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Nach Thomas-Cook-PleiteKunden bekommen 17,5 Prozent Entschädigung

Lesezeit 3 Minuten
Thomas Cook dpa

Nach der Pleite des Reiseveranstalters ist es für Thomas-Cook-Kunden schwer, ihr Geld zurückzubekommen. Jetzt springt der Bund mit Steuergeldern ein. 

Berlin – Pauschalreise-Kunden des insolventen deutschen Reisekonzerns Thomas Cook werden nur einen Teil ihrer Kosten von der Versicherung erstattet bekommen. Die Schadenssumme liegt nach vorläufigen Berechnungen mit 287,4 Millionen Euro deutlich über der versicherten Summe von 110 Millionen Euro, wie der Versicherer Zurich am Mittwoch mitteilte.

Der Bund springt ein und sorgt für ihre Entschädigung, wie die Regierung ankündigte. Das Geld soll „möglichst einfach und kostenfrei“ ausgezahlt werden, die Betroffenen müssen „aktuell nicht selbst aktiv werden“. Die Summe dürfte in dreistelliger Millionenhöhe liegen.

Die Thomas Cook GmbH hatte am 25. September Insolvenz angemeldet. 140.000 Urlauber saßen zeitweise an ihrem Urlaubsort fest. Sie und weitere zehntausende Urlauber, die noch einen Urlaub bei Thomas Cook gebucht hatten, können derzeit ihre Entschädigungsansprüche anmelden. Auch viele Hotelbesitzer bekommen noch Geld. Das Unternehmen war nach der EU-Pauschalreiserichtlinie verpflichtet, die Vorauszahlungen von Reisenden gegen Insolvenz abzusichern, wie die Regierung betonte.

Thomas-Cook-Pleite sprengt bisherigen Rahmen

Die Pauschalreisenden hätten darauf vertraut, dass die ausgegebenen Sicherungsscheine ihre Schäden im Fall einer Insolvenz auch abdecken würden. Doch Thomas Cook ist nur bis maximal 110 Millionen Euro bei der Zurich Gruppe Deutschland versichert – dies ist die gesetzlich festgeschriebene Haftungsgrenze pro Jahr. Das deutsche Reiserecht orientiere sich an der Größe der bisher bekannten Insolvenzen, erklärte die Regierung – die Thomas-Cook-Pleite aber „sprengt diesen Rahmen“.

Zurich hatte Mitte November angegeben, dass sich allein die Ansprüche der Urlauber, die eine Reise bei Thomas Cook bis Ende des Jahres gebucht hatten, bis 1. November auf über 250 Millionen Euro summierten; rund 150.000 Kunden meldeten bis dahin Ansprüche an. Dazu kommen die Ansprüche der Kunden, die 2020 eine Reise bei Thomas Cook gebucht und dafür auch schon eine Anzahlung gemacht haben. Die Versicherung ist der Ansicht, dass auch die Rückführungskosten unter die 110 Millionen Euro fallen – das Bundesjustizministerium dagegen vertritt die Auffassung, die „Begrenzungsmöglichkeit“ der Haftung beziehe sich nur auf Kostenerstattungsansprüche, nicht aber auf die „unmittelbar vom Versicherer zu tragenden Kosten der Rückbeförderung“.

Schaden für Steuerzahler so gering wie möglich halten

Am Mittwoch erklärte die Regierung, der Fall werfe „eine Vielzahl von schwierigen Rechtsfragen auf“, die bislang ungeklärt seien. Den Kunden sei es aber „nicht zumutbar, dass sie jeweils auf sich gestellt für die Klärung der komplexen offenen Rechtsfragen sorgen müssen“. Tausende von Klageverfahren müssten geführt werden, langjährige Rechtsstreitigkeiten wären die Folge. Die Regierung will eine „erhebliche Prozesslawine“ verhindern und „am Ende den möglichen Schaden für den Steuerzahler so gering wie möglich“ halten. Opposition und Verbraucherschützer hatten bereits kurz nach der Thomas-Cook-Pleite scharf kritisiert, dass die Garantiesumme so niedrig ist. Sie hatten schon vor Jahren gefordert, diese Summe auf 300 Millionen Euro anzuheben.

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Die Grünen-Politiker Markus Tressel und Tabea Rößner erklärten am Mittwoch, die Übernahme der Entschädigung durch den Bund sei „keine vorweihnachtliche Großzügigkeit, sondern ein Schuldeingeständnis“. Mit der Begrenzung der Haftungssumme habe die Bundesregierung den Reisekonzernen jahrelang niedrigere Versicherungsprämien beschert. „Jetzt gibt die Bundesregierung Steuergelder in dreistelliger Millionenhöhe aus, um diesen Fehler zu korrigieren.“ Über die politische Verantwortung werde „intensiv zu reden sein“, kündigten Tressel und Rößner an. Hunderte Millionen Euro aus der Staatskasse seien keine Lappalie, „über die man hinweggehen könnte“.

Auch der tourismuspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Marcel Klinge, kritisierte, dass die Regierung eine effektive Kundengeldabsicherung seit 2017 fahrlässig verschleppt habe. „Für diese Inkompetenz müssen jetzt alle Steuerzahler haften.“ Die tourismuspolitische Sprecherin der Linken, Kerstin Kassner, erklärte, die Interessen der Konzerne seien Union und SPD damals schon wichtiger gewesen als der Verbraucherschutz. Jetzt müssten die Steuerzahler einspringen, „während die Versicherung billig davonkommt“. (afp)

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