1,5-Grad-Ziel, Krieg und KohleausstiegWo steht die Welt beim Klimaschutz?

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Trockene Fläche des Sees Penuelas in Chile.

Scharm el Scheich – Ägyptens erste Hitzewelle der Saison kam dieses Jahr schon im April: In Kairo stieg die Temperatur auf bis zu 40 Grad Celsius. Es war, als puste ein riesiger Haartrockner heiße Luft über die Hauptstadt und ihre 20 Millionen Einwohner. Schon im August vergangenen Jahres hatten die Ägypter eine Woche lang bei Hitze um 40 Grad geächzt. Die Regierung kam zu der Einsicht, der Klimawandel sei auch für Ägypten zu einem „drängenden Problem“ geworden.

In sechs Monaten wird dieses Problem in Ägypten auf höchster Ebene verhandelt. Dann richtet der Wüstenstaat die nächste Weltklimakonferenz aus, die COP27. Im Küstenort Scharm el Scheich, werden Anfang November rund 30 000 Teilnehmer erwartet, darunter 120 Staats- und Regierungschefs. Was hat sich sechs Monate nach der COP26 in Glasgow beim Klimaschutz eigentlich getan?

Drastische Einsparungen nötig

Der Krieg in der Ukraine habe seit Februar eine „gänzlich neue Dynamik“ gebracht, sagt David Ryfisch von der Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch. „Durch den Krieg haben wir eine ganz neue Diskussion um Energiesicherheit.“ Die Regierungspartei FDP sprach sich etwa dafür aus, eine längere Nutzung der besonders klimaschädlichen Braunkohle zu prüfen. Der Ausstieg soll in Deutschland laut Koalitionsvertrag bis 2030 gelingen.

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„Wir sehen leider ziemlich deutlich, dass es mit einem raschen Kohleausstieg sehr schwer werden könnte“, sagt der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), Ottmar Edenhofer, zur Kohlenutzung weltweit. Weil die Gaspreise durch den Krieg schneller steigen als die Kohlepreise, setze sich vor allem in Asien eine „Renaissance der Kohle“ fort. Und das, obwohl man sich in Glasgow einigte, die Kohleverstromung runterzufahren.

Weltwetterorganisation warnt vor Reißen der 1,5-Grad-Schwelle in den nächsten fünf Jahren

Auch im November wird die heilige Marke von 1,5 Grad Celsius wieder über der Konferenz hängen – der Wert, um den sich die Erde laut Pariser Klimaabkommen höchstens dauerhaft über das vorindustrielle Niveau erwärmen darf. Dem jüngsten Bericht des Weltklimarats (IPCC) zufolge, den UN-Generalsekretär António Guterres als „Dokument der Schande“ bezeichnete, ist das Ziel ohne drastische Einsparungen überhaupt nicht mehr zu erreichen.

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Eine ernüchternde Botschaft kam dazu aus Genf: Die 1,5-Grad-Erhöhung könnte schon innerhalb der nächsten fünf Jahre erreicht sein, teilte die Weltwetterorganisation (WMO) mit. Im Pariser Abkommens 2015 galt so etwas noch als nahezu ausgeschlossen. „Wir fahren ein bisschen langsamer auf die Wand zu, aber wir fahren weiter auf die Wand zu“, sagt Edenhofer und fordert eine „grundlegende Korrektur“

„Vor allem die großen Emittenten müssen einfach signifikant nachlegen“, sagt auch Frauke Röser vom NewClimate Institute. Auch wenn kleine Länder wie Costa Rica sich stark engagierten, sei die Dynamik zwischen den USA und China und anderen der großen Emittenten entscheidend. Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi hat den Klimaschutz zur Chefsache gemacht. Das Land ist mit seinen Wüsten, wenig Regen, heißen Sommern, großen Städten und langen Küsten extrem gefährdet. Die Szenarien: Einbußen bei den Ernten, noch mehr Wasserknappheit, Versalzung der Ackerböden im Nildelta. Und bis 2050 könnte die Bevölkerungszahl auf 160 Millionen steigen. (dpa)

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