Patienten-StudieGen-Variation begünstigt schwere Covid-19-Verläufe

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Ein fehlender Rezeptor könnte für schwere Krankheitsverläufe verantwortlich sein, die oft auf der Intensivstation behandelt werden müssen (Symbolbild).

Wien – Wie gut und schnell unser Immunsystem auf das Coronavirus reagiert, entscheidet darüber, ob wir leicht oder schwer an Covid-19 erkranken. Ein fehlender NKG2C-Rezeptor an den Killerzellen des Immunsystems könnte für schwere Krankheitsverläufe verantwortlich sein. Das haben Forscherinnen und Forscher vom Zentrum für Virologie der Medizinischen Universität Wien in einer Studie herausgefunden.

Normalerweise sorgen die Killerzellen bereits in der Anfangsphase einer Infektion dafür, dass sich Viren nicht so stark vermehren können. Auf ihrer Oberfläche befinden sich aktivierende Rezeptoren, auch der namens NKG2C. Durch den Rezeptor können die Killerzellen mit den infizierten Zellen kommunizieren. Dies geschieht über HLA-E, ein Protein, das auf der Oberfläche der vom Coronavirus infizierten Zelle sitzt. Durch diese Interaktion kann das Immunsystem die infizierte Zelle zerstören – also die Verbreitung des Erregers im Körper eindämmen.

Vier Prozent der Bevölkerung fehlt der Rezeptor

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Elisabeth Puchhammer-Stöckl, Virologin an der Medizinischen Uni Wien

Die Studienleiterin Elisabeth Puchhammer-Stöckl und ihr Team haben 361 Covid-19-Patienten in Österreich untersucht, 92 mit einem milden und 269 mit einem schweren Verlauf. Als Kontrollgruppe dienten den Wissenschaftlern 260 Österreicher, die nicht an Covid-19 erkrankt waren. Auffällig: Vor allem Menschen, denen der NKG2C-Rezeptor fehlt oder bei denen er nur teilweise vorhanden ist, entwickeln schwere Krankheitsverläufe. Durch Gen-Variationen fehlt etwa vier Prozent der Bevölkerung dieser Rezeptor und bei etwa 30 Prozent ist er nur teilweise vorhanden. Wenn ein Teil des Rezeptors fehlt, ist die Reaktionsfähigkeit der Killerzellen nur reduziert vorhanden, sagt die Expertin.

Bei Covid-19-Patienten, die wegen ihrer schweren Symptome im Krankenhaus behandelt werden mussten, fehlte der Rezeptor wesentlich häufiger als bei den Patienten mit milderen Verläufen: „Besonders häufig war das Fehlen des Rezeptors bei Patientinnen und Patienten, die mit Covid-19 auf Intensivstationen behandelt werden mussten, unabhängig von Alter oder Geschlecht. Auch genetische Variationen der Oberflächenstruktur, HLA-E, der infizierten Zelle waren mit der Schwere der Erkrankung assoziiert, wenn auch in geringerem Ausmaß“, sagt Elisabeth Puchhammer-Stöckl. 

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Ergebnisse können bei Medikamentenentwicklung helfen

Mit der Studie, die im Journal „Genetics in Medicine“ erschienen ist, verdeutlichen die Forschenden, welche Rolle Killerzellen im Immunsystem bei der Bekämpfung von SARS-CoV-2 im Körper spielen. „Dieser Teil der Immunantwort könnte daher auch ein wichtiger Angriffspunkt für Medikamente sein, die dabei helfen könnten, schwere Covid-19-Erkrankungen zu verhindern“, erklärt die Studienleiterin.

Um zu verstehen, an welcher Stelle der Immunreaktion Medikamente gegen das Coronavirus ansetzen könnten, muss man wissen: „Es gibt aktivierende und hemmende Rezeptoren im Immunsystem. Fehlt der aktivierende Rezeptor, kann das Immunsystem Erreger wie Sars-CoV-2 nicht so effektiv bekämpfen – die Immunantwort fällt also schwächer aus.“ Eine denkbare Option für ein Medikament wäre, dass dieses die hemmenden Rezeptoren des Immunsystems blockiere und so die Reaktionsfähigkeit der Killerzellen verbessert würde. Das sei bisher aber nur eine theoretische Überlegung, weil es dazu noch keinerlei Daten gibt, sagt Puchhammer-Stöckl.

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