Euro an und will dem Sohn nur 40.000 Euro zugestehen“, erklärt Jan Bittler von der Deutschen Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge (DVEV). Bleibt die Frau hart, könnte der Sohn die Immobilie zwangsversteigern lassen. Den Erlös müsste er mit seiner Mutter teilen.

Der Anteil des Einzelnen hängt einzig von seiner Quote ab, die sich in der Regel aus der gesetzlichen Erbfolge ergibt. Teilen zum Beispiel Mutter und zwei Kinder, stehen der Mutter grundsätzlich 50 Prozent und den Kindern je 25 Prozent des Werts der Erbmasse zu. Niemand genießt Vorrechte - etwa weil er Omas Liebling war, eine Vorliebe für Schmuck hat oder aufgrund von Alter und Geschlecht. Eine Ausnahme besteht für Ehegatten: Sie dürfen laut BGB Dinge aus dem Haushalt übernehmen.

„Erbengemeinschaften sind immer sehr schwierig“, sagt auch Experte Grötsch. Probleme gebe es insbesondere bei Immobilien. „Die Frage ist dann: Will man vermieten, verkaufen, oder will ein Erbe in der Immobilie wohnen?“ In der Regel sei die einfachste Lösung, Haus oder Wohnung zu verkaufen und die Kaufsumme zu teilen. „Es ist allerdings oft der Wille der Eltern, dass eines der Kinder das Haus übernimmt“, erklärt Grötsch.

Einer der Erben übernimmt das Haus und zahlt die anderen aus. Aber dazu braucht er viel Geld. Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie man das Ganze finanziell stemmen kann.

Hauserben auszahlen: So klappt das

Die Erbengeneration kann sich immer öfter über Häuser oder Wohnungen freuen – allerdings nicht ungeteilt. Inzwischen rechnen zwei Drittel der künftigen Erben damit, die elterliche Immobilie gemeinsam zu erben. „Die Eltern der Babyboomer aus den 1960er Jahren erreichen in den nächsten Jahren ein Alter, in dem Erbschaften wahrscheinlich werden. In der Regel erben die Kinder zu gleichen Teilen“, sagt Peter Haueisen, Leiter der Allianz Baufinanzierung.

Oft möchte eine Erbengemeinschaft das Objekt zwar allein schon aus emotionalen Gründen behalten – doch eine geerbte Immobilie kann nicht einfach in mehrere Stücke geteilt werden. Wenn eines der Kinder einzieht und die anderen auszahlen muss, stellt sich immer das Problem, wie sich der Wert der Immobilie ermitteln lässt. Will einer das Haus, bekommt der andere einen Ausgleich in Sachwerten oder Geld.

Eine Umfrage der Allianz zum Thema Immobilienerbschaften belegt, dass in der Vergangenheit noch mehr als die Hälfte (51 Prozent) der Nachkommen ihr Erbe allein angetreten haben. Der Versicherungskonzern fand heraus, dass die meisten Kinder im Moment noch Einfamilienhäuser (56 Prozent) vermacht bekommen - es folgen Mehrfamilienhäuser (22 Prozent) und Eigentumswohnungen (15 Prozent). Der Anteil der Eigentumswohnungen steigt aber immer stärker.

„Man kann versuchen, sich auf eine Summe zu einigen“, erläuterte Grötsch vom Deutschen Forum für Erbrecht – oder darauf, einen neutralen Sachverständigen den Wert bestimmen zu lassen. Eine andere Möglichkeit ist, das Haus zum Verkauf anzubieten. So bekomme man einen Anhaltspunkt, welcher Preis für die Immobilie zu erzielen ist.

Ein Baudarlehen hilft beim Aufteilen

Ein Weg, das Erbe aufzuteilen, sei dann: Das Geschwisterteil, das das Haus bekommt, nimmt ein Darlehen auf, um mit diesem Geld den oder die anderen auszuzahlen. „Das Darlehen ist ja gut abgesichert durch das Haus, und die Zinsen sind zur Zeit sehr günstig“, sagte Grötsch.

