Bei psychischen ProblemenPsychiater erklärt, wie man den richtigen Therapeuten findet

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Eine gute Beziehung zwischen Patientin und Psychotherapeutin oder Therapeut sind sehr wichtig (Symbolbild).

  • In unserer Serie „Gesund durchs Jahr” widmen wir uns in jedem Monat einem anderen Themenbereich.
  • Im Februar beantworten Expertinnen und Experten Fragen rund um die psychische Gesundheit.
  • In der siebten Folge geht es darum, wie es gelingt, eine geeignete Therapeutin oder einen Therapeuten zu finden und welche Therapieform sinnvoll ist.

Köln – Die Angst vor dem Virus, die Sorge um Angehörige, die Einschränkungen durch den Lockdown und Existenzängste belasten derzeit viele Menschen. Das kann dazu führen, dass Depressionen, Angststörungen und Suchterkrankungen zunehmen. Therapeuten bekämen viel mehr Anfragen als vor der Krise, sagt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer. „Wir raten ausdrücklich, sich bei andauernden psychischen Beschwerden professionelle Hilfe zu suchen. Viele Menschen neigen aufgrund der Pandemie dazu, trotz Beschwerden zu lange durchzuhalten. Der Versuch, die Pandemie allein durchzustehen, kann jedoch dazu führen, dass aus vorübergehenden Beschwerden behandlungsbedürftige Erkrankungen werden”, warnt Munz. Psychotherapeutische Praxen sind auch während der Corona-Krise geöffnet. Doch wo finden Betroffene Hilfe? Wie finden sie einen geeigneten Therapeuten? Und welche Therapie ist für wen sinnvoll? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Woher weiß ich, ob eine Therapeutin oder ein Therapeut für mich gut ist?

„Ein ganz wichtiger Aspekt für den Therapieerfolg ist die Beziehung zwischen Patient und Therapeut“, sagt Professor Karsten Heekeren. Er ist Chefarzt für Psychiatrie und Psychotherapie an der LVR-Klinik Köln. Dies sei in vielen Studien nachgewiesen. In zwei bis vier sogenannten probatorischen Sitzungen können beide Seiten prüfen, ob sie gut zusammenarbeiten können. „Patienten sollten sich nicht scheuen, mit einem zweiten Therapeuten zu sprechen, wenn sie sich mit der ersten Person nicht wohlfühlen.“

Wie finde ich professionelle Hilfe?

„Wer psychische Probleme bei sich bemerkt, sollte sich an den Hausarzt wenden. Er kann Therapeuten empfehlen“, sagt Heekeren. Der Zugang über den Arzt sei wichtig, um mögliche organische Ursachen auszuschließen. Zum Beispiel kann eine depressive Verstimmung auch durch eine Blutarmut oder eine Fehlfunktion der Schilddrüse verursacht werden. Auf den Internetseiten der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein oder der Psychotherapeuten Kammer NRW können Betroffene eine Therapeutin oder einen Therapeut in der Nähe finden.

Video-Chat mit Professor Karsten Heekeren

Foto: Alexandra Kaschirina/LVR

Am Mittwoch, 17. Februar 2021, um 17.30 Uhr, beantwortet Karsten Heekeren, stellvertretender ärztlicher Direktor der LVR-Klinik Köln, im Video-Chat Leserfragen rund um Therapie und Therapeutensuche bei psychischen Erkrankungen.

Alle Informationen zur Veranstaltung des Forum Blau lesen Sie hier.

Wie bekomme ich schnell einen Termin?

Niedergelassene Therapeuten müssen eine psychotherapeutische Sprechstunde anbieten, dort schätzt der Therapeut das Problem ein. Wenn gesetzlich Versicherte Schwierigkeiten haben, einen Termin zu bekommen, können sie sich an die Servicenummer 116 117 oder deren Online-Termin-Vergabe wenden. Heekeren: „Wenn der Hausarzt einen Dringlichkeitsvermerk ausstellt, wie eine TAN-Nummer bei der Bank, muss man innerhalb von vier Wochen einen Termin bei einem Therapeuten in der Sprechstunde bekommen.“

Was kann ich tun, wenn kein Therapeut in meiner Nähe Termine frei hat?

