Herzinfarkt an HeiligabendWie man mit dem Smartphone schneller und besser Hilfe holt

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Im Notfall kann das Smartphone helfen, schnell einen Notruf abzusetzen. 

Bonn/Berlin/Winnenden – Besinnliche Stimmung und eine Auszeit vom Alltagsstress – so stellen sich viele Menschen Weihnachten vor. Doch oft kommt es an den Feiertagen zu familiären Konflikten oder die Vorbereitungen sorgen für viel Stress. In solchen Situationen werden vermehrt Stresshormone ausgeschüttet. Stress kann als Trigger für einen Herzinfarkt wirken. Eine schwedische Studie fand 2018 heraus, dass an keinem anderen Tag im Jahr so viele Menschen einen Herzinfarkt erleiden wie an Heiligabend. 

Nach den Studienergebnissen sei das Herzinfarktrisiko an Heiligabend für Menschen mit chronischen Krankheiten oder im Alter von über 75 Jahren besonders hoch, sagt Professor Thomas Voigtländer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung. Manche Menschen harren an Feiertagen mit Schmerzen aus und warten Stunden oder Tage, statt den Notruf zu wählen. Das kann fatal sein. Auch Weihnachten sollten Menschen deshalb  bei neu auftretenden unangenehmen Brustschmerzen, nicht zögern den Notruf zu wählen. Wie man einen Notruf richtig absetzt, wie es mit dem Smartphone geht und wie es auch helfen kann, wenn man zum Beispiel bei einem Waldspaziergang seinen Standort nicht genau kennt. Ein Überblick. 

Wie ist die Notrufnummer?

In Deutschland wählt man für Feuerwehr und Rettungsdienst die 112, für die Polizei die 110. Das wissen die meisten in Deutschland. Doch dass die 112 auch EU-weit die Notdienste alarmiert, wissen 69 Prozent nicht. Das hat eine Innofact-Umfrage im Auftrag des Vergleichsportals Verivox ergeben.

Und ein Großteil der Befragten (85 Prozent) wählt den Notruf noch manuell und entsperrt dafür zunächst das Telefon, startet die Telefon-App und wählt die 112. Das ist der langsamste Weg zur Hilfe.

Was muss ich bei einem Notruf beachten?

Wer die 112 wählt und einen Notruf absetzt, sollte sich an die Fünf-W-Regel halten. Die Björn-Steiger-Stiftung, die sich für eine Verbesserung der Notfallhilfe einsetzt, übersetzt die Regel so: Wo ist was mit wie vielen Personen passiert? Und welche Verletzungen liegen vor? Das sind allerdings erst vier W - das fünfte steht für das Warten auf Nachfragen.

Eins der W ist dabei besonders wichtig, so die Experten: das „Wo”. Rettungskräfte können am schnellsten und besten helfen, wenn sie den exakten Standort des Verletzten kennen. Gerade wer im Einfamilienhaus lebt, sollte darauf achten, dass Klingelschild und Hausnummer groß und gut sichtbar sind. Im meist dunklen Winter müssen sie daher auch beleuchtet sein.

Neben Straßenname und Hausnummer sollte man gegebenenfalls das Stockwerk angeben. Bei großen Wohnblöcken lohnen sich auch Angaben zur Lage des Eingangs oder der Wohnung: Ist sie im Vorder- oder Hinterhaus? Sind genug Helfer vorhanden, kann es sinnvoll sein, wenn die auf der Straße auf die Einsatzkräfte warten und ihnen den besten Weg weisen.

Wie wählt man den Notruf mit dem Smartphone schneller?

Moderne Smartphones haben seit einigen Jahren praktische Abkürzungen zum Notruf eingebaut, nur kennt sie bislang gerade einmal jeder Siebte (15 Prozent). iPhone-Nutzer drücken fünfmal auf die Sperrtaste oder halten Sperr- und eine der Lautstärketasten länger gedrückt. Im folgenden Menü kann man per Fingerwisch den Notruf wählen.

Android-Nutzer müssen die Funktion möglicherweise erst aktivieren. Sie ist meist in den Einstellungen zu finden, bei Samsung etwa unter „Datenschutz & Sicherheit”, bei anderen Herstellern unter „System”.

