Experte erklärtWarum Covid-19 für Menschen mit Herzschwäche besonders gefährlich ist

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Herzschwaeche

Ein anatomisches Modell des menschlichen Herzens (Symbolbild)

  • Die diesjährigen Herzwochen der Deutschen Herzstiftung widmen sich dem „schwachen Herz”. 40.000 Menschen sterben jedes Jahr in Deutschland an einer Herzschwäche.
  • Warum die Herzschwäche so schwer zu diagnostizieren ist, welche Warnzeichen es gibt und was Betroffene beachten sollten, erklärt der Privatdozent Frank Eberhardt im Interview.
  • Der Chefarzt der Klinik für Kardiologie und internistische Intensivmedizin am Evangelischem Krankenhaus Köln-Kalk und drei weitere Experten geben am Dienstag, 17.November, 14-16 Uhr, Auskünfte rund um Herzprobleme in einer Telefonaktion.

Nach Angaben der Deutschen Herzstiftung sind bis zu vier Millionen Menschen in Deutschland von einer Herzschwäche betroffen. Aber was ist eigentlich genau damit gemeint, wenn jemand „ein schwaches Herz“ hat? Frank Eberhardt: Eine Herzschwäche bedeutet, dass die Leistung des Organs eingeschränkt ist. Das Herz kann nicht mehr genügend Blut durch den Organismus pumpen. Es kann also den Bedarf des Körpers nicht mehr decken. Es werden zwei Formen unterschieden: Bei der systolischen Herzinsuffizienz (Herzschwäche) ist die Pumpleistung des Herzens eingeschränkt, es zieht sich nicht mehr so gut zusammen. Bei der diastolischen Herzschwäche kann es sich normal zusammenziehen, aber nicht mehr so gut entspannen. Die Folge ist bei beiden Formen der Herzinsuffizienz gleich: Ist die linke Herzhälfte stärker betroffen, staut sich das Blut in die Lunge zurück – es verursacht Luftnot. Ist hingegen die rechte Herzhälfte betroffen, staut sich das Blut in den Körper zurück – Patienten leiden dann beispielsweise an geschwollenen Beinen.

Eine Herzinsuffizienz ist aber keine eigenständige Krankheit.

Eine Herzschwäche ist ein Symptom; ein Ausdruck verschiedener Herzerkrankungen. Die häufigste Ursache ist die koronare Herzerkrankung, sie kann zu einem Herzinfarkt führen. Beim Herzinfarkt ist die Durchblutung des Herzens gestört, ein Teil des Organs wird nicht mehr mit Blut versorgt und stirbt ab. Am Herzmuskel bildet sich eine Narbe, die die Pumpleistung beeinflusst und so die Insuffizienz verursacht. Auch Bluthochdruck kann auf lange Sicht das Herz schädigen. Probleme mit den Herzklappen oder Herzmuskelentzündungen, die zum Beispiel durch einen viralen Infekt verursacht wurden, können ebenfalls eine Herzschwäche hervorrufen. Seltener sind genetische Ursachen wie angeborene Herzmuskel-Erkrankungen, sogenannte Kardiomyopathien oder langjähriger Alkoholmissbrauch.

Es kann also auch junge Menschen betreffen?

Es kann auch junge Menschen treffen, gerade bei den angeborenen Erkrankungen oder Herzmuskelentzündungen. Das Risiko für Bluthochdruck oder die koronare Herzerkrankung steigt aber mit zunehmendem Alter – also auch die Gefahr, dass die Leistungsfähigkeit des Herzens in Mitleidenschaft gezogen wird.  

Kann sich auch die Psyche negativ auf eine Herzschwäche auswirken?

Natürlich kann sich ein negativer, psychischer Einfluss unvorteilhaft auf die Leistungsfähigkeit des Herzens auswirken. Unser allgemeines Wohlbefinden hat auch etwas damit zu tun, wie sich eine Herzschwäche auswirkt und wie man damit umgehen kann.

Warum wird eine Herzschwäche erst sehr spät oder gar zu spät erkannt?

