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Tipps zur ScheidungMit Mediation zur einvernehmlichen Trennung

Lesezeit 7 Minuten

Frau von Petersdorff, in welcher Position muss man den Mediator denn sehen, mehr Anwalt oder mehr Therapeut?

Ich bringe Kompetenzen und Techniken von beiden Berufsgruppen in die Mediation ein. Dennoch unterscheidet sich meine Rolle als Mediator grundsätzlich von der des Anwaltes oder Therapeuten. Im Gegensatz zum Anwalt fungiere ich als neutraler, allparteilicher Dritter. Zwar gebe ich – wenn nötig – Hinweise auf rechtliche Rahmenbedingungen. Zum Beispiel, welche Punkte in einer Scheidungsvereinbarung geregelt werden müssen, oder ob eine von den Parteien vorgeschlagene Lösung gegen gesetzliche Regelungen verstößt. Eine rechtliche Beratung erhält der Einzelne aber nicht.

Gewöhnlich macht das der Anwalt, oder nicht?

Ja, schon. Der große Unterschied ist aber, dass der Rechtsanwalt die Interessen seiner Partei im Auge hat, der Mediator ist dagegen allparteilich und versucht, mit beiden Seiten an einer Lösung zu arbeiten. Das Ziel der Mediation ist es, dass am Ende eine Vereinbarung steht, die von beiden getragen wird.

Also kann man sich die Anwaltskosten sparen?

Es kann durchaus hilfreich sein, manchmal auch notwendig, sich während der Mediation anwaltlich beraten zu lassen. Denn nur wer seine Rechte kennt, kann eigenverantwortlich eine Lösung finden. Aber man muss auch aufpassen. Ich erinnere mich an einen Schriftsatz eines Anwalts, der hat bei der anderen Seite solch eine Verärgerung ausgelöst, dass alle Türen auf einmal zugeknallt sind. Und damit waren auch alle Zugeständnisse weg – erst mal. Es gibt eben Anwälte, die wollen immer das Maximale erreichen. Manchmal werden die Anwälte auch in die Mediation direkt einbezogen.

Und inwiefern unterscheidet sich Ihre Arbeit von der des Therapeuten?

Anders als der Therapeut kümmert sich ein Mediator um ganz konkrete und begrenzte Konflikte und arbeitet sehr zielorientiert. Wenn Leute kommen und sagen, wir wollen eine Scheidungsvereinbarung treffen, dann kommen da sicher sehr persönliche Themen auf den Tisch. Wenn ich aber merke, es geht um die Aufarbeitung und das gesamte Scheitern der Ehe und es müssen psychologische Themen der Einzelpersonen geklärt werden, dann ist definitiv ein Therapeut gefragt. Das erkennt aber ein Mediator schnell. In einer meiner Mediationen stellte sich heraus, dass ein Mann an Depressionen litt. Da habe ich dann natürlich sofort therapeutische Unterstützung angeraten.

Was machen Sie als Mediatorin genau?

Durch die erlernten Techniken bringe ich die Leute dazu, einander besser zu verstehen Das ist nämlich der erste und ganz wesentliche Schritt in einer Mediation: Die Klärung der Konfliktursachen. Mit meiner Hilfe finden die Parteien heraus, was schief gelaufen ist und warum. Welche Erwartungen und Bedürfnisse des Einzelnen nicht erfüllt wurden. Wo es Missverständnisse und Verärgerungen gab und warum. Ich frage nach Hintergründen und erforsche relevante Aspekte der individuellen Persönlichkeit der Beteiligten. Ich übersetze die in dieser Phase meist noch emotionale und vorwurfsvolle Sprache der Beteiligten in eine neutrale Sprache, die beim jeweils Anderen keine Abwehr und Verteidigung hervorruft, sondern zum Verstehen führt. Am Anfang sind die Türen zu, die Fronten sind verhärtet. Ziel ist es, die Türen zu öffnen. Das geht aber erst, wenn jeder spürt, dass der Andere seine Sicht der Dinge verstanden hat. Dabei bedeutet verstehen nicht unbedingt, einverstanden zu sein.

Mit welchen Techniken bringen Sie denn ein vollkommen zerstrittenes Paar zum Reden?

Ich höre zu und frage nach, um den Grund für Verärgerungen und Verletzungen und die Beweggründe und Bedürfnisse des Einzelnen genau zu verstehen. Vorwürfe formuliere ich in eine neutrale Sprache um. Der jeweils Andere hört zu und versteht vielleicht zum ersten Mal, was hinter dem vielleicht aggressiven, vielleicht auch zurückgezogenen Verhalten des Anderen steckt. Oft wird dann auf einmal deutlich, dass hinter einem aggressiven Verhalten eine Angst steckt. So entpuppte sich einmal ein unglaublich aggressiver Ehemann als höchst besorgter Vater. Er beobachtete, was zu Hause schief lief, und in seiner Angst um die Kinder griff er seine Ehefrau an.

Warum konnten sich diese Paare vorher nicht verstehen?