Gibt es keinen niedergelassenen Therapeuten, der noch Patienten behandeln kann, können Patienten in einer Klinik ambulant behandelt werden. Eine andere Möglichkeit ist, das Kostenerstattungsverfahren – dabei zahlt die gesetzliche Krankenkasse eine Therapie bei einem Therapeuten ohne Kassenzulassung. Die genauen Voraussetzungen müssen mit der jeweiligen Krankenkasse abgeklärt werden.

Wie finde ich die richtige Therapieform?

Ob eine Gruppen- oder Einzeltherapie sinnvoller ist, hänge von der Persönlichkeit ab: „Bin ich ängstlich und vermeidend, kann eine Gruppentherapie sehr schwierig sein, weil ich nicht bereit bin, mich zu äußern und meine eigenen Probleme einzubringen“, so der Psychiater. Die Gruppentherapie bietet Patienten die Möglichkeit, von anderen Betroffenen zu lernen, wie sie ein Problem schon lösen konnten.

Für die folgenden vier Verfahren trägt die gesetzliche Krankenkasse die Kosten. „Mittlerweile übernehmen die Therapieschulen viel voneinander und lassen sich nicht strikt trennen“, sagt Heekeren.

Verhaltenstherapie

Sie geht davon aus, dass alles, was wir machen und wie wir uns verhalten auf Lernprozesse zurückgeht. „Hat mich eine Situation verängstigt, lerne ich, dass ich Angst haben muss und dieses Verhaltensmuster verstärkt sich immer mehr.“ In der Therapie wird versucht, diese Verhaltensmuster umzulernen. Es wird eine Verhaltensanalyse durchgeführt und Therapeut und Patient besprechen, welches Ziel erreicht werden soll, sagt Heekeren.

Wie funktioniert sie? Patienten müssen sich schrittweise Aufgaben stellen. Bei einer Spinnen-Phobie beispielsweise könnte das erste Ziel sein, sich Bilder von Spinnen anschauen zu können. „Ich lerne, wie ich aufkommende Angst durch Entspannungstechniken abbauen kann und sehe durch Beobachtung, dass Angst in einem Bogen verläuft und nach 15 bis 20 Minuten abnimmt.“ Schafft der Patient es, sich die Bilder anzuschauen, ist dies ein positives Erlebnis. Der Therapeut bestärkt den Patienten. „Das motiviere für die nächsten Schritte bis der Patient in der Lage ist, eine Vogelspinne seinen Arm hinauflaufen zu lassen – ohne, dass er Angst hat.“

Für wen eignet sie sich? „Eine Verhaltenstherapie ist anstrengend, Patienten müssen mitarbeiten, Hausaufgaben erledigen und Übungen im Alltag machen oder Dinge im Alltag beobachten. Sie ist sehr stark auf die Mitarbeit des Patienten angewiesen.“ Sie kann bei Angst- und Zwangserkrankungen, Phobien, Depressionen, Schizophrenie oder Psychose-Erkrankungen eingesetzt werden.

Analytische Psychotherapie

Das Grundkonstrukt geht auf Sigmund Freud zurück: Der Patient legt oder setzt sich. Der Therapeut setzt sich so hin, dass der Patient ihn nicht sehen kann. Der Patient soll frei reden. Der Psychotherapeut achtet auf wiederkehrende Muster oder unbewusste Prozesse und spiegelt diese dem Patienten. Es könne ein hierarchisches Verhältnis zwischen Patient und Therapeut entstehen, wenn der Psychiater die Aussagen bewertet, sagt Heekeren.

