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Severin von HoensbroechSchlossherr will Frauen mehr Selbstbewusstsein beibringen

Lesezeit 8 Minuten
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Severin von Hoensbroech ist Schlossherr von Schloss Türnich und neben vielem anderen auch Führungskräfte-Coach.

  • Severin von Hoensbroech ist Schlossherr von Schloß Türnich bei Kerpen und Führungskräfte-Coach.
  • Seit einigen Jahren bringt er Frauen bei, wie sie sich in der Berufswelt besser durchsetzen und selbtbewusst auftreten können – indem sie die Machtspiele der Männer durchschauen.
  • Er kennt die Jahrtausende alten Spielchen der Männer – und ihr oft schlechtes Benehmen gegenüber Kolleginnen.

Herr Hoensbroech, Sie coachen seit vielen Jahren Frauen in Sachen Selbstbewusstsein im Job. Entschuldigen Sie, warum sollte ich mir das ausgerechnet von einem Mann erklären lassen?

Severin von Hoensbroech: Wir haben es  gerade im Berufsleben häufig mit dem Phänomen Mansplaining zu tun, damit, dass Männer fälschlicherweise davon ausgehen, sie müssten Frauen die Welt erklären, weil sie vermeintlich mehr über egal welchen Gesprächsgegenstand wüssten. Nun finde ich persönlich ja, dass Frauen öfter den Männern die Welt erklären sollten, doch an einer Stelle kann ich vielleicht helfen: Immerhin bin ich  selbst ein Mann und kenne Männer und ihre Spielchen seit Kindestagen an, die ich auch selber spiele und inzwischen sogar ein wenig durchschaue. Und als  Bühnen-Coach ist es meine Aufgabe, Menschen beizubringen, worüber sie vor wem, wie zu reden haben, um erfolgreich zu sein.

Das Berufsleben – eine Bühne? Anders gefragt: Ist es nicht ein  Unterschied, einen Schauspieler oder eine berufstätige Frau zu coachen?

Mich hat am Theater oft genervt, dass alles nach Gefühl passiert, dass viele Regisseure  emotional und nicht handwerklich arbeiten. Hinter jeder Geste steckt doch eine kommunikative Mechanik. Wenn sich etwa der König erhebt, dann wissen 800 Menschen im Publikum, was das bedeutet. Also muss hinter seinem Aufstehen  eine kommunikative Mechanik stecken, die alle kennen und lesen können. Sie gilt für die Bühne wie für das reale Leben. Ständig senden wir Signale und scannen unser Gegenüber auf solche. Männer und Frauen nutzen sie nur verschieden.

Zur Person

Schloss Türnich (Foto: Max Grönert)

Severin von Hoensbroech, Jahrgang 1972, ist studierter Psychologe, Schauspieler, Regisseur, Führungskräfte-Coach – und ein Trainer der Female Future Force Academy, dem Online-Coaching der Frauen-Zeitschrift EditionF. 

2012 zog er mit seiner Familie nach Schloss Türnich bei Kerpen, das er seitdem zu einem Ort für Nachhaltigkeit entwickelt. Ehrenamtlich ist er Mitgründer von „Taste of Heimat“, dem ersten deutschen Ernährungsrat in Köln.

Verstehe ich nicht!

Dann gehen Sie mal auf den Pausenhof einer Grundschule und beobachten für kurze Zeit die Mädchen- und die Jungengruppen. Die Mädchen werden in kreisförmigen Gebilden beieinander stehen, ungefähr gleich viel reden und dabei etwas spielen, das wenig mit Gewinnen oder Verlieren zu tun hat. Anders die Jungen: Entweder sie liegen raufend aufeinander oder stehen deutlich hierarchisch angeordnet herum: Einer erzählt seine Heldengeschichten, ein zweiter auch, drei hören mit leuchtenden Augen zu und einer kriegt immer aufs Mal. Was zeigt: Männer kommunizieren vertikal, Frauen horizontal.

Und was hat das mit den Signalen zu tun, die ich im Berufsleben besser  verstehen sollte?

