„Neu in Charts“Bekommen Deutsch-Rapper nicht mit, dass wir wichtigere Probleme haben?

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Warum gehen die Forderungen der Friday-for-Future-Bewegung am Deutsch-Rap vorbei? (Symbolbild)

  • War früher alles besser? In den Musikcharts ganz bestimmt! Sicher? Na gut, vielleicht auch nicht.
  • Jede Woche hört sich unser Kolumnist Marcus Bäcker in seiner Glosse „Neu in den Charts” durch die Hitliste – und findet dabei Entsetzliches wie Schönes.
  • Musik hat die Macht, Menschen zu bewegen und die ganz großen Themen anzusprechen - das gelingt den Virtuosen des Deutsch-Rap leider nicht immer.

Köln – Am Tag, als ich diese Kolumne schrieb, erhielt ich eine E-Mail des Naturschutzbundes Deutschland, in dem ich Mitglied bin. Es ging um Fridays for Future und damit verbundene Aktionen, und für einen Moment hatte ich die Hoffnung: Wir sind viele, vielleicht wendet sich ja doch noch mal alles zum Guten.

Danach hörte ich Folgendes: „Der Wagen vollgetankt / Geb’ Gas und roll durchs Land / Gruß an das Ordnungsamt / Wieder zu schnell gefahr’n / Irgendwie klappt es doch immer / Ich will Cash und kein Candle-Light-Dinner.“ Mit anderen Worten: zu früh gefreut.

Die ermattenden Zeilen stammen aus dem neuesten Synapsen-Burner der Rapperin Loredana, Titel: „Kein Plan“. Mir war die Dame schon früher tendenziell unangenehm aufgefallen. Nun also „Kein Plan“, eine Zusammenarbeit mit Mero. Die Nummer holt sich auf Anhieb Platz 1. Einigermaßen fassungslos durchforstete ich das Internet, in der Hoffnung, irgendetwas herauszufinden, was diesen bizarren Erfolg auch nur ansatzweise erklärt. 

Alles zum Thema Fridays for Future

Deutsch-Rap - die Gegenbewegung zur Ernsthaftigkeit?

Ich stieß auf eine Seite, auf der es offenbar nur um das geht, was unverdient in den Stand der Prominenz gestolperte Existenzen in ihren Videos so tragen, Zitat: „Die wohl derzeit gehyptesten Künstler der Szene fusionieren sich auf einem gemeinsamen Track, der wie zu erwarten durch die Decke geht. Das Loredana Mero Mein Plan Outfit (sic) findest Du mit Shop Links und Alternativen in diesem Artikel.“

Marcus Bäcker

Marcus Bäcker

Wie gesagt: Kurz vorher hatte ich noch etwas über Fridays for Future gelesen. Ich stellte mir Fragen: Bekommen die Loredana-Gutfinder schlichtweg nicht mit, dass wir auf Erden gerade ein paar nicht völlig unerhebliche Probleme haben, die dringend mal gelöst werden müssten?

Nichts über die so genannte Raser-Szene und damit verbundene Todesfälle gelesen? Vielleicht sogar: gar nichts gelesen? Nie?

Möglicherweise handelt es sich hierbei aber um eine Gegenbewegung, die Verzicht und Ernsthaftigkeit eher nur so mittel und Ökos grundsätzlich doof findet und sich in eine Richtung radikalisiert, an deren Ende die restlose Verpuffung von Anstand, Verantwortungsbewusstsein und Intelligenz steht?

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Wie man sich vielleicht vorstellen kann, begrüße ich diese Entwicklung nur bedingt. Flankiert wird sie durch politische Kräfte, die den von Menschen verursachten Klimawandel und das Artensterben entweder komplett leugnen oder entschlossen mit dem ständigen Wiederholen des Zauberworts „Verbotspartei“ zu bekämpfen versuchen.

Ja, ich warte auf das Deutsch-Rap-Video, in dem zwischen aufwendig polierten Autos und festlich geschmückten Material-Girls und -Boys die Hoffnung einer gewissen Partei auftaucht und unvermutet zu rappen beginnt: „Ich cruise im Benziner, trage dazu Prada / Boaring Habeck hat noch nicht mal’n Lada / Wir sind sexy, cool und total smart / seh’ ich Gucci, komm ich in Fahrt / Gebt mir Votes, gebt mir Respekt / Verzicht, Alter? Am &%$§* geleckt.“ Ich glaube, das kommt.

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