Wir neigen dazu, dem Anderen Vorwürfe zu machen und nicht zu erklären, warum und wieso uns etwas ärgert. Wir sagen nicht: „Ich beobachtete, dass die Kinder den ganzen Tag vor dem Computer sitzen und ihre Hausaufgaben vernachlässigen. Das macht mir Sorgen.“ Sondern keifen: „Du bist vollkommen unfähig!“ Solche Angriffe verursachen jedoch umgehend eine Abwehrhaltung. Der Andere hört nicht mehr weiter zu, sondern macht dicht oder schlägt zurück.

Und wenn das Gespräch in der Mediation eskaliert?

Es gibt ganz klare Regeln, die erste heißt: Jeder darf zu Ende reden, keiner unterbricht den Anderen. Ansonsten greife ich ein. Jeder kommt ausreichend zu Wort, aber nacheinander, nicht gleichzeitig.

Wie oft erleben Sie Geschrei?

Es kann durchaus eskalieren, mit Tränen und Brüllen. Das ist alles in Ordnung, das gehört dazu. Eine Trennungsvereinbarung zu treffen ist keine Wellnessbehandlung. Wenn der Scheidung schon eine lange Trennungsphase vorausgeht, dann kochen die Emotionen aber oft nicht mehr so hoch.

Es keifen sich also zwei an, und Sie sagen: so bitte nicht?

Ich setze Grenzen. Vor allem aber versuche ich herauszufinden, was hinter diesen Emotionen steckt.

Verstehen – wie sieht das aus?

Verstehen kann ich dann, wenn ich nicht mehr in meinem eigenen Ärger oder Kummer gefangen bin, sondern bereit bin, mich mit der Sichtweise des Anderen auseinanderzusetzen, mich in den Anderen hineinzuversetzen. Dazu bin ich aber erst in der Lage, wenn ich das Gefühl habe, dass meine Sicht der Dinge verstanden wurde.

Wenn beide einander verstanden haben, verebben die Aggressionen. Dann kann man beginnen, in die Zukunft zu blicken und gemeinsam nach Lösungen für die Konflikte zu suchen. Immer wieder sagen Paare zu mir: „ Wenn wir schon früher so miteinander hätten reden können und ich all das verstanden hätte, dann hätten wir uns nicht trennen müssen.“ Oft sind dann aber bereits Fakten geschaffen, einer ist ausgezogen, es gibt neue Partner, viel Unschönes ist vorgefallen und der Weg zurück ist versperrt.

Wie lange dauert ein Erstgespräch?

Einzelne Sitzungen versuche ich auf zwei bis drei Stunden festzulegen. Die Zeit braucht man auch. Im Gegensatz zu einer Therapiesitzung müssen bei mir ja zwei Menschen zu Wort kommen. Manchmal ist man auch so im Thema, dass es schade wäre, dann abzubrechen. Aber in emotionalen Phasen reichen zwei Stunden, denn die Gespräche sind dann für beide Seiten sehr anstrengend.

Wie viele Sitzungen sind im Schnitt notwendig?

Das kommt auf die Komplexität an. Für eine Scheidungsvereinbarung müssen eben ein paar Dinge besprochen werden: Unterhalt, Versorgungsausgleich, Umgang mit Kindern. Es gibt Paare, die leben längst in zwei Wohnungen und verdienen identisch, dann geht das schnell. Andere brauchen drei Sitzungen, um über die Erziehung der Kinder zu sprechen. Im Schnitt ist alles in vier bis fünf Sitzungen geklärt. Wobei man nicht in jeder Sitzung gleich weit kommt. Manchmal stockt es, man fällt sogar zurück, merkt, dass immer noch großer Gesprächsbedarf herrscht.

Wie ist der Ablauf der Gespräche?

Zunächst sammeln wir Themen. Dann arbeiten wir Thema für Thema ab. Wenn beide Seiten verstanden haben, was schiefgelaufen ist und wie der andere tickt, führe ich den Blick in die Zukunft. Es werden Lösungsoptionen entwickelt, Ziele und Interessen geklärt und priorisiert und die Optionen entsprechend abgecheckt. Natürlich können nicht beide das für sie Optimale erreichen. Jeder kommt dem Anderen an Stellen entgegen, wo es ihm nicht so weh tut.

Also lässt sich Geld sparen im Vergleich zu einem langwierigen Anwaltsprozess?

Eine Stunde kostet bei mir 130 bis 150 Euro. Trotzdem spart man Geld, denn die meisten Mediationen führen zu einer Lösung, manchmal nur zu einer Teillösung, aber nicht zu einem strittigen Gerichtsverfahren. Ein positiver Nebeneffekt ist die Verbesserung der Beziehung, was vor allem gut ist, wenn man Kinder hat.

Wenn die Lösung gefunden ist, wie geht es weiter?

Wenn man zu einer einvernehmlichen Scheidungsvereinbarung kommt, geht man damit zum Notar und dann zum Gericht. Dort ist auf jeden Fall ein Anwalt notwendig, aber eben nur einer. Der Richter vollzieht die Scheidung, zu den von den Parteien vereinbarten Konditionen.

Barbara von Petersdorff ist Rechtsanwältin und arbeitet seit 13 Jahren als Mediatorin in München. Sie ist Dozentin an der Universität Passau und lehrt Jurastudenten Verhandlungstechniken und Konfliktmanagement.

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