Tipps für AngehörigeWie Sie gut mit Demenzkranken sprechen können

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Um gut miteinander umzugehen, ist es wichtig, dass Angehörige im Umgang mit Demenzkranken ruhig bleiben (Symbolfoto).

  • Demenz ist für Angehörige und Erkrankte eine Herausforderung. Es verändert das Leben, den Alltag und die Persönlichkeit des Erkrankten.
  • Hintergundwissen kann Angehörigen helfen, dass Verhalten von Betroffenen besser zu verstehen und gut mit ihnen umzugehen.
  • Die Autorin Jo Eckardt hat viele hilfreiche Ratschläge, die im Alltag, bei Gesprächen und im Umgang mit Außenstehenden helfen können.

Köln – Rund 1,7 Millionen Menschen in Deutschland sind dement. Die Zahl der Demenzkranken wird sich nach Angaben der Deutschen Alzheimer Gesellschaft im Jahr 2050 auf drei Millionen erhöht haben. Hinter diesen Zahlen verbergen sich Menschen und ihre Schicksale. Durch die Diagnose Demenz ändert sich nicht nur das Leben der Erkrankten, sondern auch das ihrer Angehörigen. Oft beginnt es damit, dass die Mutter vergesslicher wird oder oft durcheinander zu sein scheint. Im Endstadium vergessen Erkrankte meist so gut wie alles –  sogar ihren eigenen Namen und die ihrer Liebsten.

Die Autorin Jo Eckardt beschäftigte sich das erste Mal mit Demenz, als ihre Mutter an Alzheimer erkrankte. Sie weiß aus eigener Erfahrung, vor welchen Herausforderungen Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen stehen. In ihrem Buch „Gespräche bei Demenz und Alzheimer“ gibt sie Tipps für die alltägliche Kommunikation. Was Demenz bedeutet, wie Hintergrundwissen helfen kann, Erkrankte besser zu verstehen und auf welche Besonderheiten man in der Kommunikation mit Demenzkranken achten sollte.

Was sollten Angehörige über Demenz wissen?

Das im Alter geistige Fähigkeiten nachlassen, es schwerer wird, sich an neue Dinge zu erinnern oder Neues zu lernen, ist normal. Wenn die Mutter etwas vergesslicher wird, ist es also noch kein Grund zur Sorge. Erste Anzeichen für eine Demenz sind Wortfindungs-, Gedächtnis- und Orientierungsschwierigkeiten. „Die Demenz gibt es nicht. Es gibt stattdessen viele verschiedene Variationen von neurodegenerativen Erkrankungen (also Erkrankungen, bei denen die Nervenzellen des Gehirns kontinuierlich abgebaut werden)“, erklärt Eckardt. Alzheimer ist die verbreitetste Form. In späteren Stadien sind Erkrankte zunehmend auf Hilfe angewiesen und können den Alltag nicht mehr alleine bewältigen.

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Autorin Jo Eckardt.

Die Krankheit wirkt sich auf das Kurzzeitgedächtnis aus: es wird nicht mehr abgespeichert, was gerade passiert ist. Dadurch gelangen immer weniger Informationen ins Langzeitgedächtnis. Das episodische Gedächtnis, mit biografischen Informationen wie der eigenen Hochzeit, und das prozedurale Gedächtnis, das Dinge speichert, die oft wiederholt und nun automatisch angewendet werden, wie einen Nagel in die Wand zu schlagen, sind nicht so stark betroffen. Auch Musik ist an einem speziellen Ort im Gehirn abgespeichert, weshalb Demenzkranke ohne Probleme Lieder mitsingen können. Später kann es aber passieren, dass Betroffene „mehr oder weniger alles vergessen und sich nicht mal an ihren eigen Namen erinnern“, schildert Eckardt. Sie erkennen beispielsweise Angehörige nicht mehr und erkennen sich in ihrem Spiegelbild nicht. Die Auswirkungen einer Demenz seien unterschiedlich und für jeden Betroffenen anders.

Was ist wichtig im Umgang mit Demenzkranken?

Ganz wichtig sei, dass Betroffene nicht bevormundet oder wie kleine Kinder behandelt werden. Sie behalten ihr Recht auf Selbstbestimmung und sollten so viel wie möglich selbstständig machen. Angehörige sollten Erkrankte begleiten und unterstützen. Für Betroffene kann es sehr frustrierend sein, wenn sie Dinge nicht mehr wissen oder etwas nicht mehr alleine können, deswegen sei es gut, wenn Angehörige die funktionierenden Dinge betonen, wohlwollend und geduldig sind.

„Wenn man versteht, dass Demenzkranke sich ihrer Identität nicht mehr sicher sind und für sie die reale Jetzt-Zeit nicht Teil ihrer Erfahrung ist, begreift man auch, warum es immer wieder zu Konflikten kommen muss, sobald man sie bedrängt das Hier und Jetzt anzuerkennen. Die Welt, die ihnen vertraut ist, ist eine andere“, beschreibt Eckardt. Heißt für Angehörige: Nur sie können eine Brücke zu den Erkrankten schlagen. Durch diesem Umstand kann es sein, dass Betroffene in manchen Situationen komisch oder unangebracht agieren. In solchen Situationen helfe es, ruhig zu bleiben.

