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5 hilfreiche TippsIm Winter draußen Sport treiben – so schaffen das auch Sportmuffel

Lesezeit 7 Minuten
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Sport unter freiem Himmel geht immer! 

Köln – Jedes Mal, wenn man ins Fitnessstudio, Schwimmbad oder Tanzstudio will – erstmal testen. Denn nur, wer einen tagesaktuellen Schnelltest vorlegen kann und doppelt geimpft oder genesen ist, hat hier Zutritt. So lauten die aktuellen Corona-Regeln in Nordrhein-Westfalen. Mich persönlich nervt das nicht. Es hat mich auch herzlich wenig interessiert, als im vergangenen Jahr alles in den Lockdown verfiel. Denn ich habe mein Fitnessstudio schon lange vor Corona nach draußen verlegt. Ja, auch im Winter! Dreimal die Woche trainiere ich mit einer Gruppe von Bekannten im Freien, kennengelernt haben wir uns, weil wir alle die Fitness-App „Freeletics“ nutzen.

Seitdem ich regelmäßig draußen Sport mache, fühle ich mich wacher und fitter. Und ich bin viel seltener krank. Aber: Gibt es da tatsächlich einen Zusammenhang? Ist es gut fürs Immunsystem, auch bei kalten Temperaturen draußen Sport zu treiben? Wie motiviert man sich dazu? Und bedeutet Bewegung im Freien eine echte Verbesserung unseres Wohlbefindens? Darüber habe ich mich mit Professorin Christine Joisten, Sportmedizinerin an der Sporthochschule Köln, und Bekannten aus meiner Sportgruppe unterhalten.

Wie motiviert man sich für Sport draußen?

Doch wie rafft man sich auf, wenn es draußen kalt, dunkel und regnerisch ist? „Ich persönliche gehe fast jeden Morgen um sechs mit dem Hund joggen“, sagt Christine Joisten. „Das ist ein Termin, auf den ich mich mental schon am Abend vorher einstelle.“ Sie gehe auch bei schlechtem Wetter raus. Nur, wenn es wirklich schlimm regne, lasse sie das Training ausfallen oder suche sich drinnen eine Alternative. Ähnlich machen wir das auch mit unserem Fitnesstraining. In einer Whatsapp-Gruppe legen wir Termin und Ort fest.

Auswahl an Fitness-Apps

Freeletics

Hier macht man Übungen mit dem eigenem Körpergewicht, es gibt einzelne Übungen und komplette Workouts. Die App gilt als  herausfordernd, eignet sich aber auch für Einsteiger. Mit einer kostenlosen Version kann man in die App reinschnuppern, danach kostet sie etwa 32 Euro für drei Monate. Ein Algorithmus erstellt personalisierte Trainings.

Seven

Die Idee: Jeden Tag ein Training von sieben Minuten - und zwar auch hier nur mit dem eigenen Körpergewicht. Zum Testen kann man die App für kurze Zeit umsonst herunterladen, danach kostet das Training etwa zehn Euro pro Monat.

Goliaz

Die Übungen werden mit dem eigenen Körpergewicht ausgeführt, die Fitnessprogramme laufen über zwei Monate. Eine Testversion bietet einen ersten Überblick, wer die App kauft, zahlt etwa 18 Euro pro Monat. Das ist teurer als bei ähnlichen Apps, dafür werden die personalisierten Trainingspläne aber auch nicht von einem Algorithmus zusammengestellt, sondern von Menschen.

Down Dog

Benannt nach der wohl bekanntesten Übung, dem herabschauenden Hund, bietet diese Yoga-App eine große Auswahl an Videos mit verschiedenen Übungen. Die Nutzer wählen Yoga-Typ, Fitness-Level und Zeit selbst aus. Die ersten Videos sind kostenlos, danach kostet die App etwa acht Euro pro Monat.

Asana Rebel

Die App ist bietet eine Mischung aus Yoga und Fitness, und richtet sich eher an Fortgeschrittene. Es gibt mehr als 100 verschiedene Workouts. Nur wenige der Videos sind kostenfrei, danach kostet ein Abo etwa 16 Euro pro Monat.

Mein Bekannter Mirko (50) sagt: „Wenn ich abends zum Sport verabredet bin, esse ich mittags viele Kohlenhydrate und Proteine, damit ich genug Energie habe. Und wenn ich den Stein dann schon mal angestoßen habe, gehe ich auch raus.“ Klar, ihm falle das im Winter schwerer als im Sommer, aber: „Wenn ich einmal draußen bin, bin ich motivierter Sport zu machen als drinnen.“ Er führt das auch auf die Dynamik in der Gruppe zurück: Zu sehen, dass die anderen sich auch anstrengen und dass man sich gegenseitig anspornt, helfe ungemein. Aber auch: „Wenn man zugesagt hat, will man die anderen ja auch nicht hängen lassen.“ Deswegen rät Christine Joisten dazu, sich zum Joggen, Yoga oder Fitness draußen zu verabreden.

Und wenn die Leute blöd gucken?

Das war ehrlich gesagt meine größte Hemmung nach draußen zu gehen: Die Sorge, dass Spaziergänger blöd gucken, wenn ich meine Fitnessübungen im Park mache. „Ich kann das gut nachvollziehen“, sagt Christine Joisten. „Aber ich glaube, dadurch, dass während Corona so viele draußen Sport gemacht haben, ist das normaler geworden.“ Sie rät dazu, sich zu fragen, woher die Hemmschwelle rührt. Und dann: Sich verabreden, einfach mal machen und schauen, ob die Leute wirklich blöd gucken.

