Richtig VerzichtenExperte gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Fasten

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Was bewirkt Fasten?

  • Professor Andreas Michalsen ist Chefarzt der Abteilung Naturheilkunde am Immanuel Krankenhaus Berlin.
  • Was muss man beachten wenn man alleine fastet? Wie hält man das Gewicht im Anschluss?
  • Fragen und Antworten, Studien und Trends rund ums Thema Fasten.

Fasten ist angesagt wie nie und hat auch schon historisch eine große Rolle gespielt. „Das Fasten ist die Speise der Seele. Wie die körperliche Speise stärkt, so macht das Fasten die Seele kräftiger und verschafft ihr bewegliche Flügel, hebt sie empor und lässt sie über himmlische Dinge nachdenken“, hat beispielsweise Johannes Chrysostomos, Kirchenlehrer und Patriarch von Konstantinopel, bereits 400 Jahre nach Christus gesagt. In allen Weltreligionen gibt es Fastenzeiten. Der freiwillige Verzicht auf Nahrung spielt heute vor allem in Überflussgesellschaften eine Rolle. Meist geht es dabei nicht um Spirituelles, sondern rein um Körperliches: man will abnehmen und sich entgiften.

Wie Nahrungsverzicht sich auf Körper und Psyche auswirkt, interessiert mittlerweile auch die Wissenschaft. Für die bislang größte Studie zum Buchinger-Fasten wurden kürzlich 1422 teilweise übergewichtige Patienten untersucht, die zwischen fünf und 20 Tagen an der Buchinger-Wilhelmi-Klinik im schwäbischen Überlingen fasteten. Das Ergebnis: Das Fasten wirkte sich vor allem auf den Stoffwechsel der Probanden aus. Blutdruck, Zucker- und Blutfettwerte verbesserten sich. 93 Prozent der Teilnehmer fühlten sich außerdem stabiler und ausgeglichener als zu Beginn der Studie. An der Studie beteiligt war auch Professor Andreas Michalsen. Hier beantwortet er die wichtigsten Fragen. 

Warum sollte ein gesunder Mensch fasten?

Wenn ein Mensch top gesund ist und alles gut ist, muss er nicht zwingend fasten. Aber der Begriff Gesundheit ist natürlich weit gefasst. Man kann sich gesund fühlen, aber doch schon leichtes Übergewicht oder einen hohen Blutdruckwert haben. In unserer biologischen Programmierung war es von der Evolution her über Jahrmillionen so, dass es einen Wechsel zwischen Phasen mit in Fülle verfügbarer Nahrung und Phasen ohne Nahrung gab.

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Insofern ist unser Körper auf diesen Wechsel von Fasten und Essen viel besser eingestellt als auf das, was wir heute immer machen: Kontinuierlich, ständig und immer ganz regelmäßig zu essen. Deswegen ist es wahrscheinlich für die langfristige Gesundheit besser, auch präventiv zu fasten.

Welche Methode eignet sich dafür am besten? Das harte Heilfasten ohne alles oder das Intervallfasten, bei dem man täglich acht Stunden lang Nahrung zu sich nimmt und 16 Stunden lang fastet?

Das weiß keiner so genau. Das ist ja das Spannende am Fasten. Früher war es so, dass es vielleicht mal ein oder zwei Tage kein Essen gab, während einer Dürre- oder Hitzeperiode aber auch mal zwei Wochen. Wenn man ganz ehrlich ist, weiß keiner so genau, welche Technik jetzt besser ist als die andere. Das muss man auch ein Stück weit für sich herausfinden, was zu einem passt, wie intensiv und wie oft man das machen möchte.

Was empfehlen Sie denn aus Ihrer medizinischen Erfahrung heraus?

Wenn man erst mal nur präventiv fastet, also kein Rheuma oder Diabetes behandeln will, würde ich eine Kombination empfehlen: einmal pro Jahr ein kurzes Heilfasten, etwa fünf bis sieben Tage, und Intervallfasten. Hier empfehle ich 16:8 (16 Stunden fasten, acht Stunden essen) für Männer und 14:10 (14 Stunden fasten, zehn Stunden essen) für Frauen an an fünf von sieben Tagen.