Das liegt an den starken Kompensationsmechanismen des Körpers. Der Organismus kann durch Gegenregulation die Defizite der Herzschwäche ausgleichen. Patienten fragen mich häufig, warum sie ausgerechnet jetzt ins Krankenhaus mussten. Man kann es sich folgendermaßen vorstellen: Es ist wie ein Fass, in das immer wieder ein weiterer Tropfen fällt und das sich langsam füllt. Irgendwann funktionieren die Kompensationsmechanismen nicht mehr und das Fass läuft über. Ein weiterer Grund mag auch sein, dass das Hauptsymptom – die Luftnot – erstmal mit der Lunge assoziiert wird. Statistisch gesehen sind Lunge und Herz aber gleich häufig Verursacher des Symptoms.

Herzwochen

Unter dem Motto „Das schwache Herz” veranstaltet die Deutsche Herzstiftung noch bis zum 30. November die diesjährigen Herzwochen. Sie dienen dazu, das Wissen über Herzerkrankungen in der Bevölkerung zu vergrößern. Durch die Covid-19-Pandemie gibt es ein Angebot an Telefonaktionen, Online-Seminaren und Vorlesungen bei denen Herzspezialistinnen und Spezialisten über Warnsignale, Behandlung und Diagnose einer Herzinsuffizienz Auskunft geben. Außerdem gibt es viele Informationen rund um „das schwache Herz”, die in Videos aufbereitet sind.

Jährlich sterben 40.000 Menschen an einer Herzinsuffizienz. Rund 465.000 Menschen müssen jedes Jahr in Deutschland wegen Herzschwäche im Krankanhaus behandelt werden. Bis zu vier Millionen Menschen sind in der Bundesrepublik laut der Deutschen Herzstiftung betroffen.

Auf welche Warnzeichen sollte man achten?

Oft zeigt sich ein schleichender Symptombeginn. Es kommt zu Luftnot und einer eingeschränkten Belastbarkeit. Beim Treppensteigen muss man beispielsweise nach dem zweiten Treppenabsatz erstmal pausieren und nach Luft schnappen – das sind typische Anzeichen. Man sollte auch auf Schwellungen in den Beinen achten. Eine plötzliche Gewichtszunahme, die man sich nicht erklären kann, ist ein ähnlicher Hinweis. Mit solchen Symptomen sollte man zum Hausarzt gehen und ein EKG veranlassen. Der Hausarzt entscheidet dann, ob eine Ultraschalluntersuchung des Herzens sinnvoll ist.

Wer eine Herz-Kreislauf-Erkrankung hat, gilt als Risikopatient für Covid-19. Warum ist das so?

Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankung haben insgesamt im Krankheitsfall ein erhöhtes Risiko für einen schwereren Verlauf. Sie müssen eher ins Krankenhaus und auch häufiger beatmet werden. Das liegt hauptsächlich daran, dass die Kompensationsmöglichkeiten nicht so groß sind wie bei Menschen ohne Vorerkrankungen. Zusätzlich kann das Coronavirus das Herz auch direkt angreifen – zum Beispiel durch eine Herzmuskelentzündung oder indem es einen Herzinfarkt auslöst. Bei schweren Verläufen erhöht Covid-19 die Wahrscheinlichkeit Blutgerinnsel zu entwickeln, was zu einer Lungenembolie (Verschluss von Arterien in der Lunge durch ein Blutgerinnsel) führen kann.

Wie können sich Betroffene in der Krise schützen? Auf was sollten sie achten?

Prinzipiell gilt es, die allgemeinen Hygieneregeln zu beachten: Maske tragen, Abstand halten und auf die Handhygiene achten. Sind die Zahlen so hoch wie zurzeit in NRW, sollten Menschen mit Herzkrankheiten besondere Vorsicht walten lassen und in jedem Falle Menschenansammlungen meiden. Diejenigen, die ein hohes Risiko haben, müssen sich jetzt sehr gut vor einer Infektion schützen.

Telefonaktion, 17.November 2020, 14-16 Uhr

Frank Eberhardt, Tel: 0221/ 777 003 2851

PD Dr. Frank Eberhardt ist Chefarzt der Klinik für Kardiologie , Ev. Krankenhaus Kalk.

