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Corona-Studie aus Rheinland-PfalzSo hoch ist das Infektionsrisiko in Kita und Schule

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Schüler mit Mund-Nasen-Bedeckung und Gesichtsmaske nehmen am Unterricht teil nach der Wiedereröffnung der Schule.

Erst zu, dann auf, mal mit Maske, dann wieder ohne – Schulen und Kitas haben mit Blick auf das vergangene Jahr eine ähnliche Chronologie hinter sich. Und mit erneuter Öffnung der Einrichtungen bleibt für Familien vor allem in Hinblick auf die derzeit steigenden Zahlen eine wichtige Frage offen: Wie hoch ist das Übertragungsrisiko von Covid-19 wirklich zwischen Schulbank und Tafel? Und wie hoch zwischen Spielzeugkiste und Wickeltisch?

Genau das hat eine Studie unter Leitung von Epidemiologen des Landesuntersuchungsamtes (LUA) Rheinland-Pfalz gemeinsam mit dem Institut für Global Health der Universität Heidelberg untersucht. Die Ergebnisse: Laut den Wissenschaftlern durchaus auch übertragbar auf NRW und andere Bundesländer.

Risiko der Ansteckung in Kitas viel höher

Von Mitte August bis Mitte Dezember des vergangenen Jahres haben die Gesundheitsämter in Rheinland-Pfalz den Forschern wichtige Daten übermittelt. Daten, die vor allem Aufschluss geben über die Ansteckungen von Folgefällen durch Covid-Erstinfizierte in Schulen und Kitas. Analysiert wurden neben den Ansteckungen unter den Kindern auch die in der Gruppe der Lehrer und Erzieher. Insgesamt 784 voneinander unabhängige Fälle von Covid-Infizierten hat man sich dafür angeschaut. „Es war überraschend zu sehen, wie unterschiedlich die Ansteckungen in den jeweiligen Einrichtungen sind“, sagt Dr. Anja Schoeps, Mitautorin der Studie und Epidemiologin am Institut für Hygiene und Infektionsschutz im rheinland-pfälzischen Landesuntersuchungsamt. „Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Covid-Infizierter weitere Personen ansteckt, lag in unserer Studie bei durchschnittlich etwa 17 Prozent. In Kitas war dieser Wert mit 30 Prozent viel höher.“

Ähnlich spiegele sich dieser Trend auch bei den Ansteckungen von direkten Covid-Kontaktpersonen wider. Das waren in Grundschulen etwa einer von 100, in Kitas dagegen infizierten sich gleich zwei bis drei von 100 direkten Kontaktpersonen mit dem Virus. Nur weil das Übertragungsrisiko in Kitas höher ist, sind aber nicht gleich auch die Kinder gefährdeter: Denn laut Studie waren es vor allem die Erzieher, die sich gegenseitig ansteckten – während sich das Virus in den Schulen vor allem unter den Schülern verbreitete. Lehrer waren weder erwähnenswert von Ansteckungen durch Schüler, noch durch Ansteckungen durch andere Lehrer betroffen. In Zahlen laut Studie: Ein Erzieher steckte durchschnittlich 0,66 weitere Erzieher an, bei den Lehrern lag dieser Wert bei nur 0,06.

„Lehrer arbeiten für gewöhnlich in einem Klassenraum. Sie treffen zwar womöglich im Lehrerzimmer aufeinander. Erzieherinnern und Erzieher aber haben viel mehr Zeit, die sie wirklich gemeinsam arbeiten müssen und sich nicht aus dem Weg gehen können – beispielsweise auch beim Servieren und Abräumen von Essen oder beim Wickeln der Kinder“, sieht Schoeps eine mögliche Erklärung hinter diesen Ergebnissen. Weitere Auswertungen sind in der Originalversion der Studie hier zu finden.

Was heißt das für Schulen und Kitas?

Wie aber ist vor diesem Hintergrund dann die Rückkehr von Kindern und Betreuenden in Schulen und Kitas zu bewerten? Vor allem für Einrichtungen mit Kindern unter sechs Jahren, in denen das Übertragungsrisiko durch die hohen Werte bei den Erziehern nahezu dreimal so hoch ist wie in Schulen? Laut den Wissenschaftlern sollten deshalb für diese Fälle vor allem die Hygienekonzepte neu bewertet werden – auch außerhalb der Betreuungssituation, beispielsweise in Pausenräumen. „Eine mögliche Schlussfolgerung wäre, die Erzieher auch bei der Impfung zu priorisieren. Antigen-Schnelltests in den Einrichtungen wären eine weitere mögliche Maßnahme. Die werden in Seniorenheimen ja schon lange eingesetzt“, sagt Dr. Anja Schoeps. Hinzu kämen die üblichen Schutzmaßnahmen wie Handhygiene, Abstand, Lüften und Masken.

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Doch genau diese letzteren Maßnahmen wurden schließlich im Herbst auch in den Schulen praktiziert – und trotzdem stiegen die Infektionszahlen, wie die Studie bestätigt, unter den Schülern an. Ein möglicher Grund: „In unserer Studie konnten wir nicht feststellen: Haben sich die Schüler wirklich in der Schule angesteckt oder auf dem Weg dorthin, auf dem Pausenhof oder bei privaten Treffen?“, sagt die Epidemiologin. Bei Kita-Kindern sei der Kontakt auch in den Einrichtungen ohnehin sehr eng, man spiele zusammen, trage keine Maske. Bei den Schülern hingegen könnte die hohe Übertragungsrate unter anderem an ihrem engen Kontakt im Freizeitbereich liegen. Heißt genauer: Die Ergebnisse aus der Studie überschätzen womöglich das tatsächliche Infektionsgeschehen, wie es sich konkret am Ort Schule oder am Ort Kita abspielt – und der Freizeitbereich tut sein Übriges.

Die Arbeit des Landungsuntersuchungsamtes Rheinland-Pfalz und dem Institut für Global Health der Universität Heidelberg geht weiter. In Zusammenarbeit mit den Gesundheitsämtern sollen zukünftig neben diesem Bereich auch Daten über das Übertragungsgeschehen unter Einfluss der Virus-Varianten erhoben werden. Erkenntnisse, die aufgrund der ähnlichen Entwicklungen in den vergangenen Monaten nicht nur für NRWs Nachbarland von Relevanz sein könnten: „Ich sehe keinen Grund, warum sich unsere Ergebnisse von denen anderer Bundesländer unterscheiden sollten“, sagt Dr. Anja Schoeps.

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