Unterschied Psychologischer Psychotherapeut und Psychiater

Psychologische Psychotherapeuten haben Psychologie studiert. Nach dem Studium müssen sie eine mehrjährige Ausbildung zum Psychotherapeuten absolvieren. Sie dürfen keine Medikamente verschreiben.

Ärztliche Psychotherapeuten, auch Psychiater genannt, haben Medizin studiert. Sie machen eine Facharztausbildung in Psychotherapie und Psychiatrie, in Psychosomatischer Medizin und Psychotherapie oder in Kinder- und Jugendpsychiatrie. Sie können Medikamente wie Antidepressiva verschreiben.

Wie funktioniert sie? „Der Gedanke von Freud ist es, dass wir in der Kindheit Dinge erleben, auch unterbewusste Konflikte haben und Erfahrungen gemacht haben, die wir verdrängt haben. Sie sind uns nicht mehr bewusst, steuern aber unser Verhalten. Wir wissen nicht, warum wir so reagieren.“ Ist jemand als Kind von der Mutter oder dem Vater verlassen worden – in existentielle Not geraten – wird er vermeiden wollen, verlassen zu werden. „Durch die Analyse der Kindheit, werden uns diese verdrängten Konflikte bewusst, wir verstehen sie und können sie dadurch ändern.“

Für wen eignet sie sich? „Die Psychoanalyse hilft bei Problemen, die schon lange bestehen und die ein Patient näher ergründen möchte.“ Sie ist für Menschen geeignet, die sich viel mit sich selbst beschäftigen möchten, ihre Biografie noch mal durchleben und verstehen möchten, wie sie zu der Person geworden sind, die sie sind. Bei einer akuten Krise sei sie eher nicht geeignet.

Tiefenpsychologisch fundierte Therapie

Sie ist stark verwandt mit der analytischen Psychotherapie. Patient und Therapeut arbeiten stärker gemeinsam und sitzen sich bei den Gesprächen gegenüber. Konflikte im aktuellen Lebensumfeld – in der Partnerschaft, in Freundschaften, am Arbeitsplatz werden analysiert und es wird geschaut, welche Erlebnisse in der Biografie dabei eine Rolle spielen.

Wie funktioniert sie? Durch den Blick in die Biografie sollen Ursachen für heutige Verhaltensweisen erkannt und untersucht werden, wie sich diese auf die Beziehungen des Patienten auswirken. Durch das Verstehen, soll der Patient die Probleme lösen können.

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Für wen eignet sie sich? Die Therapie ist sinnvoll, wenn viele Probleme in der Interaktion mit Menschen entstehen. „Bei psychosomatischen Erkrankungen kann die tiefenpsychologische Herangehensweise helfen, weil Patienten oft nicht wissen, woher das Problem kommt und warum sie körperlich so reagieren“, sagt Heekeren.

Systemische Therapie

„Der Mensch ist nicht nur als Individuum zu sehen, sondern immer als Teil eines Systems. Wir haben verschiedene Rollen – in der Familie, am Arbeitsplatz, bei den Freunden.“ Sie geht davon aus, dass gewisse Schwierigkeiten in diesem System, Erwartungshaltungen von anderen zum Beispiel, dazu führen, dass wir uns manchmal fehlanpassen. Es ist eine Analyse des sozialen Netzwerks, um zu schauen, wo dort Schwierigkeiten sind und wie man diese ändern kann.

Wie funktioniert sie? Beziehungen sollen ohne massive Konflikte funktionieren. In der Therapie werden dafür Verhaltensmuster verändert. Dazu werden auch Partner, Kinder und Freunde mit in die Therapie einbezogen – zum Teil übernimmt der Therapeut die Rolle einer Person, sagt Heekeren.

Für wen eignet sie sich? „Sie ist hilfreich, wenn Patienten merken, dass viele Probleme durch die unterschiedlichen sozialen Rollen und die daraus resultierenden Zwänge entstehen“, sagt Heekeren.

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