Neue Stiko-EmpfehlungDas müssen Astrazeneca-Geimpfte jetzt wissen

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Astrazeneca-Erstgeimpfte sollen ihre zweite Impfung künftig mit einem mRNA-Impfstoff erhalten.

Köln – Astrazeneca-Erstgeimpfte sollen fortan als zweite Dosis einen mRNA-Impfstoff wie den von Biontech oder Moderna erhalten. Das teilte die Ständige Impfkommission (Stiko) am Donnerstag mit. Grund sei die schnelle Ausbreitung der besonders ansteckenden Delta-Variante. Für Menschen, die bereits ein- oder zweimal mit dem Vektorvakzin von Astrazeneca geimpft worden sind, bedeutet die aktualisierte Stiko-Empfehlung zunächst eins: Verwirrung. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:

Was empfiehlt die Stiko genau?

Menschen, die ihre erste Impfdosis in Form von dem Astrazeneca-Vakzin erhalten haben, sollen bei ihrer zweiten Impfung den Impfstoff von Biontech oder Moderna bekommen. Eine Impfserie, bestehend aus unterschiedlichen Vakzinen wird als heterologe Impfserie oder als Kreuzimpfung bezeichnet. Zudem müsse bei einer solchen heterologen Impfserie nicht ein Abstand von neun bis zwölf Wochen zwischen beiden Impfdosen liegen, wie es bei einer Impfserie mit zwei Astrazeneca-Dosen der Fall ist. Stattdessen könne die Zweitdosis mit einem der beiden zugelassenen mRNA-Vakzine schon nach vier Wochen erfolgen.

Auch der Zeitabstand zwischen zwei mRNA-Impfungen kann nun kürzer ausfallen. Für die Zweitimpfung mit Biontech gilt ein Mindestabstand von drei Wochen, bei Moderna müssen nur noch vier Wochen zwischen beiden Dosen liegen.

Welchen Hintergrund hat die aktualisierte Empfehlung?

Es gibt drei Gründe. Der erste ist die rasche Ausbreitung der Delta-Variante des Coronavirus in England. Sie gilt als besonders ansteckend. Zudem hat sich gezeigt, dass die erste Covid-Impfung einen unzureichenden Schutz gegen Delta bietet. Nur eine vollständige Impfung schützt ähnlich gut gegen die Virusmutante, wie gegen vorherige Varianten. Der zweite Grund sind aktuelle Studiendaten die zeigen, dass eine heterologe Impfserie besser gegen Corona schützt, als eine zweifache Impfung mit Astrazeneca. Das teilte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Freitag in Berlin mit. Und drittens dürfte die Entscheidung auch damit begründet sein, dass im Juli ein deutlicher Anstieg an Impfstoff-Lieferungen erwartet wird.

Bedeutet das, dass eine zweifache Astrazeneca-Impfung nicht gegen Delta schützt?

Nein. „Natürlich ist auch diese Impfung gut“, betonte Spahn. Auch Oliver Funken, Vorsitzender des Hausärzteverbands Nordrhein, sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Auch eine zweimalige Impfung mit Astrazeneca schützt ausreichend vor der Delta-Variante.“ Er empfehle jedoch, die Abstände nicht zu verkürzen, sondern bei den zwölf Wochen zu bleiben. Es sei jedoch so, dass ein heterologes Schema einen noch besseren Schutz biete. Die Kombination aus Astrazeneca und Biontech biete in manchen Fällen sogar einen noch besseren Schutz als zwei Impfungen mit Biontech.

Wie wirkt sich die Entscheidung auf die Impfkampagne aus?

Experten erhoffen sich eine Beschleunigung der Impfkampagne. So rechnet etwa Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbandes Nordrhein, mit einem „weiteren Schub bei der Impfkampagne“. Er begrüßt die Entscheidung und rechnet damit, dass „die Liefermengen mit größter Wahrscheinlichkeit alle Zweitimpfungen mit einem mRNA-Impfstoff ermöglichen – auch für die zunächst mit Astra Geimpften.“

Wieviel mehr Impfstoff-Dosen sollen geliefert werden?

Den deutschen Arztpraxen stehen in den kommenden Wochen deutlich mehr Impfstoff-Dosen zur Verfügung als bisher angenommen. Das geht aus Lieferankündigungen der Hersteller an die Apotheken hervor. „In der zweiten Juliwoche stehen bis zu 3,4 Millionen Impfdosen zur Verfügung“, sagt Thomas Preis. „Das ist eine Rekordmenge, wie wir sie zuletzt Anfang Juni hatten.“ Den Großteil macht das Mittel von Biontech aus.