Immobilienbesitzer haben dabei gegenüber ganz normalen Kreditnehmern einen Vorteil: Statt des teuren Ratenkredits können sie ein preiswertes Baudarlehen in Anspruch nehmen. Wer gut vergleicht, kann sich über Rekordzinsen freuen: Zehnjährige Baudarlehen gibt es derzeit bereits für weniger als zweieinhalb Prozent Zinsen (Stand: August 2014).

Aber auch sein Darlehen muss der frischgebackene Erbe erst einmal refinanzieren. Die Allianz-Studie belegt, dass nur jedes vierte Kind in die ererbte Immobilie zieht. In diesem Fall ist das Aufsplitten des Erbes weniger problematisch, denn die neuen Besitzer können das Objekt einfach vermieten und die Kosten des Baudarlehens refinanzieren. So zahlt sich das Baudarlehen im Idealfall quasi von selbst zurück – und der Familienfrieden bleibt sicher, ganz im Sinne der Eltern.

Komplizierter wird der Erbfall, wenn ein Geschwisterteil schon im Haus wohnt – und möglicherweise Geld hineingesteckt hat. „Solche Investitionen sind tatsächlich ein Problem“, betonte Grötsch. Denn dadurch wird sein Erbanteil nicht erhöht. Es gibt dann nur einen vom Erbrecht unabhängigen Anspruch, der sich jedoch meistens nur mit großem Aufwand durchsetzen lässt.

Eine einvernehmliche Vermögenstrennung ist oft schwierig, geht aber: „Einer der Miterben ergreift die Initiative und lädt die anderen an einen Tisch“, erläutert DGE-Experte Siebert. Hilfreich ist, bereits im Vorfeld Empfindlichkeiten zu bedenken, damit die heiklen Gespräche in möglichst spannungsfreier Atmosphäre ablaufen. Am Tisch steht Brainstorming auf der Agenda: „Fragen, ob jemand bestimmte Dinge aus der Erbmasse haben will und eine Schnittmenge suchen.“

Ist die Erbengemeinschaft einig geworden, erstellt sie einen Teilungsplan, den alle Mitglieder unterschreiben. Bei Immobilien ist der Notar hinzuziehen. Wenn die beschlossene Teilung durchgeführt ist, endet die Erbengemeinschaft. Fristen für diesen Ablauf gibt es nicht. Allerdings ist die Aufteilung laut Gesetz erst erlaubt, wenn sämtliche Nachlassverbindlichkeiten beglichen sind.

Solange sich die Geschwister grün sind, sei das Thema meist kein Problem. „Aber es ist natürlich schwer zu beantworten, wie groß die Wertsteigerung ist, die auf der Investition beruht. Das ist eine extrem schwierige, streitanfällige Frage“, sagte Grötsch. „Eigentlich ist es zwingend nötig, sich vorher darüber zu verständigen.“

Ein gut formuliertes Testament kann Erbstreitigkeiten verhindern. Was Sie beachten sollten, lesen Sie auf der nächsten Seite.

Durchdachtes Testament beugt Streit vor

Zermürbenden Auseinandersetzungen lässt sich mit einem sorgfältig durchdachten Testament vorbeugen. Darin könnte der Erblasser zum Beispiel die wichtigsten Gegenstände bestimmten Menschen zuweisen oder eine Teilungsanordnung bestimmen, erläutert Anton Steiner.

Paare, die mit ihren Kindern in einer Immobilie wohnen, die ihnen gehört, sollten dem Problem vorbeugen: „Den Ehepartnern ist unbedingt zu raten, sich gegenseitig im Testament als Alleinerben einzusetzen oder auf anderem Weg sicherzustellen, dass der überlebende Ehegatte Alleineigentümer der Immobilie wird“, sagte Paul Grötsch.

