Allergologe erklärtWas Asthmatiker und Allergiker in Coronazeiten beachten müssen

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  • Das Coronavirus macht Asthmatikern und Allergikern besonders große Sorgen.
  • Während bei Allergien vor allem Gefahr durch Berührung des Gesichts entsteht, müssen Asthmatiker wegen ihrer vorgeschädigten Lunge aufpassen.
  • Der Allergologe und Chefarzt Dr. Christoph Möckel gibt Verhaltenstipps und beantwortet Fragen zu erhöhten Risiken und zur Ansteckungsgefahr.

Köln – Das Coronavirus versetzt die Menschen in Angst und Panik. Fast jeder springt zur Seite, wenn der Nebenmann, selbst bei beachtlichem Abstand, plötzlich niesen muss oder anfängt zu hüsteln. Einige reagieren rabiat und pöbeln den, der mit tränenden Augen, laufender Nase oder pfeifendem Atem an ihm vorbei geht, unmissverständlich an. Die Furcht, dass derjenige vom Coronavirus infiziert sein könnte, ruft solche und ähnliche Reaktionen hervor, von denen Menschen vermehrt berichten.

Höheres Coronavirus-Risiko für Allergiker

Diese „Auffälligen“ sind jedoch meist nicht vom Coronavirus infiziert, sondern aufgrund der vorgezogenen Frühjahrstemperaturen von Heuschnupfen und Asthma-Anfällen geplagt. Die sonnigen Tage führen dazu, dass Bäume und Büsche explosionsartig in Blüte stehen und starker Pollenflug das Leid der Allergiker dramatisch erhöht. In Deutschland leiden rund 15 Prozent der Menschen an Heuschnupfen und ebenso viele an Asthma. Denn oft entwickelt Heuschnupfen nach einigen Jahren zudem ein allergisches Asthma. Diese und ähnliche Allergieformen begleiten die Geplagten in der Regel lebenslänglich und nehmen an Heftigkeit zu, wenn man sie nicht behandelt.

110201 FHK HNO Möckel

Dr. Christoph Möckel ist Allergologe und Hals-Nasen-Ohren-Arzt.

Für Allergiker, Heuschnupfen-Geplagte und Asthmakranke gilt jedoch angesichts der Corona-Gefahr erhöhte Vorsicht. Dr. Christoph Möckel, Allergologe, HNO-Facharzt und Chefarzt am St. Franziskus-Hospital in Köln-Ehrenfeld: „Durch Heuschnupfen oder andere Allergien sind Augen und Nase entzündet. Viele reiben sich folglich Augen und Nase, weil es läuft und juckt. Wenn Finger und Hände nicht hundert Prozent sauber und frei von Viren sind, kann man sich leicht infizieren. Auf diesem Weg kann auch das Coronavirus leicht übertragen werden.“ Christoph Möckel ist selbst von Heuschnupfen geplagt, hat die Allergie aber, wie er sagt, „ganz gut im Griff“.

Asthmatiker besonders gefährdet – Allergiemittel konsequent einnehmen

Allen, die unter Heuschnupfen leiden, rät Möckel, anti-allergische Augentropfen und anti-allergisches Nasenspray konsequent und diszipliniert anzuwenden. Zum einen, um tränende Augen und Niesreiz zu unterbinden und zum anderen, um zu vermeiden, dass man durch unwillkürliche Berührungen im Gesicht das Risiko einer Infektion deutlich erhöht.

Das was für den Heuschnupfen-Patienten gilt, gilt erst recht für Asthmatiker. Denn Asthma ist eine chronische entzündliche Atemwegskrankheit, die zu Anfällen von Atemnot und Husten führen kann. Der Allergologe Möckel: „Asthmatiker müssen Vorsicht walten lassen angesichts der Corona-Gefahr. Denn die Lunge ist vorgeschädigt und der Sauerstoffaustausch kann früher in die Knie gehen als bei einem Nicht-Asthmatiker. Asthma ist eine Lungenerkrankung und es ist nicht gut, wenn noch eine zweite Erkrankung der Lunge hinzu kommt.“

Bei einer entzündeten Lunge, wie bei Asthmatikern der Fall, schwellen die Lungenbläschen an. In der Lunge wird Kohlenstoffdioxid in die Lungenbläschen aufgenommen und Sauerstoff aus der Atemluft ins Blut abgegeben, und zwar durch die dünnen Wände der Lungenbläschen. Der Sauerstoff im Blut ist lebenswichtig. Er wird zu den Organen und Zellen transportiert. Bei einer durch Asthma entzündeten Lunge findet zwar immer noch Luftaustausch mit dem Blut statt, aber er ist geringer als bei Menschen mit gesunden Lungenbläschen. Möckel: „Eine zusätzliche Schwächung der Lunge muss vermieden werden.“ Die vom Arzt verordneten Sprays und Medikamente müssen konsequent angewandt und eingenommen, Kontakte zu anderen Menschen in den aktuellen gefährlichen Zeiten vermieden werden.

