Kölner Infektiologin erklärtSteigen die Corona-Zahlen nur, weil mehr getestet wird?

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  • Zur Beurteilung des Infektionsgeschehens werden verschiedene Kennzahlen verwendet – unter anderem die absolute Zahl der Corona-Fälle.
  • Ein beliebtes Argument lautet an dieser Stelle: Der Anstieg dieser Zahl verrät bloß, dass mehr Tests durchgeführt werden.
  • Prof. Clara Lehmann von der Kölner Uniklinik erklärt, warum das nicht stimmt – und welche Daten entscheidend sind für die Frage, ob die Fälle in Relation zu durchgeführten Tests wirklich ansteigen. Dazu blickt sie auf die Zahlen der letzten Monate.

Köln – „Ja, die Corona-Zahlen steigen. Aber das liegt doch nur daran, dass jetzt so viel getestet wird.“ Diese Behauptung hört man in den vergangenen Wochen wieder vermehrt, vor allem seit die Neuinfektionen seit Anfang August wieder steigen. Auch US-Präsident Donald Trump versuchte bereits, die bedrohliche Lage im eigenen Land mit diesem Argument zu relativieren. Aber: Ist da wirklich was dran?

Clara Lehmann, Leiterin des Infektionsschutzzentrums an der Kölner Uniklinik, stimmt erstmal zu: „Je mehr man testet, desto mehr positive Fälle findet man natürlich auch.“ Entscheidend sei es allerdings, „die Fälle auf einen bestimmten zweiten Wert zu beziehen. Man benutzt den Begriff Inzidenz: dieser beschreibt das Fallaufkommen innerhalb einer bestimmten Bevölkerungsgruppe in einer bestimmten Zeit. Man bezieht ihn typischerweise auf 100.000 Einwohner.“

Neuinfektionen steigen deutlich stärkter als Test-Anzahl

Bezogen auf Deutschland habe man „im Juli einen bundesweiten Schnitt von drei Fällen pro 100.000 Einwohner verzeichnet. Heute sind es etwa neun Fälle.“ Zusätzlich sei es wichtig, „die Zahl der positiven Tests auf die Gesamtzahl der durchgeführten Tests zu beziehen. Daraus ergibt sich die Rate der positiven Tests.“

So seien beispielsweise in der 28. Kalenderwoche (06. bis 12. Juli) 510.103 Tests in Deutschland durchgeführt worden, davon 2.990 positive. „Das entspricht einer Positivrate von rund 0,6 Prozent.“ In der 33. Kalenderwoche vom 10. bis 16. August „wurden 875.524 Tests durchgeführt, davon waren 8.407 positiv, was einer Rate von 0,96 Prozent entspricht.“ Es treten also tatsächlich deutlich mehr Neuinfektionen auf als noch vor wenigen Wochen.

Zur Person

Prof. Dr. Clara Lehmann ist Fachärztin für Innere Medizin und leitet das Infektionsschutzzentrum der Kölner Uniklinik. Seit März forscht sie an Covid-19.

Die Tendenz entspricht einer Auswertung des Bayrischen Rundfunks, nach welcher die Zahl der Infektionen deutlich stärker steigt als die Zahl der Tests. Demnach stiegen die Testzahlen vom 6. Juli bis zum 9. August um 13 Prozent, die Zahl der Neuinfektionen hingegen stieg im selben Zeitraum um 98 Prozent – und nicht etwa bloß um einen Faktor, welcher der erhöhten Testzahl entspricht.

Kölner Uniklinik verzeichnet deutlich mehr positive Tests als im Juni

Für Köln gilt derselbe Trend, was sich auch an der Positivrate – also der Quote der Tests mit positivem Ergebnis – feststellen lässt. Diese gilt neben der Inzidenzzahl als entscheidendes Kennzeichen zur Beurteilung der Infektionsentwicklung. „An der Uniklinik lagen wir im Juni bei einer Positivrate von unter einem Prozent, heute bewegen wir uns zwischen anderthalb und zwei Prozent. Das spricht deutlich für einen akuten Anstieg in Köln“, so Lehmann.

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Unter Medizinern gelten ausgeweitete Testkapazitäten als entscheidendes Instrument zur Bewältigung der Pandemie: Mit ihnen können lokale Infektionsherde schnell erkannt werden. Außerdem sei eine hohe Anzahl Tests „wichtig, um herauszufinden, wie groß die Infektionslast in Deutschland und bestimmten Regionen ist. Das Ziel ist es, besser einzuschätzen, wie hoch die Dunkelziffer ist – und damit, wie aktiv die Krankheit wirklich ist“, so Lehmann.

Die Behauptung, gestiegene Corona-Fallzahlen seien lediglich auf eine höhere Anzahl an Tests zurückzuführen, kann einer statistischen Betrachtung nicht standhalten. 

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