Sie glauben doch nicht, dass diese Form der Kommunikation mit dem Ende der Schulzeit Geschichte ist. Auch im Berufsleben brauchen Männer diese Schulhofsortierung – die sie ständig versuchen, herzustellen. Wer steht oben? Wer unten? Weshalb sich zu Beginn jedes Meetings alle Männer  gegenseitig erzählen, wie toll sie sind. Später kommt einer zu der Kollegin und sagt: „Wenn Du noch Fragen hast, erklär ich Dir das später nochmal, ja? Sie wird denken: So ein A...! Dann wird sie durchatmen und ein Sachargument vorbringen. Die  Funktion der männlichen Aussage war die vertikale Ordnung herzustellen – und die Frau hat sich einordnen lassen. Hier sollte sie aber auf gleiche Art  zurück kommunizieren: „Ich bin hier mehr für Antworten als für Fragen zuständig. (Pause). Klar?“, das wäre ein hübscher vertikaler Konter.

Ich hätte aber gar keine Lust, mich auf diese Spielchen einzulassen.

Das höre ich  oft von Frauen und genau hier liegt das Problem. Wenn Sie im Zug fahren, können Sie ja auch nicht sagen: Ich fahr' gerade nicht mit. Sie kommunizieren immer, ob Sie wollen oder nicht. Und damit wirken Sie auch immer. Viele Frauen trauen sich nicht, mitzuspielen, weil sie denken: Wenn ich  genauso reagiere, denkt der Kollege, ich sei eine Bitch. Fragt man  Männer, die schon mal mit einer ähnlichen Reaktion konfrontiert wurden, wie sie diese Kollegin einschätzen, sagen sie meist: cool und kompetent.

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Und das sagt mir was genau?

Dass Sie sich bestimmter nonverbaler Wirkweisen und Positionierungen bewusst sein und wissen sollten, wie Sie damit umgehen. Es geht nicht darum, dass Sie sich dann nicht authentisch verhalten, sondern dass Sie sich auf Augenhöhe begeben, indem sie dieses  Jahrtausende alte Spiel mitspielen. Es ist ein evolutionsbiologisches Klischee, an dem aber viel Wahres ist, dass das Paarungsverhalten von weiblicher Seite wie folgt abläuft: Die Frau kreuzt die Beine, hält die Hände davor, blinzelt den Mann an, um zu signalisieren: Beschütze mich! Doch die Männerstrategie im Business funktioniert genau andersherum: Da denkt der Kollege, wenn ihm eine Kollegin ähnliches signalisiert: Du machst Dich klein, ordnest Dich unter? Also willst Du geschlagen werden – im übertragenen Sinne, versteht sich. Viele dieser Tiefstatussignale werden als minderes Selbstbewusstsein oder als Unterordnung  interpretiert, Hochstatussymbole dagegen als Dominanz und Selbstbewusstsein.

Sie behaupten, Selbstbewusstsein, Authentizität und Arroganz seien keine Eigenschaften sondern  Wirkungen...

In meinen Workshops frage ich oft, was Authentizität ist. Dann sagt meistens wer: Man selbst sein. Dann sage ich: Kommen Sie doch bitte auf die Bühne und seien Sie eine Minute Sie selbst. Geht nicht! Sie können nicht auf Kommando Sie selbst sein, Sie wissen ja gar nicht, wie das geht. Aber Sie können authentisch wirken. Ich glaube, es gibt zwei Arten von Selbstbewusstsein. Das eine, das ich spüre, wenn ich abends nach Hause komme und denke: Was bin ich doch für eine coole Socke! Was sich leider unfassbar schnell ändern kann, wenn  ich mich kurz darauf wie ein Würstchen fühle. Das gefühlte Selbstbewusstsein ist also sehr schwankend, im Gegensatz zu dem Selbstbewusstsein, von dem andere denken, das ich es hätte. Das ist erstaunlich  stabil und hat wenig mit dem Selbstbewusstsein zu tun, das ich fühle. Womit wir  bei der Macht der Wirkung wären.

Ich kann also lernen, authentisch zu wirken?

Ja klar, denn Authentizität entsteht nicht von alleine, Sie müssen sie aktiv herstellen, indem Sie zum Beispiel zu Beginn eines Vortrags etwas Persönliches erzählen, einen Blick auf Ihre Gefühlslage zulassen, den Inhalt aus einem persönlichen Erlebnis, einer Krisensituation heraus entwickeln. Auch gut: Nicht versuchen, perfekt zu sein. Machen Sie kurze Gedankenpausen, unterbrechen Sie sich selbst, erzählen Sie, was Ihnen spontan einfällt – oder tun Sie einfach so.

