In Sachen LiebeIch bin in meinen Therapeuten verliebt – was kann ich tun?

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Verliebt in den Therapeuten Getty Images

  • Was gibt es Schöneres und Wichtigeres im Leben als die Liebe? Wie wir sie finden, pflegen und sie uns erhalten; was geschieht, wenn sie vergeht oder wir sie verlieren – darum geht es in unserer PLUS-Kolumne „In Sachen Liebe“.
  • Im wöchentlichen Wechsel beantworten die Psychotherapeuten Désirée Beumers, Carolina Gerstenberg und Daniel Wagner sowie die Diplom-Psychologinnen Elisabeth Raffauf und Katharina Grünewald Ihre Fragen rund ums Liebesleben, Sex und Kindererziehung.
  • In dieser Woche erklärt Katharina Grünewald, warum es passieren kann, dass man sich in seinen Therapeuten verliebt – und was man in diesem Fall tun sollte.

Köln – Ich mache seit zwei Jahren eine Psychotherapie und merke, dass ich romantische Gefühle für meinen Therapeuten entwickle. Ich weiß, dass das jetzt ein No-Go ist, aber könnte ich rein theoretisch eine Annäherung wagen, wenn ich gleichzeitig die Therapie beende?

Ihre Verliebtheit zeigt zunächst, dass Sie sich in einer vertrauensvollen therapeutischen Beziehung befinden und Sie Kontakt zu Ihren Bedürfnissen und innigsten Wünschen bekommen haben. Und Sie haben Recht: Das Ausleben der romantischen Gefühle im Rahmen einer therapeutischen Beziehung ist für den Therapeuten strafbar und tatsächlich ein No-Go.

Häufig ist die Verliebtheit in der Therapie eine „Übertragungsliebe“. Das bedeutet, dass der Therapeut wie eine Projektionsfläche funktioniert, auf der die Gefühle des Klienten nun erfahrbar werden. Die Reaktionen des Therapeuten auf Ihre Impulse können Sie für sich nutzbar machen. Gemeinsam können Sie die Gefühlssituation anschauen und sortieren. Es geht dabei um Sie, um Ihre Anliegen: Was will ich? Was brauche ich?

Die Therapie hat das Ziel, dass Sie sich öffnen und sich gemeinsam mit dem Therapeuten auf eine Forschungsreise in Ihr Innerstes begeben. Der Therapeut sorgt dabei als Ihr Begleiter dafür, dass nichts passiert. Er hat die Verantwortung für den therapeutischen Beziehungsrahmen, in dem Sie sich befinden. Dieser stabile und sichere Rahmen ist wichtig, damit Sie auch solche für Sie „No-Go-Impulse“ zulassen und zum Ausdruck bringen können.

Der Therapeut erscheint als idealer Liebespartner

Kommen nun bei dieser Forschungsreise in Ihre Seele romantische Gefühle auf, ist das eine gute Gelegenheit, sie zum Gegenstand der Gespräche werden zu lassen. Sie sind Ausdruck einer Sehnsucht, die nun ein Objekt gefunden hat. Der Therapeut erscheint als idealer Liebespartner, gerade weil er Qualitäten bietet, nach denen Sie sich sehnen: Er hört zu, ist für Sie da, ist verständnisvoll. Vielleicht fühlen Sie sich von ihm besonders und wirklich gesehen. Unbewusst werden das äußere Erscheinen und die Eigenheiten des Therapeuten so in dieses idealisierte Bild eingepasst, dass die Verliebtheit und sexuelle Phantasien freie Bahn bekommen.

Die Aufgabe in der Behandlung ist nun, die aktuellen Gefühle zu verbalisieren. Das hilft beim Verstehen Ihres seelischen Zustands und führt Sie an interessante Stellen in Ihrer Biografie. Sie lernen für Ihre Gefühlssituation neue Sichtweisen kennen und erhalten ein tieferes Verständnis für sich und Ihre Eigenheiten.

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Nun erleben Sie bei Ihrem Therapeuten, dass Ihre Gefühle vollkommen in Ordnung sind. Sie fühlen sich angenommen. Und es ist verständlich, dass Sie Ihren weiteren Impulsen nachgehen wollen. Es ist genau richtig, dass Sie hier inne halten. Lassen Sie sich auf den Prozess ein und trauen Sie sich, Ihr Herz zu öffnen. Schildern Sie Ihre Gefühlssituation und Ihre Bedenken. Hier geht es um entscheidende Fragen für Sie: Welchen Schutz brauche ich, um mich öffnen zu können? Wie übernehme ich die Verantwortung für meine Leidenschaft?

Ihr Therapeut wird Ihre Verliebtheit einzuordnen wissen und Sie auf den therapeutischen Rahmen verweisen. Seine Aufgabe ist es, sein Empfinden und die Wirkung Ihrer Verliebtheit auf ihn bewusst wahrzunehmen, zu kontrollieren und sie Ihnen für Sie selbst und Ihren Prozess zur Verfügung zu stellen. Sie erhalten so auch ein Beispiel für den Umgang mit einer emotional kniffligen Situation.

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