PsychologieEin heißes Getränk als Problemlöser

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Die Tage werden kürzer und die Mäntel dicker. Der Winter ist da. Regen, Wind und Schnee treiben uns die Kälte in den Körper. Das beste Mittel dagegen? Genau, ein heißes Getränk. Ob Kaffee unterwegs mit Freunden oder Tee zu Hause auf dem Sofa – heiße Getränke steigern unser Wohlbefinden. Sie halten uns warm und lindern den Schmerz, wenn wir krank sind. Sie machen uns müde oder putschen uns auf. Wir genießen sie fast jeden Tag. Aber ist Wohlgefühl wirklich alles, was Heißgetränke bringen?

Schon länger ist in der Wissenschaft bekannt, dass wir nicht nur mit dem Gehirn denken, sondern dass auch unser Körper im Zusammenspiel mit der Umwelt einen großen Teil zum Denkprozess und zur Meinungsbildung beiträgt. Das bedeutet, dass Erfahrungen, die wir mit den fünf Sinnen unseres Körpers (schmecken, sehen, riechen, hören, tasten) machen, beeinflussen, wie wir über eine bestimmte Situation denken – ohne, dass wir es bewusst wahrnehmen. Auch heiße Getränke spielen hierbei eine wichtige Rolle. Amerikanische Forscher fanden heraus, dass warme Flüssigkeiten noch viel mehr bewirken können als Aufwärmen: Sie beeinflussen unsere Psyche, sie verändern unsere Wahrnehmung und wirken sich auf unser Urteilsvermögen aus. Das klingt erst einmal ziemlich skurril, doch verschiedene Experimente in diesem Bereich stützen die Thesen.

Eines der Experimente führten Lawrence E. Williams, Professor für Marketing an der University of Colorado Boulder, und der Psychologe John A. Bargh im Jahr 2008 durch. Dabei widmeten sie sich vor allem der Fragestellung, wie sich physische Wärme auf unser Verhalten auswirkt. Probanden bekamen daher zu Beginn des Experiments entweder eine Tasse mit heißem Kaffee oder mit Eiskaffee. Ein kleiner Trick, um ein haptisches Gefühl von Wärme oder Kälte auszulösen. Einige Zeit später wurde jedem einzelnen eine fremde Person vorgestellt, die sie im Anschluss beurteilen sollten. Wichtig: Keiner der Probanden ahnte einen Zusammenhang zwischen den Getränken und dem Experiment. Und trotzdem war das Ergebnis verblüffend. Alle Probanden nahmen die fremde Person deutlich positiver wahr, wenn sie einen warmen Kaffeebecher anstelle eines Eiskaffees in der Hand hielten.

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Sascha Topolinski, Professor für Social and Economic Cognition an der Universität zu Köln, erklärt: „Warme Getränke sorgen für ein schönes Gefühl. Wenn wir sie trinken, fühlen wir uns wohl und sicher. Und genau dieses Gefühl übertragen wir auf andere. Die positive Wärmeerfahrung resultiert meistens daraus, dass wir die Wärme des Getränks mit dem Gefühl der Wärme aus unserer Kindheit verbinden.“ Bereits kurz nach der Geburt lernen wir, wie körperliche Wärme sich auf das mentale Empfinden auswirkt. Mütter halten ihre Kinder im Arm, um ihnen Wärme und gleichzeitig ein Gefühl von Liebe und Geborgenheit zu geben. Dadurch erfahren Kinder schnell, dass physische Wärme oft in Zusammenhang mit psychischer Wärme auftritt. Das gilt übrigens auch umgekehrt für die Bedeutung von physischer und psychischer Kälte. Kinder, die keine mütterliche Liebe und Wärme erfahren, weisen im Erwachsenenalter deutlich öfter soziale Defizite auf. Da kann auch kein Kaffee weiter helfen.

Ein weiteres Experiment aus dem Jahr 2012 von John A. Bargh und seiner Kollegin Idit Shalev zeigt, welch große Rolle zwischenmenschliche Wärme auch im Erwachsenenalter noch spielt. Das Gefühl der sozialen Ausgrenzung hat demnach einen negativen Einfluss auf den Grad der Einsamkeit. Durch dieses steigende Einsamkeitsgefühl wird der Wunsch nach physischer Wärme größer, also beispielsweise der Wunsch nach einem heißen Getränk. „Wenn wir einsam sind, fühlen wir uns körperlich kalt und benutzen daher physische Wärme, damit es uns wieder besser geht. Wärme ist in so einem Fall wie eine innere Wolldecke, mit der wir uns zudecken, wenn wir uns schlecht fühlen“, sagt Topolinski.

Ein heißes Getränk als Problemlöser also? Egal ob bei einem Vorstellungsgespräch, in der Freizeit oder in der Liebe – der erste Eindruck zählt und kann nicht wiederholt werden. Können wir mit einem heißen Getränk also tatsächlich beeinflussen, wie uns ein anderer Mensch wahrnimmt? Und gleichzeitig das Gefühl der Einsamkeit vertreiben? „Durch das Halten eines warmen Getränks nehmen wir eine fremde Person nicht komplett anders wahr als mit einem kalten. Es ist nur eine Tendenz, die durch unser steigendes Wohlbefinden ausgelöst wird. Denn wenn es uns gut geht, sind wir offener für neue Kontakte und darum einem Fremden gegenüber positiver eingestellt“, erklärt Topolinski. Trotz allem ist jedoch fraglich, ob diese Beeinflussung durch Wärme bei jedem gleich stark auftritt. Topolinski glaubt daran, dass Wärme als Behaglichkeitssignal dienen kann, aber zu 100 Prozent möchte er sich noch nicht auf die Erkenntnisse der amerikanischen Forscher verlassen. Die Experimente wurden während einer Studie nur einmal durchgeführt, also müsse man darauf warten, dass andere Forscher diese Experimente wiederholen und das Ergebnis bestätigen, schränkt der Wissenschaftler ein.

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