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StilkolumneKann ich auch Monate später noch einen Beileidsbrief schreiben?

Lesezeit 4 Minuten
Symbolbild Beileidsbrief

Einen Beileidsbrief zu verfassen ist oft nicht einfach.

  • Aber bitte mit Stil! In unserer Kolumne „Wie geht’s?“ dreht sich alles um das richtige Verhalten. Ob bei offiziellen Anlässen, beim Essen, im Gespräch oder vor dem Kleiderschrank.
  • Protokollchefin i.R. Ingeborg Arians, Modeexpertin Eva Reik, Restaurant-Chef Vincent Moissonnier sowie Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch schreiben abwechselnd über das richtige und stilvolle Auftreten.
  • Diesmal erklärt Ingeborg Arians, ob man ein Beileids- oder Glückwunschschreiben auch noch Monate zu spät verschicken kann.

Köln – Meine Tante ist vor zwei Jahren bei einem Unfall ums Leben gekommen. Es war alles recht dramatisch. Ich war auf der Beerdigung und habe meinem Onkel natürlich mein Beileid ausgedrückt. Was ich bis heute nicht geschafft habe, ist, ihm einen persönlichen Beileidsbrief zu schreiben. Kann man das auch nach so langer Zeit nachholen? Und wenn ja, wie? Charlotte S., 43 Jahre

Generell gilt: Für einen persönlichen Brief ist es nie zu spät. Ein solches Schreiben ist immer ein Zeichen der Wertschätzung, des familiären Zusammenhalts, der Freundschaft, der kollegialen oder nachbarschaftlichen Sympathie. Kurz: der menschlichen Verbundenheit. Und auch wenn der zeitliche Abstand zu einem – wie in Ihrem Fall – traurigen, aber auch zu einem besonderen positiven Ereignis größer wird, so behält dieses selbst doch seine einschneidende Bedeutung.

Zur Person

Foto: Michael Bause

Ingeborg Arians, geboren 1954, hat Sprachen und Volkswirtschaftslehre studiert und ist Dipl.-Übersetzerin für Französisch, Spanisch und Englisch. Von 1986 bis 2019 war sie Leiterin der Abteilung Repräsentation und Protokoll im Amt der Oberbürgermeisterin der Stadt Köln. In dieser Zeit arbeitete sie für insgesamt vier Oberbürgermeister und die amtierende OB Henriette Reker.

Ich nehme als Beispiel einen Krankenhaus-Aufenthalt. Es ist eine angenehme Überraschung, wenn der (dann schon entlassene) Patient noch einen Brief bekommt, in dem steht: „Wie schön, dass ich Dir diese Zeilen wieder nach Hause schicken kann!“ Auch nach der Geburt eines Kindes freuen sich die Eltern über späte Glückwünsche. Ihr Sohn oder ihre Tochter ist auch dann immer noch klein.

Am schwierigsten stellt sich das Nachholen bei wiederkehrenden, absehbaren Ereignissen dar. Stichwort: runder Geburtstag. Wenn die Jubilarin, die im Juli 70 geworden ist, im Dezember einen Gratulationsbrief erhält, wirkt das leicht komisch. Da ist das neue Lebensjahr dann ja schon fast zur Hälfte vorüber.

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Etwas anderes ist es mit punktuellen, einmaligen Anlässen wie einer Hochzeit, einem bestandenen Examen, einer wichtigen beruflichen Veränderung oder dem Abschied aus dem Berufsleben. Allesamt haben solche Ereignisse die erwähnte einschneidende Qualität. Und da verschlägt es nichts, wenn Sie den Betreffenden noch mit Wochen oder Monaten Abstand etwas Nettes schreiben: „Ich hatte um den Tag XY herum sehr viel zu tun, und ich fand, Du hast zu diesem Anlass mehr verdient als nur einen Zweizeiler. Deshalb also erst jetzt…“ So könnte ein Brief beginnen, der tatsächlich mehr Substanz und persönlichen Bezug hat als der eilig hingeworfene Gruß zum eigentlichen Termin.

Überhaupt empfehle ich einen besonderen Einstieg in ein verspätet abgefasstes Schreiben. Damit meine ich ausdrücklich nicht eine wortreiche Entschuldigung, bei der den Adressaten die Pein aufseiten des Verfassers förmlich anspringt und sich als Negativ-Stimmung auf ihn überträgt. Viel besser ist doch zum Beispiel die Erklärung, warum gerade jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, zur Feder oder zum Stift zu greifen. Apropos: Handschriftlich verfassen sollte man so einen Brief unbedingt, es sei denn, die eigene Handschrift ist so unleserlich, dass man sie über mehr als drei Zeilen hinweg niemandem zumuten mag.

„Wie geht’s?“

In unserer Kolumne beantworten vier Experten abwechselnd in der Zeitung Ihre Fragen zum stilsicheren Auftreten in allen Lebenslagen. Ingeborg Arians, Protokollchefin der Stadt Köln a.D., weiß, wie man sich bei offiziellen Anlässen richtig verhält. Journalistin Eva Reik kennt sich bestens aus mit Mode und der passenden Kleidung zu jeder Gelegenheit. Vincent Moissonnier, Chef des gleichnamigen Kölner Restaurants, hat die perfekten Tipps zu Tischmanieren ohne Etepetete. Und Anatol Stefanowitsch, Professor für Sprachwissenschaft, sagt, wie wir mit Sorgfalt, aber ohne Krampf kommunizieren. (jf)

Senden Sie uns Ihre Fragen bitte per Mail an: Stilkolumne@dumont.de

Ein guter Anlass könnte in dem von Ihnen geschilderten Fall der Jahrestag des tödlichen Unfalls Ihrer Tante sein – oder der Beisetzung. Umgekehrt käme auch der Geburtstag Ihrer Tante oder ein anderer Jahrestag in Frage, dessen sich Ihr Onkel oder Sie beide gemeinsam gern erinnern. Auch damit signalisieren Sie, worauf es entscheidend ankommt: Ihre Verbundenheit und Wertschätzung.

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