StilkolumneWeg mit den Dreiviertelhosen – sie kleiden niemand!

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Bitte lieber Männer, keine Dreiviertelhosen mehr! 

  • Aber bitte mit Stil! In unserer Kolumne „Wie geht’s?“ dreht sich alles um das richtige Verhalten. Ob bei offiziellen Anlässen, beim Essen, im Gespräch oder vor dem Kleiderschrank.
  • Protokollchefin i.R. Ingeborg Arians, Modeexpertin Eva Reik, Restaurant-Chef Vincent Moissonnier sowie Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch schreiben abwechselnd über das richtige und stilvolle Auftreten.
  • In dieser Woche schreibt Eva Reik über ein Kleidungsstück, das nicht kaputt gehen will, aber dringend sollte.

Köln – Kürzlich sagte meine Freundin, ihre Kleider zerfielen in Stücke. „… fall into pieces“, so war der Wortlaut, sie ist Engländerin. Auch die Garderobe ihres Mannes und ihres Sohnes zerfalle in Stücke. Als ich das nächste Mal Wäsche aufhängte, sah ich: Hier das gleiche Drama! Kein Pyjama, keine Jeans, kein T-Shirt ohne Löcher, zerschlissene Säume, abgewetzte Hosenbeine, leierndes Gummiband. Für gewöhnlich nicht mein Style. Aber was ist schon gewöhnlich, seit 15 Monaten?

Kaputte Klamotten: Macht endlich die Geschäfte auf!

Der abgerissene Zustand meiner Garderobe hat natürlich mit der Pest 2.0 zu tun. Wenn man ohnehin nicht zu den konsumfreundlichsten Menschen gehört und Internetbestellungen mit nervenaufreibenden Rücksendeprozessen grundsätzlich verweigert, dann sieht man mittlerweile aus wie meine Freundin und ich: abgerissen. Die Klamotten: kaputt. Macht endlich die Geschäfte auf!

Aber Corona ist das eine, dieser bis vor kurzem – und gefühlt, drei Jahre – anhaltende Winter war das andere. Wollmäntel sind mittlerweile dünn wie Papier, und jeder Strickärmel gibt die Sicht auf Ellenbogen frei. Denn rigoroses Umdrehen des Kleiderschrankinhalts – eine sonst jährliche Begleiterscheinung der Ostertage – Winter nach hinten/unten, Sommer nach vorne/oben – ließ in diesem Jahr lange auf sich warten. Wer braucht greifbar flatternde Kleidchen bei acht Grad und Regen? Noch fünfmal tragen, dann zerfällt auch der Wollmantel.

Aber jetzt scheint der Moment gekommen. Das Kleiderschrankumdrehen findet nun mal in jedem Haushalt mit zu wenig Platz statt, wo nicht säuberlich nach Saisons geordnet wird und die Schränke nicht begehbar sind. Dann kommen alljährlich Dinge hervor, die einfach nicht kaputt gehen wollen, aber dringend sollten. Dreiviertelhosen zum Beispiel.

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Auch wenn sie von vielen Männern und sogar von Frauen zum Lieblingskleidungsstück des Sommers erklärt und entsprechend häufig getragen werden, sind sie offenbar unzerstörbar. Noch nicht mal Motten interessieren sich dafür. Werden die Teile überhaupt noch hergestellt? Ich weiß es nicht. Es hat ja kein Laden auf.

Aber das ist auch nicht die Frage. Die Frage ist, warum sie seit nun mehr 20 Jahren Begeisterung auslösen. Weil sie für eine so wadenbeinumspielende Luftigkeit sorgen? Weil sie so gut zu den Sandalen mit Klettverschluss passen? Oder weil sie sich am Bund wie am Hosenbein mit einem Gummizug justieren lassen? Womöglich lösen sie diesen Sommer einen neuen Hype aus, weil sie das eine und andere Corona-Kilo einfach schlucken, als wäre nichts geschehen. Allerdings stören sie bei Freizeitaktivitäten in wunderschöner Natur oder der Besichtigung südeuropäischer Renaissancestädte besonders häufig das Gesamtbild.

„Wie geht’s?“

In unserer Kolumne beantworten vier Experten abwechselnd in der Zeitung Ihre Fragen zum stilsicheren Auftreten in allen Lebenslagen. Ingeborg Arians, Protokollchefin der Stadt Köln a.D., weiß, wie man sich bei offiziellen Anlässen richtig verhält. Journalistin Eva Reik kennt sich bestens aus mit Mode und der passenden Kleidung zu jeder Gelegenheit. Vincent Moissonnier, Chef des gleichnamigen Kölner Restaurants, hat die perfekten Tipps zu Tischmanieren ohne Etepetete. Und Anatol Stefanowitsch, Professor für Sprachwissenschaft, sagt, wie wir mit Sorgfalt, aber ohne Krampf kommunizieren. (jf)

Senden Sie uns Ihre Fragen bitte per Mail an: Stilkolumne@dumont.de

Sollten also beim Schrankumdrehen derartige Hosen hervorkommen – weg damit! Nicht in den Altkleidersack, sondern auf direktem Weg in den Mülleimer. Sie kleiden niemanden. Nicht Männer, nicht Frauen und auch keine unschuldigen Kinder, die am Geschmack noch feilen. Diese Hosen sind seit 20 Jahren hässlich. Sie sind das wiederkehrende Grauen. Dass sie für Frauen seit ein paar Jahren „Culottes“ heißen, macht sie auch nicht besser. Und stattdessen? Ganz einfach: für Männer Bermuda mit Hemd, für Frauen Midiröcke. Luftig von unten und vorzeigbar in Stadt und Natur.

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