In Sachen LiebeKann eine Psychotherapie meine Beziehung gefährden?

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Symbolbild Psychotherapie

Psychische Erkrankungen sind inzwischen Volkskrankheiten.

  • Was gibt es Schöneres und Wichtigeres im Leben als die Liebe? Wie wir sie finden, pflegen und sie uns erhalten; was geschieht, wenn sie vergeht oder wir sie verlieren – darum geht es in unserer PLUS-Kolumne „In Sachen Liebe“.
  • Im wöchentlichen Wechsel beantworten die Psychotherapeuten Désirée Beumers, Carolina Gerstenberg und Daniel Wagner sowie die Diplom-Psychologinnen Elisabeth Raffauf und Katharina Grünewald Ihre Fragen rund ums Liebesleben, Sex und Kindererziehung.
  • Diesmal erklärt Daniel Wagner, warum grundsätzliche Bedenken gegenüber einer Therapie nicht angebracht sind und wie wichtig es ist, Symptome einer psychischen Erkrankung ernst zu nehmen.

Köln – Ich plane, eine Psychotherapie anzugehen. Der Gedanke treibt mich schon länger um, da ich viele Themen schon seit längerem mitschleppe. Ich gerate immer wieder in Phasen von Erschöpfung, Niedergeschlagenheit und Perspektivlosigkeit, und mein Hausarzt empfiehlt mir, mich dahingehend unterstützen zu lassen. Als ich meinen Plan meinem Mann mitteilte, reagierte dieser sehr skeptisch. Zum einen meint er, ich brauche das gar nicht, zum anderen hat er Vorbehalte einer Therapie gegenüber. So habe er gehört, dass Beziehungen häufig während einer Therapie in die Brüche gehen. (Claudia, 57)

Für Ihre Frage bin ich sehr dankbar, denn es bildet sich darin eine große gesellschaftliche Herausforderung ab. In Deutschland erfüllt inzwischen mehr als ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung im Zeitraum nur eines Jahres die Kriterien einer psychischen Erkrankung. Das ist nicht nur für die Betroffenen und ihre Angehörigen mit massivem Leid und schwerwiegenden Einschränkungen im sozialen wie beruflichen Leben verbunden, sondern hat inzwischen auch erhebliche volkswirtschaftliche Auswirkungen etwa durch Krankheitstage und Frühverrentungen. Gleichzeitig gibt es immer noch viele Vorbehalte sowohl den Betroffenen als auch der Psychotherapie gegenüber.

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Psychotherapeut und Dozent Dr. Dr. Daniel Wagner aus Köln

Vor diesem Hintergrund möchte ich Sie ermutigen, die beschriebenen Symptome ernst zu nehmen und zumindest abklären zu lassen. Schließlich liegt hier die Chance einer deutlichen Besserung. Dass schon Ihr Hausarzt zu einer Psychotherapie rät, lässt ja vermuten, dass die Annahme Ihres Mannes, Sie bräuchten so etwas gar nicht, zumindest fraglich ist.

Wichtig ist auch zu wissen: Sie sind mit diesen Themen nicht allein. Das zeigen schon die oben genannten Zahlen. Psychische Erkrankungen sind inzwischen Volkskrankheiten. Das führt aktuell zu der nicht unerheblichen Herausforderung, überhaupt zeitnah einen Therapieplatz zu finden.

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Dass so viele Menschen betroffen sind, ist wiederum insofern von Vorteil, als sich in der Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen sehr viel getan hat. Die Psychotherapie hat sich formal und inhaltlich in den vergangenen Jahrzehnten enorm weiterentwickelt. Moderne, wissenschaftlich gut evaluierte Ansätze stehen inzwischen für die allermeisten Themen der mentalen Gesundheit zur Verfügung. Es lohnt sich also, sich hierzu mit frischen Informationen zu versorgen und diese auch mit ihrem Mann zu teilen, um Berührungsängste, Vorbehalte und Fehlinformationen abzubauen. Inzwischen finden Sie z.B. auch in den Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender viele gute Beiträge.

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Zur Sorge Ihres Mannes, dass Beziehungen während einer Therapie in die Brüche gehen könnten: Ja, prinzipiell ist das möglich. Allerdings ist eine gute Psychotherapie immer so angelegt, dass Sie in Ihrer Beziehungsfähigkeit und Ihren sozialen Kompetenzen unterstützt und gestärkt werden, so dass im besten Fall sowohl Sie und Ihr Mann als auch Ihre Mitmenschen von der Therapie profitieren. Manchmal stellen Menschen in einer Therapie aber tatsächlich fest, dass es in der aktuellen Beziehung für sie nicht mehr passt. Die erste Idee wäre dann, Perspektiven zu entwickeln, wie es wieder passend werden könnte. Sollte das nicht möglich sein, gibt es selbstverständlich auch Fälle, in denen dann eine Trennung im Raum steht. Darüber entscheidet aber nicht die Therapeutin oder der Therapeut, sondern Sie selbst.

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