StilkolumneDie Rückkehr des halben Handschuhs – Zwiebellook bis in die Fingerspitzen

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Abgeschnittene Handschuhe werden diesen Winter das Top-Accessoire in zugigen Klassenzimmern, Großraumbüros und in der Außengastronomie.

  • Aber bitte mit Stil! In unserer Kolumne „Wie geht’s?“ dreht sich alles um das richtige Verhalten. Ob bei offiziellen Anlässen, beim Essen, im Gespräch oder vor dem Kleiderschrank
  • Protokollchefin i.R. Ingeborg Arians, Redakteurin und Modeexpertin Eva Reik, Restaurant-Chef Vincent Moissonnier sowie Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch schreiben abwechselnd über das richtige und stilvolle Auftreten
  • In dieser Woche: Das Anziehen muss bei aufgerissenen Fenstern neu gedacht werden. Die richtigen Stellen wärmen diesen Winter.

Köln – Eigentlich ist vom Zwiebellook schon seit Jahren nicht mehr die Rede. Der Ausdruck Zwiebellook wurde einfach durch „Layering“ ersetzt, was gar nicht schlimm ist, sondern nur Englisch, und dasselbe Drunter und Drüber beschreibt.

Den Zwiebellook eben. Sich Schicht für Schicht in wärmende Hüllen zu schmiegen, statt am Morgen, noch bevor man überhaupt in der frischen Luft war, gleich den – sagen wir mal – sechsfädigen Kaschmirpullover überzustreifen. Um dann, einmal vor der Tür, feststellen zu müssen, dass es empfindlich zu warm ist für den dicksten Strick. Nicht erst beim Betreten von Kaufhaus oder Büro bricht dann der Schweiß aus, sondern schon  bei geringstem Einsatz von Muskelkraft – Öffnen des Portmonnaies  zum Beispiel oder Anlegen der Hundeleine. Rippenbögen abwärts herrschen so im Nu tropische Verhältnisse. Dafür muss man wissen, dass Kaschmirziegen in den kargsten und auch kältesten Gegenenden sehr gut überleben. Ihr Fell sogar noch schöner und flauschiger wird, je öder und eisiger die Gegend ist.

Wir Menschen haben also über die Jahre gelernt, dass es fürs Körperklima besser ist, Hemdchen, T-Shirt, langärmeliges T-Shirt, Pullover eins (Baumwolle), Pullover zwei (Wolle) und Daunenmantel im Plumeau-Format überzustreifen, derer man sich Schicht um Schicht auch wieder entledigen kann. Und nach dem dicken Kaschmir greifen wir wirklich erst, wenn die Temperaturen deutlich unter Null festgefroren sind.

Von den Kindern lernen

So war es bislang. Aber auch dieses fundamentale und über Jahre antrainierte Wissen muss in der kommenden Kältesaison überdacht werden: In einem Herbst und Winter, in denen Schocklüften ganz neue Qualitäten haben wird, beziehungsweise wir in ein paar Wochen schockgefrostet im Großraum-Dauerdurchzug sitzen werden.

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Lernen wir einmal mehr von den Kindern, die wir nicht nur in Sachen Unbeschwertheit und Freude viel öfter als Vorbilder  heranziehen sollten, sondern die uns auch in praktischer Intelligenz häufig weit überlegen sind. Seit Wochen zeigen sie nun schon wie’s geht – das Überleben in zugigen Klassenzimmern bei weit aufgerissenen Fenstern. Sie tragen  von morgens acht bis mittags eins Jacke, Mütze, Schal – ununterbrochen, ohne zu jammern.

Halber Handschuh in Bordeaux

Das ist fürs Körperklima vielleicht nicht ideal, aber ganz schön schlau. Denn mit der Kopfwärme verhält es sich ähnlich wie bei wollener Fußwärme: Sie strahlt aus. Womit wir bei den Fingern wären, einem weiteren äußerst empfindlichen Körperteil verfrorener Wesen. Diesen Winter sollte man den Händen besonders viel Aufmerksamkeit schenken, weil sie nämlich nicht nur draußen, sondern auch drinnen klamm werden. Die Lösung: halbe Handschuhe. Jene sind gemeint, die nur bis zum zweiten Fingergelenk Strick bieten, die -spitzen und -kuppen hingegen frei legen. Das Modell der Maroniverkäufer und Marktfrauen. Diese werden als Top-Accessoire in Großraumbüros,  Klassenzimmer und Außengastronomie  einziehen, weil sich damit immer noch Tastaturen bedienen, Füller, Kleingeld, Kölschgläser halten lassen. 

„Wie geht’s?“

In unserer Kolumne beantworten vier Experten abwechselnd in der Zeitung Ihre Fragen zum stilsicheren Auftreten in allen Lebenslagen. Ingeborg Arians, Protokollchefin der Stadt Köln a.D., weiß, wie man sich bei offiziellen Anlässen richtig verhält. Journalistin Eva Reik kennt sich bestens aus mit Mode und der passenden Kleidung zu jeder Gelegenheit. Vincent Moissonnier, Chef des gleichnamigen Kölner Restaurants, hat die perfekten Tipps zu Tischmanieren ohne Etepetete. Und Anatol Stefanowitsch, Professor für Sprachwissenschaft, sagt, wie wir mit Sorgfalt, aber ohne Krampf kommunizieren. (jf)

Senden Sie uns Ihre Fragen bitte per Mail an: Stilkolumne@dumont.de

Notorische Bedenkenträger werden nun an die Erfrierungsgefahr der Fingerspitzen erinnern, Fans hingegen auf die vom Puls her ausgestrahlte Wärme verweisen, ähnlich der Wollfüße.

Wie das alles aussieht, sollte noch geklärt werden. Profis empfehlen bei all dem Drunter und Drüber auf die Proportionen und eine monochrome Farbwahl zu achten, damit aus dem lässigen Drunter und Drüber kein wahlloses Durcheinander wird.  Für diesen Winter gilt dann: Bordeauxrot – fast bis an die Fingerspitzen.

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