Marc Horlitz

Prof. Marc Horlitz  ist Chefarzt der Kardiologie Krankenhaus Porz am Rhein. Tel: 0221/ 7770032852

Hans-Peter Hermann

Prof. Hans-Peter Hermann ist Chefarzt der Kardiologie, Ev.Krankenhaus Bergisch Gladbach. Tel: 0221/ 7770032853

Jan-Malte Sinning

Prof. Dr .Jan-Malte Sinning ist Chefarzt für Innere Medizin und Kardiologie, St. Vinzenz-Hospital Köln. Tel: 0221/ 7770032854

Sollten Betroffene sich noch gegen Grippe impfen lassen?

Eine Grippeimpfung ist bei Menschen über 60 Jahren oder chronisch Herzkranken dringend angeraten. Auch Diabetiker oder Menschen mit einer Lungenkrankheit sollten sich, wenn möglich, durch die Impfung schützen. Für eine Impfung ist es nie zu spät. Das kann man auch noch im Dezember oder Januar machen.

Auf was sollten Angehörige achten?

Wenn sie Symptome wie Halsschmerzen, Husten, Schnupfen, Fieber, Geruchs- und Geschmackstörungen oder Kopfschmerzen haben, sollten sie besser auf einen Besuch bei einem Herzkranken verzichten. Treffen an der frischen Luft mit Abstand, gutes Lüften von Innenräumen und konsequentes Tragen von Masken sind zum jetzigen Zeitpunkt wichtige Vorsichtsmaßnahmen.

Auch in Kliniken gibt es durch die steigenden Corona-Zahlen mehr Patienten mit einer Sars-CoV-2-Infektion. Was bedeutet das für die Behandlung von Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen?

Ich möchte betonen, dass die Krankenhäuser sicher sind und sehr viele Maßnahmen getroffen werden, um zu verhindern, dass sich das Coronavirus in Kliniken ausbreiten kann. Was ein Patient mit Herzerkrankungen und einer Herzschwäche auf keinen Fall tun sollte, ist das Krankenhaus aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus zu meiden. Vor allem bei akuten Brustschmerzen, die für einen Infarkt typisch sind, muss dringend eine Notaufnahme aufgesucht werden. Auch Kontrolltermine beim Hausarzt oder Kardiologen sollten unbedingt wahrgenommen werden.

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Was können Betroffene tun, um ihr Herz im Alltag zu stärken?

Es hört sich fast schon banal an: die Herzmedikamente regelmäßig nehmen. Es gab eine Diskussion ob die ACE-Hemmer, die in der Behandlung von Herzkrankheiten wichtig sind, dazu führen könnten, dass es zu einem schwereren Covid-19-Verlauf kommen könnte. Mittlerweile haben wir Daten, die ganz deutlich zeigen, dass die Medikamente sicher sind und Patienten sie in jedem Fall weiter nehmen sollten. Die Dosis der Medikamente sollte zudem regelmäßig geprüft werden, das Gewicht sollte kontrolliert, der Blutdruck gemessen und der Blutzucker gut eingestellt werden.

Was ist mit Bewegung?

Sport ist sehr ratsam für Patienten mit Herzschwäche, sie sollten sich nicht in Watte packen. Normalerweise sind Herzsportgruppen sehr sinnvoll, während der Pandemie sollten sie nur besucht werden, wenn es die Umstände zulassen. Vor allem Ausdauersportarten wie Radfahren oder schnelleres Gehen sind sehr gut.

Wie beuge ich einem schwachen Herzen vor?

Gesund leben, gesund ernähren und sich genug bewegen. Das hört sich sehr allgemein an, ist aber eine wichtige Maßnahme. Vor allem Ausdauersport wie Laufen, Radfahren oder Schwimmen sollte drei Mal pro Woche für eine halbe Stunde durchgeführt werden. Man sollte außerdem nicht rauchen, Übergewicht vermeiden und seinen Cholesterinwert regelmäßig prüfen lassen. Das, was wir beeinflussen können, sollten wir auch selbst in die Hand nehmen. Es kann schließlich vor chronischen Herzkrankheiten und einer Herzschwäche schützen.

Herr Eberhardt, vielen Dank für das Gespräch.

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