Warum brauchen Ihrer Meinung nach ausgerechnet Frauen Nachhilfe in Sachen Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen im Job?

Eigentlich müssten mehr Männer gecoacht werden, weil sie sich häufiger schlecht benehmen, breitbeinig in Konferenzen sitzen, ihre Kolleginnen unterbrechen und meinen, alles müsste nach ihren Regeln laufen. Wir wären erfolgreicher, wenn Männer mehr wie Frauen kommunizieren würden. Was vielen Frauen in diesem männerdominierten Business aber gut täte, wäre mehr Mut, ihren Kollegen kommunikationsmechanisch auf Augenhöhe zu begegnen und das Spiel gut gelaunt mitzuspielen, statt sich darüber aufzuregen.

Ein letzter Rat?

Nehmen Sie die Ernsthaftigkeit raus – und sich selbst! Denn es geht meist nicht um Sie, sondern um das Spiel.

Statussignale und ihre Wirkung

Unterwürfig, wenig selbstbewusst

Zusammengekauert, Zehenspitzen aneinander, Arme verschränkt, gesenkter Blick - So wirkt man unterwürfig und zeigt mangelndes Selbstbewusstsein.

Dominant und arrogant

Raumgreifender Sitz, breitbeinig mit einem Arm hinter der Stuhllehne und arrogantem Blick: So signalisiert man Dominanz und Arroganz. 

So ist's richtig

Aufrechter Sitz, Beine parallel nebeneinander, zugewandter Blick - So begegnet man seinen Kolleginnen und Kollegen sympathisch-professionell und  auf Augenhöhe!

In Severin von Hoensbroechs Führungskräfteseminaren geht es viel um Körpersprache und was sie über den Charakter verrät. Denn was der Köper tut, beeinflusst das Denken – und auch, wie man auf andere wirkt und von ihnen eingeschätzt wird. Auf diese Dinge sollten Sie achten: 

Körperhaltung

Ein aufrechter Sitz oder Stand und entspannte Schultern zeigen einen Hochstatus an; ein gebeugter Sitz oder Stand und hängende Schultern signalisieren einen Tiefstatus. 

Kopfhaltung

Sind Kopf und Kinn erhoben und bewegt sich der Kopf wenig beim Sprechen deutet das auf einen Hochstatus hin; ein gesenkter oder zur Seite gebeugter Kopf, der ständig in Bewegung ist dagegen lässt auf einen Tiefstatus schließen. 

Gesten

Eine raumgreifende, ausladende Gestik zeugt von einem Hochstatus; eng am Körper gehaltene Arme signalisieren wenig Selbstbewusstsein und Durchsetzungswillen.  

Blick

Ist der Blick offen, zugewandt mit viel Kontakt zur Umgebung, zeigt man damit Selbstbewusstsein und Dominanz; häufiges Blinzeln indes oder/und ausweichende Blicke signalisieren der Umgebung Unsicherheit und Unterwürfigkeit. 

Sitzposition

Wer breitbeinig auf dem Stuhl sitzt, dazu den Arm hinter der Lehne verschränkt oder beide Arme ausgebreitet hält, der zeigt damit Dominanz, Selbstbewusstsein, aber auch Arroganz. Zusammengekauert auf dem Stuhl zu sitzen, mit aneinander gehaltenen Zehenspitzen, und unter die Beine geschobenen Armen, der signalisiert: Ich ordne mich unter, traue mir wenig zu! 

Bewegungen

Langsame und durchdachte, also bewusste Bewegungen deuten auf einen Hochstatus hin; schnelle und ruckartige auf einen Tiefstatus – ebenso wie Nesteln an der Kleidung.

Sprechen

Wer langsam, angemessen laut, mit vollständigen Sätzen und vielen Pausen vor den Antworten spricht, der wirkt selbstbewusst und dominant. Atemloses, stockendes Sprechen, dazu leise und häufig verhaspelnd indes deutet auf einen Tiefstatus hin. 

Kontakt

Andere beiläufig zu berühren zeigt: Ich bin mir meiner sicher. Wer sich ständig ins Gesicht fassen, durch die Haare streicht oder Haarsträhnen hinter die Ohren schiebt, der scheint mit wenig Selbstbewusstsein ausgestattet zu sein.

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