Muss man unter Aufsicht fasten oder geht das auch alleine zuhause?

Wenn man eine medizinische Zielsetzung hat, sich also ergänzend bei Diabetes, Bluthochdruck, Rheuma, Multipler Sklerose oder Schmerzsymptomen behandeln möchte und auch noch Medikamente einnimmt, sollte man es nur unter ärztlicher Überwachung machen. Viele Fastenkliniken sind aber leider sehr teuer. Es gibt mittlerweile aber auch viele Ärzte, die sich auskennen. Ganz wichtig: Wenn man Medikamente einnimmt – abgesehen von Vitaminen und Schilddrüsenhormonen – muss Fasten ärztlich betreut werden. Wenn man fastet, muss die Dosis sofort verändert werden. 

Warum wirkt sich Fasten so sehr auf die Gesundheit aus?

Fasten beeinflusst drei gewaltige Körpersysteme, die auch etwas mit Selbstheilung und Vorbeugung zu tun haben: Der Darm wird entlastet, die Autophagie, also die Zellreinigung,  in Gang gesetzt und Fasten hat Auswirkungen auf die Stoffwechselhormone.

Zur Person

Professor Andreas Michalsen, geboren 1961,  ist seit 2009 Chefarzt der Abteilung Naturheilkunde im Immanuel Krankenhaus Berlin. Außerdem ist er Inhaber der Stiftungsprofessur für klinische Naturheilkunde an der Charité-Universitätsmedizin Berlin. Zu seinen Fachgebieten gehören u.a. Fasten- und Ernährungsmedizin.

Durch das zu viele und zu oft Essen sind diese häufig in zu großer Konzentration im Körper und arbeiten übersteuert, insbesondere Insulin, das Diabetes verursachen kann. Diese drei Mechanismen erholen sich nach drei bis vier Tagen Fasten sofort und werden optimiert. Ich sehe es immer wieder bei meinen Patienten: Der Blutdruck sinkt nach drei vier Tagen, der Blutzuckerspiegel normalisiert sich und die Stimmung wird besser. Das Fett schmilzt auch, das finden auch die meisten Menschen toll. Man sieht einfach beim Fasten mit bloßem Auge und nicht erst mit einem Belohnungsaufschub von zehn Jahren, dass es dem Körper gut tut. Das macht schon einen Teil der Erfolgsgeschichte aus.

Hat das Intervallfasten auch diese positiven Effekte?

Das Intervallfasten hat nicht diese ganz große Therapiekraft wie das Heilfasten, aber es ist sehr nachhaltig. Beim Heilfasten ist das Problem, dass viele Leute diese eine Woche ganz gut aushalten und sich super fühlen, aber dann wieder der innere Schweinehund und der volle Kühlschrank kommen.  Dann steigt der Blutdruck nach zwei oder drei Monaten wieder. Beim Intervallfasten hat man nicht diesen schnellen Effekt, aber man kann es sehr regelmäßig machen und so eine Gewichtsabnahme erzielen. Die Erfolge sind nicht so sensationell, dafür aber stetig.

Woher kommt die Fasten-Euphorie? Trickst das Gehirn den hungernden Körper einfach nur aus?

Austricksen ist nicht der passende Ausdruck. Beim Fasten werden Ketonkörper von der Leber gebildet, die das Gehirn mit Energie versorgen. Als Folge dieser Stoffwechselanpassung wird auch Serotonin vermehrt ausgeschüttet. Das führt zu besserer Laune und mehr Wachheit. Das hat sicherlich über Jahrmillionen einen Überlebensvorteil gebracht. Wenn man nichts mehr zu essen hatte und sich mit Hunger apathisch in die Höhle gelegt hätte, hätte man sicher nicht überlebt. So macht es für mich schon einen Sinn, dass das Gehirn aktiver wird. So lässt sich erklären, warum Fasten die Stimmung eher hebt als dämpft. Man muss aber fairerweise sagen, dass nicht alle Menschen diese Fasten-Euphorie bekommen. Manche sind auch einfach nur platt. Das heißt nicht, dass sie schlecht fasten. Ich rate dann dazu, es in einem halben Jahr noch einmal zu versuchen.