Insgesamt werden in der zweiten Juliwoche 2,5 Millionen Dosen des Herstellers Biontech geliefert, zehn Prozent mehr als zuletzt. Vom Hersteller Astrazeneca werden in diesem Zeitraum rund 800.000 Impfdosen erwartet, von Johnson & Johnson etwa 100.000. Ein Grund für die erhöhte Menge ist laut Preis „auch die einsetzende Impfmüdigkeit in den USA. Dadurch können mehr Impfstoffe nach Europa geliefert werden.“ Er erwartet auch für die kommenden Wochen steigende Liefermengen.

Was mache ich, wenn ich demnächst meinen zweiten Impftermin mit Astrazeneca habe?

Der Bundesgesundheitsminister rechnet damit, dass zwischen 500.000 und 700.000 Menschen deutschlandweit in der kommenden Woche ihre zweite Astrazeneca-Impfung bekommen sollen. Sofern man die Möglichkeit habe, empfiehlt er, kurzfristig ein mRNA-Impfangebot wahrzunehmen. Auch dann, wenn sich der Termin dadurch ein wenig verschiebe. „Auf ein paar Tage kommt es jetzt nicht an, die zweite Impfung sollte aber zeitnah wahrgenommen werden“, so Spahn.

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Welche logistischen Probleme bei der Terminvergabe und gegebenenfalls Umplanung auf die Praxen und Impfzentren zukommen, könne noch nicht genau abgeschätzt werden. „Biontech bekommen wir nächste Woche ausreichend geliefert“, sagt der Allgemeinmediziner Funken. Die Frage sei aber: „Reicht es aus, um Erst- und Zweitimpfungen zu bedienen? Das können wir erst nächste Woche beantworten.“

Auch im Kölner Impfzentrum ist die Lage noch unklar. Kurzfristig könne nicht garantiert werden, dass alle, die nächste Woche ihren Termin haben, auch schon einen mRNA-Impfstoff bekommen, teilte die Stadt mit. Termine für Astrazeneca-Zweitimpfungen werde es zumindest vorerst weiterhin geben. 

Ist die aktualisierte Stiko-Empfehlung verpflichtend?

Nein. Die Entscheidung, den zweiten Impftermin auf Biontech oder Moderna umzubuchen, ist freiwillig. Zweitimpfungen mit Astrazeneca können weiterhin wahrgenommen werden.

Sollte ich mich ein drittes Mal impfen lassen, wenn ich bereits zweimal mit Astrazeneca geimpft worden bin?

Zunächst nicht. „Die Datenlage zu einer möglichen dritten mRNA-Impfung für zweifach Astra-Geimpfte ist noch sehr schmal“, sagt Oliver Funken. „Ob wir uns alle im Winter ein drittes Mal impfen müssen: Kann sein, wissen wir aber noch nicht. Das ist bislang Spekulation.“ Er empfiehlt all jenen, die bereits vollständig mit Astrazeneca geimpft wurden, ruhig zu bleiben. Der Impfstoff sei sehr gut. Auch Spahn betont, eine abgeschlossene Astrazeneca-Impfung schütze besonders gut vor schweren und schwersten Covid-19-Erkrankungen.

Was passiert jetzt mit den nicht mehr benötigten Astrazeneca-Dosen?

Angaben des Bundesgesundheitsministers zufolge sollen 2021 noch über 30 Millionen Dosen des Vektorimpfstoffs nach Deutschland geliefert werden. Der Allgemeinmediziner Funken kritisiert daher den Zeitpunkt der angepassten Stiko-Empfehlung: „Verwunderlich ist, dass Astrazeneca bereits in großer Menge eingekauft worden ist, und jetzt auf dem Müll landen soll.“

Spahn hingegen meint, durch die Empfehlung werde der Impfstoff für viele Menschen attraktiver. „Viele Impfwillige können nun damit erstgeimpft werden“, so Spahn. Für zusätzliche Attraktivität sorge zudem der verkürzte Impfabstand von nur noch vier Wochen. „Jetzt ist gerade eine gute Zeit, sich für eine Impfung zu entscheiden“, sagte der Gesundheitsminister weiter, denn es sei aktuell sehr viel Impfstoff verfügbar.

Wie geht es mit der Delta-Variante weiter?

Die einfache Formel ist laut Jens Spahn: „Desto mehr Impfungen im Sommer, desto besser wird der Herbst.“ Oliver Funken sieht das ähnlich: „Wichtig ist jetzt vor allem, dass weiterhin geimpft wird, dass die Leute weiterhin kommen und nicht impfmüde werden.“ Auch junge Menschen seien in der Verantwortung. Zudem warnt der Allgemeinmediziner vor zu viel Leichtsinnigkeit im Sommer. Durch Urlaubsreisen würde derzeit in hohem Maße zur Ausbreitung der Delta-Variante beigetragen. „Das führt dazu, dass wir dann nach den Sommerferien darüber nachdenken müssen, die Schulen nicht mehr aufzumachen“, so Funken. „Auch deswegen ist impfen, impfen, impfen wichtig.“

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