„Die Lage wird sich weiter zuspitzen“

Dass sich die Menschen verantwortungsvoll schützen und mit Vernunft selbst dafür sorgen, dass sie soziale Kontakte vermeiden, ist für Christoph Möckel und seine Kollegen das Allerwichtigste und im Zusammenleben der Menschen unumgänglich: „Die Lage wird sich weiter zuspitzen.“ Jeder müsse sich an die Verbote und die Einschränkungen halten, denn sie dienen der eigenen Gesundheit und der Gesundheit der Mitmenschen. „Die Entwicklung ist mehr als bedrohlich“, warnt Möckel. Und die Gefahr ist zum Greifen nahe, dass irgendwann „alle Beatmungsplätze belegt sein werden.“

Im St. Franziskus-Krankenhaus wurden Ende März zwei Corona-Infizierte aus Heinsberg auf der Intensivstation behandelt. Beim Krankenhaus-Personal gab es einige Verdachtsfälle, vor allem bei jenen, die aus den österreichischen und italienischen Skigebieten zurückgekommen sind. Bisher ist keiner erkrankt. „Wir Ärzte und alle die im Krankenhaus arbeiten, müssen gesund bleiben.“ Denn sie müssen nicht nur die Corona-Infizierten behandeln und betreuen, sondern auch alle anderen, die krank in die Klinik kommen und bei denen weder Operationen noch Therapien verschoben werden können. Alle Eingriffe und Behandlungen, die sich nach Einschätzung der Ärzte verschieben lassen und die Gesundheit der Patienten nicht gefährden, werden derzeit nicht vorgenommen.

Allergiker und Asthmatiker: Nur im Notfall zum Arzt

Aus diesem Grund rät er Allergikern und Asthmatikern dringend davon ab, ohne triftigen Grund den Arzt aufzusuchen oder gar Krankenhäuser zu kontaktieren. „Wer nicht über 38 Grad Fieber hat, wer nicht hustet und sich abgeschlagen fühlt, wer keinen Hautausschlag bekommt, also Rötungen und Pusteln, was nicht zwingend ist, aber durchaus auftreten kann, der ist in häuslicher Quarantäne gut aufgehoben.“ Der Passant auf der Straße kann im übrigen nicht erkennen, ob sein hustendes, niesendes und nach Atem ringendes Gegenüber ein Corona-Erkrankter, „nur“ ein Heuschnupfen-Patient oder Asthmatiker ist. Das einzige was hilft: Abstand halten. Das gilt sowohl für den Allergiker als auch für den Nicht-Allergiker.

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Einen Mundschutz anzulegen, sofern man ihn denn überhaupt bekommt, scheint für Möckel kein hinreichender Schutz zu sein. „Wir wissen nicht genau, was es bringt, und sind uns darüber noch uneins. Je nach Ausführung ist so ein Mundschutz nach 80 Minuten durch, und zwar aufgrund der feuchten Atemluft. Spätestens dann muss man ihn entsorgen.“ So ein Mundschutz ist in der Regel aus einer Art Papierstoff gefertigt, sodass der feuchte Atem die Filterfunktion relativ schnell mindert. Ärzte, Klinikpersonal, Pfleger, Polizei, Feuerwehr und andere Hilfseinrichtungen sind mit Mundschutzmasken ausgestattet, die jedoch ständig gewechselt und entsorgt werden müssen.

„Wir müssen und wollen unbedingt gesund bleiben“

Sich als Alternative einen Schal vor Mund und Nase zu binden, ist noch sinnloser. „Das hilft dem Allergiker gar nicht, denn die Stoffporen sind groß, und die Pollen kommen da gut durch.“ Und Coronaviren lassen sich durch ein Tuch im Gesicht eh nicht abschrecken.

Die Angst, die die Menschen in dieser hochgefährlichen Zeit befällt, haben Ärzte nicht. Nicht weil sie sich sicher fühlen, sondern, so Möckel: „Wir haben dafür keine Zeit. Wir stecken tief im Tunnel der Arbeit, damit wir alles bewältigen können. Da bleibt keine Zeit für die Angst. Wir müssen und wollen unbedingt gesund bleiben.“

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