Meine Erfahrung ist: Die ersten paar Minuten fühlt es sich echt komisch an. Aber nach zehn Minuten fragt man sich weniger, ob die Leute schon gucken, sondern eher, wie man die nächsten zwanzig Minuten Training überstehen soll. Kurz: Ich habe nur positive Erfahrungen gemacht. Mirko hingegen erzählt mir, dass ihn Leute nachgeäfft haben. „Da habe ich mich kurz geärgert, aber direkt danach gedacht: Ich mache das dreimal die Woche – und was macht ihr so?“

Was brauche ich?

Es gibt also kein Argument, drinnen auf dem Sofa zu bleiben. Ich persönlich habe im Mai angefangen – und mich dann im Oktober gefragt: Will ich das wirklich den Winter über durchziehen? Ja, das wollte ich. Ich habe mir sehr teure, aber sehr gute atmungsaktive Thermo-Sportklamotten gekauft und habe kein einziges Mal gefroren.

„Es gibt nicht das falsche Wetter, sondern nur die falsche Kleidung“, sagt auch Christine Joisten. Sie rät, zum Zwiebellook und zu atmungsaktiver Sportkleidung. „Praktisch sind auch viele Reißverschlüsse, die man aufmachen kann, wenn es zu warm wird.“ Außerdem sollten Jogger auf gutes Schuhwerk achten und sich eine Stirnlampe zulegen. „Selbst bei guten Streckenkenntnissen ist eine gute Sicht sehr wichtig.“ Radfahrer sollten sich mit Helm, Warnweste und fluoriszierenden Armbändern ausstatten, damit Autofahrer auch die Handzeichen gut sehen können.

Wo gehe ich hin?

Wer nicht joggen oder Fahrrad fahren, sondern lieber Fitness oder Yoga machen möchte, braucht einen Ort fürs Training. Und: eine gut isolierte Matte. Denn im nassen Gras kann es doch schnell kalt werden. Christine Joisten empfiehlt bei kalten Temperaturen statt Yoga auf dem Boden lieber Tai Chi im Stehen zu machen. Wir trainieren mit unserer Gruppe meist auf Asphalt, bei Regen suchen wir uns einen überdachten Ort, zum Beispiel eine Brücke. Außerdem im Dunkeln wichtig: eine Lichtquelle, zum Beispiel ein Strahler oder eine Campinglampe.

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Im Übrigen fördert die Stadt Köln die Bewegung draußen. In verschiedenen Parks in Köln wurden in den vergangenen Jahren viele neue Bewegungsparcours eingerichtet oder alte Trimm-Dich-Pfade modernisiert. Besonders bekannt sind etwa die im Inneren Grüngürtel oder im Lohsepark. Etwa 25 kleinere „Bewegungsstationen“, die sich vorrangig an Jogger richten, sind über das ganze Kölner Stadtgebiet verteilt, einige davon befinden sich noch im Aufbau, so die Stadt Köln. „Man kann auch einfach an Alltagsgegenständen seine Übungen machen“, rät Joisten. „An Bänken oder Wänden im öffentlichen Raum oder abends auf dem verlassenen Spielplatz.“

Ist das denn nun gesund?

Normalerweise bin ich im Winter ständig krank – in den vergangenen beiden war ich es nur einmal. Ich führe das nicht nur auf die Maskenpflicht letzten Winter zurück, sondern auch darauf, dass ich so viel draußen trainiert habe. Andere aus meiner Gruppe haben ähnliche Erfahrungen gemacht. Mirko trainiert seit fast fünf Jahren draußen und kann sich nicht mal mehr erinnern, wann er die letzte schlimme Erkältung hatte. Christine Joisten sagt: „Sport ist immer ein Immunförderer, wenn man es nicht übertreibt. Es verbrennt Kalorien, stärkt das Herz-Kreislaufsystem und fördert die Durchblutung.“

Studien zeigten bei sportlicher Aktivität draußen besonders gute Auswirkungen auf die Psyche. „Das heißt nicht, dass Sport drinnen schlechter ist, der Effekt scheint nur draußen stärker zu sein.“ Es sei schwierig, die Effekte dieser „Green Exercises“ wie es in der Forschung heißt, zu messen. In Studien gäben Teilnehmer jedoch an, dass sich ihr Wohlbefinden und ihre Lebensqualität draußen besonders steigern würden. Joisten führt das auf die Naturverbundenheit des Menschen zurück und schlicht auf die veränderte Luft.

Tatsächlich habe ich beobachtet: Wenn ich ausnahmsweise doch mal drinnen Sport mache, fühle ich mich eingesperrt und bekomme schlecht Luft. Das ändert sich erst, wenn ich die Fenster weit aufreiße und die kalte Luft nach drinnen strömt. Überhaupt finde ich, dass Sport draußen im Winter einen besonderen Reiz hat. Wenn ich auf meiner Matte liege, der Atem weiße Rauchwolken bildet, die Sterne am Himmel funkeln und mir zum ersten Mal an diesem Tag wirklich warm ist, dann bin ich glücklich. 

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