Auch mit den gesperrten Telefonen anderer kann man leicht den Notruf wählen. Dazu wischt man auf dem Sperrbildschirm herum, bis eine „Notruf”- oder ”Notfall”-Schaltfläche erscheint. Mit einem Fingertipp darauf kommt man zum Tastenfeld und kann die 112 von Hand eintippen.

Wie kommt mein Standort zur Notruf-Leitstelle?

Die Netzbetreiber senden beim Handynotruf schon jetzt Standortdaten an die Leitstelle. Das dient aber momentan eher zur groben Orientierung, sagt Carsten Schneider vom Deutschen Feuerwehrverband (DFV). Denn so ist nur sichtbar, in welcher Funkzelle sich ein Anrufer gerade befindet. Solch eine Funkzelle kann aber im ländlichen Raum sehr groß sein, was die Standortgenauigkeit verschlechtert. Hinzu kommt: Vom Mobiltelefon erreicht man nicht immer automatisch die zuständige Leitstelle.

Besser funktioniert das mit AML. Dahinter steckt eine Technik, die bei Notrufen automatisch die Ortungsfunktion des Smartphones aktiviert und an die Notfalldienste schickt - sogar wenn man die Ortungsfunktion eigentlich abgestellt hat. Dabei werden die Standortdaten per SMS im Hintergrund an von den Leitstellen Freiburg und Berlin betriebene AML-Endpunkte verschickt. Die Leitstellen können von diesen Servern dann die Standorte eines Anrufers abfragen.

Praktisch, wenn Anrufer ihren Standort entweder nicht kennen, oder sich nicht klar ausdrücken können. Im Netz von O2, Vodafone und der Telekom funktioniert AML schon. Stand Dezember 2019 sind rund drei Viertel der knapp 250 Leitstellen dabei. Die Standortdaten werden nicht dauerhaft gespeichert, sagt Henning Schmidtpott vom IT-Management der Leitstelle Freiburg. Nach einer Stunde werden sie aus dem System gelöscht.

AML, manchmal auch ELS genannt, muss man nicht aktivieren. Die Technik steckt theoretisch in allen Android-Smartphones ab Version 4.0. iPhones brauchen für Notrufe mit automatischer Standortsendung die iOS-Version 13.3, welche auf Geräten ab dem iPhone 6s installiert werden kann.

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Wie kann man seinen genauen Standort im Notfall herausfinden?

Funktioniert die Funkzellenortung nicht und auch kein AML, müssen Anrufer beim Notruf improvisieren. „Es gibt die Möglichkeit, den Standort in der eigenen Karten-App herauszufinden”, sagt Feuerwehrmann Carsten Schneider. In Apples Karten-App etwa mit einem langen Druck auf das eigene Standortsymbol. Hier erfährt man auch die GPS-Koordinaten.

Für den Notfall halten manche Leitstellen auch ein Smartphone bereit, auf das Anrufer ihren Standort per Messenger-App senden können. Oder sie schicken eine SMS mit einem Link. Klickt man ihn, erfährt die Leitstelle den Standort. Vorausgesetzt, man hat Datenempfang. Ansonsten, so sagt Schneider, kennen die Leitstellen-Mitarbeiter Tricks, um etwa über Landmarken den Standort einzugrenzen.

Kann man auch per Chat Hilfe rufen?

Neben einer weiteren Verbreitung von AML soll eine bundesweite Notruf-App den Kontakt zu Feuerwehr und Rettungsdienst leichter machen. Das für Mitte 2020 erwartete Programm verbindet mit der richtigen Notrufabfragestelle, sagt Carsten Schneider. Nutzer können auch für andere einen Notruf absetzen und deren Standort angeben.

Der Kontakt zur Leitstelle wird per Chat hergestellt. Das soll die App zum einen zum Hilfsmittel für Menschen mit Behinderung machen. Zum anderen sollen so auch unauffällige Notrufe möglich sein, wo ein Anruf vielleicht zu viel Aufmerksamkeit erregen würden. (rha/dpa/tmn) 

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