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Buchcover.

Jo Eckardt gibt ih ihrem Buch „Gespräche bei Demenz und Alzheimer. Gute Kommunikation mit Erkrankten, Ärzten und Pflegepersonal." hilfreiche Tipps für Angehörige. Es ist im Dudenverlag erschienen und für 10 Euro erhältlich.

Foto: Duden

Für den Alltag könne es nützlich sein, Gegenstände zu bebildern und zu beschriften. Durch Demenz kann die räumliche Vorstellungskraft verloren gehen. Fragt man einen Demenzkranken, ob er Hunger oder Schmerzen habe, kann es sein, dass er dies verneint, obwohl es physisch so ist. Das ist keine Lüge, sondern es kann sein, dass Erkrankte es nicht mehr richtig einordnen können. Verhalten sich Erkrankte komisch und haben einen hohen Puls, könne es ein Hinweis auf Schmerzen sein. Für viele Angehörige ist es wohl die schmerzlichste Situation, wenn beispielsweise ihre Mutter sie nicht mehr erkennt. Jo Eckardt gibt folgenden Tipp: „Ruhig bleiben und sagen: Ich bin es, Maria, deine Tochter!“

Wie kann ich gut mit Betroffenen sprechen?

Am besten ist es, wenn man sich schon vorher Gedanken darüber macht, was man im Gespräch erreichen will, und alles so einfach wie möglich zu formulieren. Angehörige sollten scharfe Kritik, Sarkasmus, Anschuldigungen und Vorwürfe vermeiden. Ratschläge sind oft nicht hilfreich. Besser: zu fragen, warum Betroffene etwas machen wollen. Demenzkranke erzählen Dinge oft mehrfach oder stellen immer wieder die gleichen Fragen, trotzdem sei es wichtig, aufmerksam zuzuhören und mit Gesten, Mimik und Blicken Wohlwollen auszudrücken. Es lohne sich darauf zu achten, was hinter einer Aussage stecke. Ein „Ich kann das alles alleine“ – kann bedeuten: „Ich möchte Dinge selbst tun können und mich als selbstständig empfinden.“

Stets Kompetenzen in den Fokus rücken und darauf schauen, was ein Erkrankter noch kann, helfe dabei im Gespräch zu bleiben. Angehörige können sich Geschichten und Erlebnisse erzählen lassen und nach Dingen fragen, die weit zurückliegen. Wenn Erkrankte den Faden im Gespräch verlieren, können Angehörige das Gesagte noch mal aufgreifen, um der Erinnerung auf die Sprünge zu helfen. Rituale wie eine immer gleiche Begrüßung und einer Berührung seien sinnvoll. Beispielweise: „Hallo Gudrun, ich bin es Heike, deine Tochter!“

Lehne ein Demenzkranker eine Putzhilfe ab, könnten kommunikative Mittel helfen, beispielsweise „Ich-Botschaften“ zu senden oder dem Betroffenen das Gefühl vermitteln, er sei es, der helfen kann. Grundlegend für alle Gespräche sei, dass es wichtiger ist, wie etwas gesagt wird und nicht was – denn die Gefühlsebene funktioniere bis zum Schluss. Wenn die Sprachfähigkeit von Demenzkranken nachlasse und sie sich weniger erinnern, können Schlüsselwörter dabei helfen Erinnerungen wachzurütteln.

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Was ist bei Gesprächen mit Außenstehenden hilfreich?

Angehörige sollten nicht denken, dass Demenzkranke nichts mehr mitbekommen – auch wenn sie das Gesagte vielleicht nicht verstehen, können sie auch bei fortgeschrittener Krankheit die Emotionen des Gesprächs erkennen und spüren. Heißt: Betroffene immer in Gespräche einbringen, nicht schlecht über sie sprechen und sie nicht bloßstellen. Wenn Betroffene noch für sich selbst sprechen können, sollten sie es auch tun können, rät Jo Eckardt. Fragt jemand nach dem Befinden sind Sätze nützlich wie: „Es ist nicht immer leicht, aber wir kriegen das ganz gut hin, nicht wahr, Vati?“ Oder: „Wir nehmen jeden Tag für sich!“

Fällt ein Demenzkranker an öffentlichen Orten wie Cafés häufiger mit seinem Verhalten auf, hat Jo Eckardt für Angehörige einen guten Tipp, um sich nicht immer wieder erklären zu müssen: Ein paar Visitenkarten mit der Information zur Demenzerkrankung bedrucken und diese an Außenstehende geben. Darauf kann so etwas stehen wie: „Mein Mann ist demenzkrank. Danke für Ihr Verständnis!“ Eckardt rät Angehörigen außerdem dazu, in solchen Situationen immer erst mit seiner erkrankten Mutter, dem Vater, der Frau oder dem Mann zu sprechen und erst danach mit dem Außenstehenden.

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