Schlaf, Gewaltneigung, InfarktForscher bestätigen, dass der Mond Einfluss auf uns hat

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Der Mond fasziniert nicht nur Schlafwandler. (Symbolbild)

  • Unfallärzte ermittelten, dass bei Vollmond doppelt so viele Einweisungen wegen Bisswunden erfolgen wie in den Phasen rund um Neumond.
  • Bei Vollmond schliefen Probanden kürzer – und die Tiefschlafphase verkürzte sich enorm.
  • Was ist dran an dem Einfluß des Mondes auf unser Verhalten und unsere Gesundheit? Und ändert sich das Verhalten potenzieller Opfer bei Vollmond?

Er soll Schlafwandler aufs Dach und Irrsinnige zur Höchstform treiben, und er soll die Monatsregel der Frauen ebenso beeinflussen wie die Zahl der Geburten. Hartnäckig hält sich die Vorstellung, wonach der Mond mit seinen Phasen großen Einfluss auf unser Verhalten und unsere Gesundheit hat. Seit einigen Jahren beschäftigen sich auch Wissenschaftler mit dem Thema. Für die meisten Hypothesen fanden sie keine Belege – doch für manche schon.

Der Vollmondmörder gehört zu den beliebtesten Figuren in Kriminalromanen und Schauergeschichten: Riesig leuchtet die Kugel des Erdtrabanten am Nachthimmel, als sich die dunkle Gestalt auf ihr Opfer stürzt... Doch die Story hat einen Haken: Der Mond beeinflusst zwar die Gewaltneigung der Menschen, doch es ist der Neumond, der sie nach oben treibt.

Bei Vollmond lieber verstecken

Simo Näyhä von der finnischen Universität Oulu hat über 6800 tödliche Gewaltdelikte im Hinblick darauf untersucht, unter welcher Mondphase sie begangen wurden. Dabei zeigte sich, dass bei Vollmond 15 Prozent weniger Tötungen stattfanden als unter Neumond.

Teilte man den Mondverlauf in fünf Phasen ein, zeigte sich, dass in der hellsten Phase sogar 86 Prozent weniger getötet wurden als in der dunkelsten Phase. „Auf den ersten Blick ist das ein überraschendes Ergebnis“, betont Näyhä. „Denn von Polizisten und Krankenhausmitarbeitern hört man eher davon, dass die Gewaltneigung unter Vollmond ansteigt – und die Wissenschaft geht eher davon aus, dass überhaupt kein Zusammenhang zwischen ihnen besteht.“

Der finnische Umweltmediziner betont jedoch, dass seine Daten robust sind und auch noch Bestand haben, wenn man andere Umwelteinflüsse wie Temperatur und Jahreszeit berücksichtigt. Über die Erklärung seines Befundes kann er jedoch nur spekulieren.

Ändert sich das Verhalten potenzieller Opfer bei Vollmond?

Denkbar wäre, dass bei Vollmond einfach bessere Sichtverhältnisse herrschen, so dass Gewalttäter sich aus Angst vor Entdeckung zurückhalten. Doch für Näyhä scheidet dieses Argument praktisch aus, „weil die meisten Tötungsdelikte nicht im Freien, sondern in Räumen mit eigenen Lichtbedingungen stattfinden“.

Er vermutet vielmehr, dass sich das Verhalten der potenziellen Opfer bei Vollmond ändert: „Aus Naturbeobachtungen wissen wir, dass sich Beutetiere bei Vollmond eher verstecken, und es wäre denkbar, dass sich dieses Verhalten als Atavismus beim Menschen bewahrt hat und potenzielle Opfer vorsichtiger agieren lässt, wenn Vollmond herrscht.“

Weibliche Monatszyklus zeigt sich vom Mond unbeeindruckt

Neben Näyhä haben sich in letzter Zeit auch andere Forscher vermehrt der Frage gewidmet, inwieweit der Mond das Verhalten und die Gesundheit des Menschen beeinflusst. Einige beliebte Hypothesen müssen dadurch jetzt wohl endgültig zu den Akten gelegt werden. Wie etwa die hartnäckige Legende, wonach bei bestimmten Mondständen besonders viele Kinder zur Welt kommen.

