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Norbert Blüm gelähmtWie gefährlich ist eine Blutvergiftung und welche Folgen hat sie?

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Der ehemalige Arbeitsminister ist nach einer Blutvergiftung gelähmt (Archiv). 

  • Rund 150.000 Menschen erkranken jährlich in Deutschland an einer Blutvergiftung. Die Sterblichkeitsrate liegt bei 40 Prozent.
  • Die Erkrankung kann den Körper nachhaltig schädigen. Der ehemalige Arbeitsminister Norbert Blüm ist nach einer Sepsis gelähmt.
  • Die Mediziner Frank Martin Brunkhorst und Michael Adamzik erklären, wie gefährlich die Krankheit ist und auf welche Symptome man achten muss.

Köln – Der ehemalige Arbeitsminister Norbert Blüm (CDU) ist seit vergangem Jahr gelähmt. Er sitzt im Rollstuhl, kann sich nicht mehr im Gesicht kratzen, ist auf die Hilfe seiner Frau und seiner Familie angewiesen. Dass er seine Arme und Beine nicht mehr bewegen kann, ist nach den Schilderungen des 84-Jährigen die Folge einer Blutvergiftung, die er nach einer Hüft-Operation erlitten hat. Was bei einer Sepsis passiert, wie gefährlich sie ist und welche Folgen sie haben kann, erklären die Mediziner Professor Frank Martin Brunkhorst vom Universitätsklinikum Jena und Professor Michael Adamzik vom Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum.

Was ist eine Blutvergiftung?

Eine Blutvergiftung ist eine Überreaktion des Körpers auf eine Infektion, die durch Viren, Bakterien oder Pilze ausgelöst werden kann. Das Immunsystem bekämpft bei einer Sepsis nicht nur den Krankheitserreger, sondern greift auch Organe und Gewebe im Körper an. „Das Immunsystem ist außer Kontrolle“, erklärt Adamzik.

Wird eine Blutvergiftung nicht rechtzeitig behandelt, kommt es zu einem septischen Schock: Dabei versagen zahlreiche Organe und sie kann zum Tod führen. Rund 150.000 Menschen erkranken jährlich in Deutschland an einer Sepsis. Jeden Tag sterben 165 Menschen in Deutschland daran. 35 Prozent der Menschen, die eine Blutvergiftung überlebt haben, sterben innerhalb eines Jahres nach der Erkrankung, sagt Adamzik. Auch wer eine Blutvergiftung überlebt, kann Folgeschäden davontragen. Frank Martin Brunkhorst ergänzt, dass vor allem Menschen mit einer Immunschwäche, also vor allem ältere Menschen, von einer Blutvergiftung betroffen sind.

Was sind die häufigsten Symptome?

Brunkhorst erklärt, dass bei einer vorliegenden Infektion folgende Zeichen auf eine Sepsis hinweisen: „Wenn ein Patient schlagartig schneller atmen muss, einen niedrigen Blutdruck hat, sein Wesen verändert ist oder er ist verwirrt, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass eine Sepsis vorliegt.“

Wer an einer Infektion erkrankt ist und zusätzlich diese Symptome erkennt, sollte den Notruf wählen oder sich schnellstmöglich in eine Notaufnahme begeben. Nur wenn die Erkrankung schnell genug behandelt wird, besteht eine Überlebenschance. Die Sterblichkeitsrate liegt bei 40 Prozent.  

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Ist eine Lähmung wie bei Norbert Blüm eine häufige Folge?

Im Fall von Norbert Blüm könne man davon ausgehen, dass er künstlich beatmet und wochenlang im Krankenhaus intensivmedizinisch behandelt wurde, sagt Brunkhorst. Durch eine Sepsis kann es dann zu einer sogenannten Critical-Illness-Polyneuropathie (eine schwere Erkrankung des peripheren Nervensystems) kommen. Michael Adamzik sagt: „Die Hüllen der Nerven werden angegriffen, dadurch kann es zu Missempfindungen bis hin zu Lähmungen kommen. Solche Lähmungserscheinungen kommen nach einer Sepsis häufig vor.“ Im schlimmsten Fall kommt es laut Brunkhorst zu einer Tetraparese, der Lähmung von beiden Armen und Beinen. Die Lähmungen können sich aber zurückbilden, wenn sich die Nervenscheiden- und hüllen erholen, sagt Adamzik.

Nicht nur die Nerven, auch die Muskeln können bei einer Sepsis angegriffen werden. Man spricht dann von einer Myopathie. Viele Menschen haben nach der Erkrankung Gedächtnisprobleme und können sich schlecht konzentrieren. „Zwei Drittel der Menschen leiden in Folge einer Sepsis und einer intensivmedizinischen Behandlung an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Sie haben Angststörungen und Panikattacken“, sagt Brunkhorst. Auch das sogenannte Post Intensive Care Syndrom betrifft viele Sepsis-Patienten. Symptome sind laut Michael Adamzik schwere Erkrankungen von Organen wie Herz, Leber oder Niere, Depressionen oder das Zurückbilden von Muskulatur.  

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