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Stilkolumne„Der Muttertag sollte mehr sein als eine Alibi-Veranstaltung“

Lesezeit 4 Minuten
Zwei Kinder gratulieren zum Muttertag Getty Images

Ein paar Blumen und eine Umarmung zum Muttertag, reicht das?

  • Aber bitte mit Stil! In unserer Kolumne „Wie geht’s?“ dreht sich alles um das richtige Verhalten. Ob bei offiziellen Anlässen, beim Essen, im Gespräch oder vor dem Kleiderschrank.
  • Protokollchefin i.R. Ingeborg Arians, Modeexpertin Eva Reik, Restaurant-Chef Vincent Moissonnier sowie Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch schreiben abwechselnd über das richtige und stilvolle Auftreten.
  • In dieser Folge erklärt Ingeborg Arians, wie man den Muttertag sinnvoll nutzen kann.

Köln – Am 9. Mai ist Muttertag. Anlass genug, diesen Gedenktag – gern belächelt, oft geschmäht, aber immer noch von vielen begangen – einmal unter die Lupe zu nehmen. Die Mythen von der Erfindung des Muttertags durch die Nazis oder den modernen Einzelhandel mit Floristen, Konditoren und Parfümerien lasse ich mal beiseite.

Gräbt man nach den historischen Wurzeln des heutigen Muttertags, stößt man auf die US-amerikanische Frauenbewegung im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert: Der Muttertag sollte den Frauen eine Plattform bieten, sich auszutauschen, zum Beispiel über mehr Frauenrechte oder bessere Bildungschancen. Ich finde, das ist ein guter Gedankenanstoß für die Gegenwart.

Zur Person

Foto: Michael Bause

Alles zum Thema Henriette Reker

Ingeborg Arians, geboren 1954, hat Sprachen und Volkswirtschaftslehre studiert und ist Dipl.-Übersetzerin für Französisch, Spanisch und Englisch. Von 1986 bis 2019 war sie Leiterin der Abteilung Repräsentation und Protokoll im Amt der Oberbürgermeisterin der Stadt Köln. In dieser Zeit arbeitete sie für insgesamt vier Oberbürgermeister und die amtierende OB Henriette Reker.

Eigentlich erscheint mir der Muttertag als Anlass für eine konstruktive Diskussion über die Gleichberechtigung der Geschlechter besser geeignet als der Weltfrauentag. Warum? Weil die Familie in den Blick kommt und damit alle, die mit der Verteilung von Rechten und Pflichten im Alltag zu tun haben: Männer und Frauen, Kinder und Eltern, Großeltern und Enkel, Alleinerziehende und Witwen…

Auf jeden Fall sollten wir den Muttertag als Alibi-Veranstaltung mit üppigen Geschenken für die „liebe Mama“ verabschieden. Ich las, 2019 hätten die Deutschen 850 Millionen Euro für Muttertagspräsente ausgegeben. Je üppiger die Geschenke, desto größer der Dank? Das wohl nicht. Einige Mütter sagten mir, dass die Geschenke von Mann und Kindern einen schalen Beigeschmack auslösten. Einerseits seien sie gerührt, andererseits dächten sie: Und jetzt? Freikauf für die restlichen 364 Tage des Jahres?

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Beanspruchung und Überforderung vieler Frauen im Spagat zwischen Familie und Beruf sind kein privates Problem. Die Ursache liegt in den gesellschaftlichen und ökonomischen Strukturen. Die Pandemie, die einen Rückfall in überwunden geglaubte Rollenbilder und Familienstrukturen begünstigt, hat das in ein grelles Licht gerückt. Darauf müsste sich gerade am Muttertag der Blick richten – angefangen in der Familie. Sie ist ein entscheidendes Lernfeld, gerade jetzt in der Pandemie, in der wir sehr viel Zeit zu Hause verbringen. Aber wie? Indem wir uns bewusst machen, dass die Sorgearbeit in unserer Gesellschaft in jeder Hinsicht unterbewertet ist, im wörtlichen Sinne – Stichwort Bezahlung – und im übertragenen Sinne im Hinblick auf Anerkennung und Wertschätzung. Auch die Arbeit für die Familie und den Haushalt verdient ganzjährig Respekt.

Konkret geht es darum, die vermeintliche Allzuständigkeit der Mutter hinter sich zu lassen. Es geht um eine gerechtere Lastenverteilung im Alltag und um mehr Solidarität aller Familienmitglieder untereinander. Ein Lösungsansatz kann ein Zehn-Punkte-Plan für die Familie sein, in dem für jedes Mitglied bestimmte Aufgaben zur selbstverständlichen Erledigung vorgesehen sind, von denen die Mutter bislang das Gefühl hatte, sie müsste ständig aufs Neue darum bitten.

„Wie geht’s?“

In unserer Kolumne beantworten vier Experten abwechselnd in der Zeitung Ihre Fragen zum stilsicheren Auftreten in allen Lebenslagen. Ingeborg Arians, Protokollchefin der Stadt Köln a.D., weiß, wie man sich bei offiziellen Anlässen richtig verhält. Journalistin Eva Reik kennt sich bestens aus mit Mode und der passenden Kleidung zu jeder Gelegenheit. Vincent Moissonnier, Chef des gleichnamigen Kölner Restaurants, hat die perfekten Tipps zu Tischmanieren ohne Etepetete. Und Anatol Stefanowitsch, Professor für Sprachwissenschaft, sagt, wie wir mit Sorgfalt, aber ohne Krampf kommunizieren. (jf)

Senden Sie uns Ihre Fragen bitte per Mail an: Stilkolumne@dumont.de

Wichtig ist darüber hinaus, dass sich das Gefühl der Zuständigkeit nicht in der punktuellen Erledigung von Einzelaufgaben erschöpft, sondern dass das große Ganze im Blick bleibt. Überprüfen Sie gemeinsam Abläufe in Ihrem Familienalltag und sorgen Sie für eine dauerhafte Verteilung! Anstelle der beliebten Ausflucht „Ach, du kannst das doch viel besser“ sollte „Übung macht den Meister“ gelten.

Am Muttertag sollten an erster Stelle die Wünsche stehen, die die Mütter an die Väter, an ihre Männer oder Partner, an die Kinder haben. Wenn denen dann zusätzlich noch ein Geschenk einfällt, gern! Zuhören, schenken, danken und denken – so kann dieser Tag ein Feiertag werden.

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