Was soll man tun, wenn der Hunger doch zu groß wird?

Empfehlenswert ist die Buchinger-Technik, bei der man möglichst gut trinkt und einmal am Tag eine warme Suppe zu sich nimmt. Es gehört aber auch zur Wahrheit, dass zum Fasten auch ein bisschen Hunger gehört. Aber es ist weniger als man denkt. Gerade Menschen, die nicht übergewichtig sind, haben öfter Hunger. Übergewichtigen fällt es sehr viel leichter zu fasten. Bei ihnen ist die hormonelle Umstellung größer. Bei den Schlanken sind die Regelsysteme nicht so übersteuert. Die haben dann auch nicht diesen ganz großen Benefit davon.

Ist Fasten überall so angesagt wie in Deutschland?

In Kalifornien sind alle ganz verrückt nach Fasten. Auch in Großbritannien und Italien ist Fasten ein großer Trend. Und jetzt kommt es gerade ganz stark in China. Es sind die Gesellschaften, wo die Überfülle an Nahrung und die Erkrankungen, die dadurch entstehen, das Hauptproblem sind. In China wäre Fasten noch vor 20 Jahren undenkbar gewesen, weil es in der Geschichte auch viele Hungerperioden gegeben hat. Das hat sich jetzt natürlich geändert. Auch in China gibt es ein Riesenproblem mit Fastfood, Übergewicht, Fettleber und Diabetes.

Inwieweit trägt Fasten zur Entgiftung bei?

So wie man sich das früher mit den Schlacken vorgestellt hat, ist es nicht richtig. Schlacken gibt es nicht. Man sieht bei einer Darmspiegelung keine Schlackenstoffe, wenn man sechs Tage fastet. Auch im Urin sieht man nicht, dass entgiftet wird. Aber die Autophagie, das in der Zelle stattfindende Müllrecycling, das gibt es. Reste von alten Zellen werden abgebaut und wieder neu zusammengesetzt. Dieser Prozess wird durchs Fasten enorm gesteigert.  Die Entgiftung auf einer zellulären Ebene gibt es also schon.

Wie hält man  das Gewicht?

Wenn man das Intervallfasten mit zwei Schummeltagen pro Woche durchhält, kann man eine nachhaltige Gewichtsabnahme erreichen. Beim Heilfasten ist es wichtig, dass man diesen positiven Impuls und das veränderte Geschmackserleben beibehält. Man hat ja wirklich was geschafft und kann auch stolz auf sich sein. Das muss man nutzen, um sich zu einer gesünderen, vegetarischeren und vollwertigeren Ernährung hin zu bewegen. Wenn man das macht, gibt es auch keinen Jojo-Effekt. Aber es ist nicht geschenkt. Man muss den Schub vom Fasten nutzen und nicht gleich wieder  Schokotorte essen.

Welcher Trend kommt als Nächstes?

Was wir gerade in der Forschung lernen, ist, dass man das Intervallfasten in der Zukunft maßschneidern muss. Wir wissen, dass das ganz stark mit unserer inneren Uhr verknüpft ist. Wir haben einen inneren Zeitgeber, der genetisch gesteuert wird. Wenn wir gegen unsere innere Zeit handeln, zum Beispiel bei einem Jetlag, fühlen wir uns elend. Zudem gibt es Früh- und Spätaufsteher und  im dunklen Winter sind wir müder als im Sommer. Essen und der Zeittyp sind ganz eng miteinander verknüpft. Wir versuchen herauszufinden, wie wir einem Menschen individuell sagen können, wann und wie er fasten soll.

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