Es sei ein verbreiteter Irrtum zu glauben, dass der eine Ehepartner alles erbt, wenn der andere stirbt. Das sei nicht so. Erbrechtlich kann die Situation sogar ziemlich kompliziert werden. Ein Beispiel: Ein Ehepaar, das keinen Ehevertrag geschlossen hat, hat gemeinsam eine Immobilie und ein Kind. Beim Tod eines Ehegatten passiert Folgendes: Dessen Anteil an der Immobilie erben der überlebende Ehegatte und das Kind je zur Hälfte. Bei drei Kindern erbt der Elternteil ebenso eine Hälfte, jedes Kind jeweils ein Sechstel. „Man muss bedenken, dass dann auch die Kinder mit im Grundbuch stehen“, erklärt Experte Grötsch.

In der Regel ist die Situation einfacher, wenn die Mutter oder der Vater die Immobilie zunächst alleine erben, und die Kinder erst dann zum Zug kommen, wenn auch der zweite Elternteil gestorben ist. Denn möglicherweise möchte der Elternteil weiterhin in dem Haus oder der Wohnung bleiben – die Kinder wollen aber ebenfalls vom Erbe profitieren.

Wenn Mutter oder Vater nicht genug Geld haben, um sie auszuzahlen, könnten die Kinder auf einer sogenannten Teilungsversteigerung bestehen. „Das ist das Druckmittel, das die Erben in dieser Situation haben“, sagte Grötsch. „Und das führt oft zu erheblichem Streit.“ Manchmal ohne bösen Willen. „Es kann ja sein, dass eines der Kinder aus wirtschaftlicher Not gezwungen ist, die Immobilie zu versilbern.“ Es komme zwar nur selten zur Versteigerung. „Aber es sind eben nicht alle Familien so heil, dass sich die Erben einigen und die Mutter oder den Vater dort wohnen lassen.“

Erben ein Elternteil und mehrere Kinder die Immobilie, könnten die Kinder ihre Erbanteile zwar freiwillig auf die Mutter übertragen. „Aber das ist nicht unbedingt geschickt“, warnte Grötsch. „Denn je nach Vermögenssituation kann dann Schenkungsteuer anfallen.“ Eine andere Variante sei, dass die Kinder explizit auf eine Teilungsversteigerung verzichten. Das gibt dem Elternteil die Sicherheit, nicht doch irgendwann ausziehen zu müssen, weil eines der Kinder Geld braucht.

Berliner Testament oder Vermächtnisse

Um diese Abhängigkeit des Elternteiles von seinen Kindern zu vermeiden, sollten die Ehegatten zu Lebzeiten beide ein Testament abfassen. In vielen Fällen ist das Berliner Testament sinnvoll: Darin setzen sich Ehepartner gegenseitig als Erben ein, Erben des länger lebenden Ehegatten werden die gemeinsamen Kinder. Eine weitere Option sind Vermächtnisse. Sie haben den Vorteil, dass liebgewonnene Menschen wie Freunde und Nachbarn im Testament bedacht werden, ohne zu erben. So bleiben Familienfremde in der Erbengemeinschaft außen vor.

Kinderlose Ehepaare haben die Möglichkeit, sich testamentarisch gegenseitig als Alleinerben einzusetzen. Sie verhindern damit, dass der überlebende Partner sich in einer Erbengemeinschaft mit anderen arrangieren muss.

Problematisch ist, dass eine nichteheliche Lebensgemeinschaft nicht den gleichen Schutz bietet wie in der Ehe. Das kommt besonders zum Tragen, wenn das Eigenheim einem Partner alleine gehört.„In einer nichtehelichen Beziehung steht der Lebenspartner, der nicht Eigentümer ist, mit einem Bein auf der Straße“, warnt Dietmar Kurze, Geschäftsführer beim Verband Vorsorgeanwalt e.V. aus Berlin.

Aus dieser Falle gibt es einen Ausweg: Die Partner treffen zu Lebzeiten eine Vereinbarung, wonach eine lebenslanges Wohnrecht zugestanden wird. „Eine solche Vereinbarung muss der Lebenspartner aber schriftlich nachweisen können“, unterstreicht Kurze. Böse Überraschungen im Alter ließen sich am besten mit einer Kombination aus Vorsorgevollmacht, Testament und Wohnrecht verhindern, rät der Fachanwalt. (dpa/gs/Biallo)

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