Corona-AlltagDas Wort „Lockdown“ regt mich auf, gibt es keine bessere Bezeichnung?

Lesezeit 4 Minuten
Symbolbild Lockdown

Derzeit Alltag für viele Geschäfte: Das „geschlossen“-Schild hängt im Fenster.

  • Aber bitte mit Stil! In unserer Kolumne „Wie geht’s?“ dreht sich alles um das richtige Verhalten. Ob bei offiziellen Anlässen, beim Essen, im Gespräch oder vor dem Kleiderschrank.
  • Protokollchefin i.R. Ingeborg Arians, Modeexpertin Eva Reik, Restaurant-Chef Vincent Moissonnier sowie Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch schreiben abwechselnd über das richtige und stilvolle Auftreten.
  • Diesmal geht es um das Wort, das uns alle seit Monaten beschäftigt: „Lockdown“. Gibt es dafür keinen besseren und vor allem passenderen Begriff?

Köln – Mich regt das Wort „Lockdown“ auf. Nicht nur, weil es mal wieder englisch ist, sondern auch, weil es so unzutreffend ist: Es wird doch niemand eingesperrt. Gibt es wirklich kein besseres Wort? (Julia, 38)

Dass „Lockdown“ ein Lehnwort ist, sollten Sie entspannt nehmen: Zwar sind manche Sprachgemeinschaften fremdem Wortgut gegenüber misstrauischer als andere, aber insgesamt ist die Entlehnung von Wörtern ein selbstverständlicher Prozess der Wortschatzerweiterung, der sich zu allen Zeiten in allen Sprachen nachweisen lässt. Dass das Englische derzeit für viele Sprachen eine bevorzugte Quelle für Lehnwörter ist und auf absehbare Zeit auch bleiben wird, liegt schlicht daran, dass es die Sprache der globalisierten Welt ist. Das mag einem aus ästhetischen Gründen missfallen – Schönheit, auch die von Sprachen, liegt ja im Auge der Betrachtenden. Es hat aber kommunikativ durchaus Vorteile, wenn wir globale Erfahrungen wie die Covid-19-Pandemie und die Maßnahmen zu deren Eindämmung auch mit global verwendeten Begriffen belegen.

Neuer Inhalt

Anatol Stefanowitsch

Trotzdem darf man die Entlehnung von Wörtern natürlich kritisch begleiten, und dabei sollte – wie in Ihrer Frage – die Wortbedeutung im Mittelpunkt stehen. Zum einen ist dann zu klären, ob es sich um ein „echtes“ Lehnwort handelt – also eines, das in der Ursprungssprache tatsächlich so verwendet wird, wie wir Deutschsprechenden uns das vorstellen. Ist das (wie beim berüchtigten Scheinanglizismus „Handy“) nicht der Fall, funktioniert das Wort im Deutschen zwar problemlos, aber es wird zu Missverständnissen führen, wenn wir versuchen, es auch im Englischen zu verwenden (wo das korrekte Wort „cell phone“ oder „mobile phone“ wäre).

Im Falle des Wortes „Lockdown“ hält sich hartnäckig das Gerücht, dass es sich um einen solchen Scheinanglizismus handele. Das ist aber nicht der Fall: das Wort wird im Englischen seit Beginn der Pandemie in genau der Bedeutung verwendet, in der wir es ins Deutsche entlehnt haben. Das Wort „Lockdown“ bezeichnet im Englischen und im Deutschen eine Kombination aus Einschränkungen des öffentlichen Lebens (die von einfachen Abstands- und Hygieneregeln bis zur Schließung von Geschäften, Büros oder Fabriken reichen können) und Beschränkungen unserer Bewegungsfreiheit (von Ausgangssperren über Ausgangsbeschränkungen bis hin zu unverbindlichen Appellen, doch bitte zu Hause zu bleiben).

Das könnte Sie auch interessieren:

Diese sehr umfassende Bedeutung des Wortes hat, ebenfalls im Englischen und im Deutschen, dazu geführt, dass wir zwischen verschiedenen Formen – vom weichen bis zum harten Lockdown – unterscheiden. Um der Genauigkeit Willen ist es hier oft sinnvoll, die betreffenden Maßnahmen genauer zu benennen, und dazu haben wir ja viele alte und neue Wörter – „Ausgangssperre“ oder „-beschränkung“, „Ladenschließung“, „mobiles Arbeiten“ (oder „Homeoffice“), „Distanzlernen“, „Kontaktbeschränkung“, „Quarantäne“ usw. Aber für die Gesamtheit dieser Maßnahmen haben wir (noch) kein eigenes Wort, und das Lehnwort „Lockdown“ füllt diese Lücke.

„Wie geht’s?“

In unserer Kolumne beantworten vier Experten abwechselnd in der Zeitung Ihre Fragen zum stilsicheren Auftreten in allen Lebenslagen. Ingeborg Arians, Protokollchefin der Stadt Köln a.D., weiß, wie man sich bei offiziellen Anlässen richtig verhält. Journalistin Eva Reik kennt sich bestens aus mit Mode und der passenden Kleidung zu jeder Gelegenheit. Vincent Moissonnier, Chef des gleichnamigen Kölner Restaurants, hat die perfekten Tipps zu Tischmanieren ohne Etepetete. Und Anatol Stefanowitsch, Professor für Sprachwissenschaft, sagt, wie wir mit Sorgfalt, aber ohne Krampf kommunizieren. (jf)

Senden Sie uns Ihre Fragen bitte per Mail an: Stilkolumne@dumont.de

Bleibt die Frage, ob das Wort „Lockdown“ die beste Wahl war. Im Englischen kann man das bezweifeln, denn dort war das Wort vor der Pandemie bereits negativ belegt. Es bezeichnete, wie Sie sagen, das Einsperren von Gefängnisinsassen in ihre Zellen in einer Gefahrensituation – ein sehr ungünstiges Sprachbild, wenn man die Bevölkerung dazu bewegen möchte, sich an der Bekämpfung einer Pandemie zu beteiligen. Weil wir bei uns das Wort ohne die älteren Bedeutungen entlehnt haben, sehe ich im Deutschen kein Problem.

KStA abonnieren