Denn eine Studie der Universität Halle-Wittenberg hat in einer Analyse von über vier Millionen Geburten keine Hinweise darauf gefunden. Studienleiter Oliver Kuss konnte lediglich einen Einfluss der Jahreszeit erkennen: „Ende September kommen die meisten Kinder zur Welt.“ Und dies spreche für eine Zeugung in der dunklen Jahreszeit.

Der weibliche Monatszyklus zeigt sich vom Mond ebenfalls unbeeindruckt. Die amerikanische Anthropologin Beverly Strassmann untersuchte drei Jahre lang die Monatszyklen eines Naturvolkes, das ohne Verhütungsmittel und elektrisches Licht lebte und dessen Biorhythmus auch sonst nicht von modernen Störgrößen beeinflusst wurde. Sie fand keinerlei Zusammenhänge: „Die Monatsregel mag durch viele Faktoren beeinflussbar sein, doch der Mond gehört wohl nicht dazu.“

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Ebenfalls fraglich ist, ob bestimmte Mondstände dafür genutzt werden sollten, sich unter das Skalpell eines Chirurgen zu begeben. An der bayerischen Praxisklinik Sauerlach untersuchte man den Heilungsverlauf von 866 Operationen, doch weder die Schmerzen noch die Zahl der Komplikationen zeigten Zusammenhänge mit irgendeiner Mondphase.

Und dasselbe gilt auch, wie man an der Universitätsklinik Ulm ermittelt hat, für die Nachwirkungen der Narkose. Die Forscher raten, den Schuldigen für die Übelkeit nach einer Narkose weiterhin beim dafür eingesetzten Medikament, und nicht beim Mond zu suchen.

Schlaflosigkeit bei Vollmond

Bei Schlaflosigkeit kann man ihn hingegen schon als Ursache im Auge haben. Denn Christian Cajochen von der Universität Basel beobachtete an 33 Testschläfern, dass sie an den Abenden an und um Vollmond durchschnittlich fünf Minuten länger zum Einschlafen brauchten und insgesamt 20 Minuten kürzer schliefen. Ihre Tiefschlafphase verkürzte sich sogar um ein Drittel.

An der Gravitation des Erdtrabanten könne das jedoch nicht liegen, so Cajochen, denn die könne zwar bei riesigen Wassermengen, nicht aber beim geringen Wasseranteil des menschlichen Körpers für eine mess- und spürbare Bewegung sorgen. Der Schweizer Chronobiologe bevorzugt daher als Erklärung „das starke Vollmondlicht“.

Dafür spricht, dass die Probanden geringere Mengen des vom Lichteinfall abhängigen Schlafhormons Melatonin im Blut hatten. Dagegen spricht jedoch, dass sie allenfalls vor dem Schlafexperiment den Mond sehen konnten; den Schlaf selbst hingegen verbrachten sie nämlich im abgeschotteten Labor.

Noch rätselhafter sind die Ergebnisse einer Studie, die am Apollo Hospital im indischen Chennai durchgeführt wurde. Dort untersuchte man zwei Jahre lang die Infarkt-Einweisungen der Umgebung – und deren Anzahl war bei Neumond etwa 20 Prozent größer als bei Vollmond. Eine Erklärung dafür haben die indischen Forscher nicht.

Prinzipiell wäre es sogar möglich, dass der Mond sich gar nicht auf die Infarktopfer, sondern auf deren Verwandten auswirkt, die in der stockdunklen Neumondnacht ängstlicher als sonst sind und daher eher bereit sind, den Patienten ins Hospital zu fahren. Eines scheint zumindest sicher: Der Erdtrabant hat in seiner Auswirkung auf den Menschen noch viele Rätsel zu bieten.

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