„Look Around“Darf Apples „Streetview“ einfach Fotos von mir ins Netz stellen?

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Apples Straßenfotodienst „Look Around“ wird aktuell in Deutschland „ausgerollt“. 

  • Der Dienst „Look Around“ zeigt auf Fotos deutscher Straßen auch Personen, die unkenntlich gemacht, aber trotzdem identifizierbar sind.
  • Ist das rechtlich in Ordnung?

„Look Around“ heißt ein Dienst von Apple. Damit kann man sich auf Deutschlands Straßen in Großstädten ebenso wie in kleinsten Dörfern in der App „Karten“ über einen Button mit einem Fernglas „umsehen“. Das Angebot wird aktuell in Deutschland „ausgerollt“. Start war in München. Dann ging es weiter über Stuttgart, Frankfurt, Köln, Düsseldorf und weitere Städte in Nordrhein-Westfalen. Seit Ende Juni sind unter anderem auch Hamburg und Berlin verfügbar.

Die Aufnahmen datieren von 2020, sind also deutlich aktueller als die von „Google Streetview“. Dieses Projekt stammt von 2010 und wurde seit 2011 dann nicht weiter ausgebaut. In Deutschland gab es Unmut unter anderem wegen des Datenschutzes.

Apples Fotodienst muss das Urheberrecht beachten

Für die Nutzung von „Umsehen“ ist keine Anmeldung erforderlich, auf die Apple-ID komme es nicht an, sagt das Unternehmen. Rechtlich betrachtet, hat ein solcher Fotodienst das Urheberrecht zu beachten. In Deutschland gilt die sogenannte Panoramafreiheit. Sie gestattet es jedermann, Objekte, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, zu fotografieren und die Aufnahmen auch ins Netz zu stellen. Von Bauwerken darf aber nur die äußere Ansicht gezeigt werden. Daran hält sich der Apple-Dienst, soweit ersichtlich. Die für das Unternehmen in Deutschland zuständige Datenschutzaufsichtsbehörde in Bayern hat sich mit dem Angebot befasst. Auf einer Informationsseite wird erläutert, wie man sich wehren kann, wenn man die Front seines Hauses verpixeln lassen möchte.

Dort werden auch Rechtsfragen beantwortet: Was zum Beispiel die Einwilligung abgebildeter Personen betrifft, „komme auch die Interessenabwägung in Betracht“. Das bedeutet: Wenn abgebildete Personen nach einer Abwägung durch Apple keine Nachteile erleiden, „dann überwiegt das Interesse des Unternehmens an der Darstellung der Personen“. Das ist grundsätzlich richtig, zumal die Gesichter etwa von Passanten verpixelt werden. Auch die Konferenz der deutschen Datenschutzbehörden hat im Mai 2020 beschlossen, dass ein „Straßenfotodienst“ zulässig ist, wenn gewährleistet ist, dass personenbezogene Daten wie Gesichter, Fahrzeugkennzeichen und Häuserfassaden unkenntlich gemacht werden können. Hierfür reicht es den Datenschutzbehörden, wenn betroffene Personen das durch Einlegung eines Widerspruchs beantragen können.

Ob das in allen Fällen passt, darüber kann man streiten. Das Verbreiten von Häuserfotos im Netz ist datenschutzrechtlich über die sogenannte Interessenabwägung und eine Widerspruchsmöglichkeit ohne Weiteres zu legitimieren. Schaut man sich aber die Aufnahmen stichpunktartig an, sind darauf eben doch identifizierbare Personen zu sehen. Etwa ein Paketbote mit auffälligem Tattoo am Oberarm. Vor seinem offenen Fahrzeug stehend, kann man ihn leicht erkennen. Dasselbe gilt für Nachbarn, die trotz verpixelter Gesichter über Kleidung, Statur und Erscheinungsbild zweifelsfrei identifizierbar sind.

Wer sein Haus im Netz zeigt, erleichtert Kriminellen die Planung

Da solche Bilder weltweit verfügbar sind und ungefragt in die Datentrichter des Apple-Kosmos eingespeist werden, kann man schon ins Sinnieren geraten, ob Gerichte sich der zitierten Behördenmeinung zur Unbedenklichkeit anschließen würden.

Vielleicht müsste im Fall des Paketboten ja doch eine Einwilligung oder mindestens eine taugliche Unkenntlichmachung persönlicher Merkmale vorliegen, damit er Apple nicht auf Schmerzensgeld nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verklagen kann. Unabhängig davon müssen sich alle, die ihr Haus im Netz zeigen lassen, darüber im Klaren sein, dass sie Kriminellen etwa die Planung von Einbrüchen erheblich erleichtern.

Bußgeld gegen VW

Dass Datenschutzverstöße an Details hängen, hat kürzlich Volkswagen erfahren müssen. Gegen den Konzern hat die Landesdatenschutzbeauftragte von Niedersachsen als zuständige Aufsichtsbehörde ein Bußgeld von 1,1 Millionen Euro wegen des Einsatzes von Videokameras in Fahrzeugen verhängt. Die Geräte waren im Straßenverkehr verwendet worden, um die Funktionsfähigkeit eines Fahrassistenzsystems zur Vermeidung von Verkehrsunfällen zu testen und zu trainieren. Zur Fehleranalyse wurde unter anderem das Verkehrsgeschehen rund um das Fahrzeug aufgezeichnet.

Wichtig: Die Erhebung und Weiterverarbeitung personenbezogener Daten bei den Forschungsfahrten war datenschutzrechtlich in Ordnung. Unfälle bestmöglich zu verhindern und die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen, ist erwünscht. Das Problem waren Verstöße gegen die Pflicht zur Information der Verkehrsteilnehmer, weil am Auto keine entsprechenden Schilder angebracht waren. Zudem fehlten Verträge mit Dienstleistern ebenso wie hinreichende technische Dokumentationen. Auch die erforderliche Abschätzung der datenschutzrechtlichen Folgerisiken sei unterblieben, lautet die Begründung des Bußgelds laut Pressemeldung.

All das müsste bei „Look Around“ besser gelaufen sein, wenn Apple keinen Ärger kriegen will.

Rolf Schwartmann leitet die Kölner Forschungsstelle für Medienrecht an der TH Köln. Der Jura-Professor ist auch Vorsitzender der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit.

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