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StilkolumneKann ich deutsche Namen für polnische Städte verwenden?

Lesezeit 3 Minuten
Symbolbild Grenzübergang Polen Deutschland

Ein polnischer Grenzpfahl auf Usedom

  • Aber bitte mit Stil! In unserer Kolumne „Wie geht’s?“ dreht sich alles um das richtige Verhalten. Ob bei offiziellen Anlässen, beim Essen, im Gespräch oder vor dem Kleiderschrank.
  • Protokollchefin i.R. Ingeborg Arians, Modeexpertin Eva Reik, Restaurant-Chef Vincent Moissonnier sowie Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch schreiben abwechselnd über das richtige und stilvolle Auftreten.
  • Diesmal erklärt Anatol Stefanowitsch, ob es in Ordnung ist, deutsche Bezeichnungen anstatt der Originalnamen zu verwenden, wenn es um polnische Städte geht.

Köln – Meine Vorfahren stammen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten und wenn wir über Polen reden, verwenden wir selbstverständlich deutsche Ortsnamen wie Stettin, Danzig oder Breslau. Mein Schwiegersohn, der keine Verbindungen in diese Region hat, beschwert sich immer darüber und möchte, dass wir die polnischen Namen verwenden. Dabei würde ich mir aber albern vorkommen.

Mit ausländischen Ortsnamen ist es eine merkwürdige Sache: Manchmal haben wir im Deutschen eigene Versionen, manchmal nicht. Ersteres ist eher dann der Fall, wenn der Name im Deutschen häufig fällt — meist nur bei Hauptstädten. So sprechen wir zum Beispiel Paris und London so aus, wie man sie im Deutschen lesen würde, und nicht französisch „Pa-rih“ und englisch „Lan-den“. Das weniger prominente Marseille dagegen sprechen wir französisch „Mar-cej“ aus, nicht deutsch „Mar-sai-le“, und die regionale Hauptstadt Edinburgh nennen wir englisch „E-din-bo-ro“ statt „E-din-burg“, obwohl Letzteres sogar der offizielle deutsche Name ist.

Wo eine etablierte deutsche Alternative existiert, wäre es tatsächlich etwas albern, das fremdsprachige Original zu verwenden. Hier stimme ich Ihnen zu. Bei Ländernamen handhaben wir es ja auch so. Kaum jemand würde von einem Urlaub in „Frongs“ oder „Grejt Briten“ erzählen, sondern selbstverständlich von „Frankreich“ und „Großbritannien“ sprechen.

Deutsche Namen für polnische Städte – lange ein bedrohlicher Beiklang

Der Fall polnischer und deutscher Ortsnamen in den nach dem Ersten bzw. Zweiten Weltkrieg von Polen übernommenen ehemaligen Ostgebieten des Deutschen Reichs ist aber etwas komplizierter. Solange die Vertriebenenverbände in Deutschland einen politischen und kulturellen Einfluss hatten und die Bundesrepublik die Westgrenze Polens nicht endgültig anerkannt hatte, konnte die Verwendung deutscher Ortsnamen wie Stettin, Breslau oder Danzig einen gewissen bedrohlichen Beiklang haben: Es stand immer die Frage im Raum, ob diejenigen, die diese Namen verwendeten, damit eventuell den Wunsch signalisierten, Szczecin, Wrocław und Gdańsk mögen irgendwann wieder zu Deutschland gehören.

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Heute ist die Situation aber eine andere. Mit der endgültigen Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze im Zuge der deutschen Wiedervereinigung und der gemeinsamen europäischen Erfahrungen jüngerer Generationen in Polen und Deutschland dürfte nur noch ein geringer Teil der Deutschen Zweifel daran haben, dass die betreffenden Regionen endgültig zu Polen gehören.

Polnische Städte nennen sich selbst mit deutschen Namen

Solange das so bleibt, sind auch die deutschen Ortsnamen frei vom Beiklang ewig gestriger Besitzansprüche und können ohne große Bedenken verwendet werden. Das tun übrigens auch viele der betreffenden Städte selbst in ihren deutschsprachigen Veröffentlichungen — sehen Sie im Zweifelsfall dort nach, denn grundsätzlich gilt natürlich auch bei Ortsnamen, dass die Angesprochenen sich auch tatsächlich angesprochen fühlen sollen.

Ich vermute, dass die Benennung dieser Orte sich mit der Zeit normalisieren wird. Orte, über die wir häufig reden, werden ihre deutschen Namen behalten. Bei Orten, über die wir seltener sprechen, wird sich dagegen irgendwann auch im Deutschen der polnische Name durchsetzen.

„Wie geht’s?“

In unserer Kolumne beantworten vier Experten abwechselnd in der Zeitung Ihre Fragen zum stilsicheren Auftreten in allen Lebenslagen. Ingeborg Arians, Protokollchefin der Stadt Köln a.D., weiß, wie man sich bei offiziellen Anlässen richtig verhält. Journalistin Eva Reik kennt sich bestens aus mit Mode und der passenden Kleidung zu jeder Gelegenheit. Vincent Moissonnier, Chef des gleichnamigen Kölner Restaurants, hat die perfekten Tipps zu Tischmanieren ohne Etepetete. Und Anatol Stefanowitsch, Professor für Sprachwissenschaft, sagt, wie wir mit Sorgfalt, aber ohne Krampf kommunizieren. (jf)

Senden Sie uns Ihre Fragen bitte per Mail an: Stilkolumne@dumont.de

Sie müssen sich also nicht schlecht fühlen, wenn Sie die Ihnen vertrauen Ortsnamen verwenden, aber Sie sollten Verständnis haben, wenn sich jemand um historische Eindeutigkeit bemüht und lieber durchgängig bei den polnischen Namen bleibt — mit Pluspunkten für eine gelungene Aussprache, die uns deutschen Muttersprachlichen etwas Übung abverlangt.

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