Mit Beispiel-RechnungenWie Sie ohne Abschlag mit 63 in Rente gehen können

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Renter im Cabrio Getty Images

Mit einer guten Rente lässt sich das Leben im Ruhestand genießen.

Köln/Berlin – Mit 63 in Rente gehen, ohne Abschläge? Das geht – immer mehr Menschen entscheiden sich für diese Option. Die gesetzliche Rente fällt niedrig aus? Auch in den Jahren vor Renteneintritt lässt sie sich noch deutlich erhöhen. Wir erklären hilfreiche Tricks für die gesetzliche Rente und wie Versicherte von ihnen profitieren. Zwei Experten für Finanzen und Verbraucherschutz verraten außerdem, für wen es sich besonders lohnt, freiwillig Beiträge einzuzahlen, was es zu beachten gilt und auch, wem sie abraten.

1. „Spätrentner“ bekommen mehr

Die unattraktive Variante vorweg: Wer später Rente bezieht als vorgesehen, bekommt mehr Geld. „Nehme ich meine Altersrente erst nach dem regulären Renteneintritt in Anspruch, erhöht sich diese jeweils um 0,5 Prozent für jeden Monat des späteren Rentenbeginns“, erklärt Dirk von der Heide, Sprecher der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund. Das sind sechs Prozent pro Jahr. Wichtig: Das heißt nicht automatisch, dass jemand auch länger arbeiten muss. Versicherte beziehen ihre Rente dann aber erst später. Die Zeit ohne Einkommen müssen sie finanziell überbrücken können. Falls jemand weiterhin arbeitet, steigt die Rente zusätzlich. 

Gehen Versicherte ein Jahr später in Rente als vorgesehen, steigt ihre Bruttorente dauerhaft um sechs Prozent. Eine monatliche Rente von 1200 Euro ließe sich so auf 1272 Euro erhöhen. Eine Rente von 800 Euro würde zwei Jahre später knapp 100 Euro höher ausfallen. Wird in dieser Zeit auch noch weitergearbeitet und in die Rentenkasse eingezahlt, steigt die erwartete Rente zusätzlich.

Was in der Theorie gut klingt, ist jedoch für viele praktisch keine Option. Zuletzt gingen die Versicherten der DRV im Schnitt mit 64,2 Jahren in Altersrente.

Rente erhöhen durch zusätzliche Einzahlung

Eine andere Möglichkeit, die Rente zu erhöhen: Wer eine höhere Summe zur Verfügung hat, kann sich überlegen, damit die gesetzliche Rente aufzustocken. Vorausgesetzt wird, dass Versicherte 50 Jahre oder älter sind und mindestens 35 Jahre gesetzlich rentenversichert waren.

Der Weg dorthin ist ein wenig umständlich: Für einen geplanten früheren Renteneintritt können die Versicherten eine Ausgleichszahlung leisten. Statt wirklich früher in den Ruhestand zu gehen, arbeiten sie aber regulär weiter, das dürfen sie. Die zusätzlichen Einzahlungen in die Rentenkasse erhöhen dann ihre monatliche Rente.

Ein Beispiel:

Bei einer Rente von 1200 Euro brutto im Monat könnte ich mit einer Einzahlung von 9.500 Euro entweder ein Jahr früher in Rente gehen, ohne Abschlag. Oder ich könnte meine Rente dauerhaft auf etwa 1243 Euro brutto im Monat erhöhen, das wären rund 520 Euro mehr im Jahr.

Auch wenn das undurchsichtige Verfahren anderes vermuten lässt, wird diese Option von der DRV akzeptiert und unterstützt. „Wenn statt eines früheren Renteneintritts der reguläre Renteneintritt wahrgenommen wird, erhöht sich die Rente um den Ausgleichsbetrag“, erklärt DRV-Sprecher von der Heide. Dazu kommen wiederum die Ansprüche aus der weiteren Beschäftigung. Es sei „für viele Versicherte sicher interessant, auf diesem Weg die spätere Altersrente bei regulärem Rentenbeginn dauerhaft zu erhöhen.“

Ein paar Beispiele:

5000 Euro Einzahlung Mit einer zusätzlichen Einzahlung von ungefähr 5000 Euro würde die monatliche Bruttorente um mindestens 21,60 Euro steigen. Versicherte bekämen dadurch etwa 260 Euro mehr Rente im Jahr.

10.000 Euro Einzahlung Die monatliche Bruttorente würde dauerhaft um etwa 43,20 Euro steigen, das wären pro Rentenjahr etwa 520 Euro mehr.

20.000 Euro Einzahlung Die gesetzliche Rente würde monatlich 86,40 Euro höher ausfallen, das sind 1.037 Euro mehr im Jahr.

50.000 Euro Einzahlung Die Bruttorente würde um 201,60 Euro im Monat steigen. Aufs Jahr gerechnet ein Plus von 2.420 Euro.

Mit einer zusätzlichen Einzahlung in die Rentenkasse lässt sich aber nicht nur die Rente erhöhen.

2. Früh in Rente gehen

Für alle ab dem Geburtenjahrgang 1964 wird das reguläre Renteneintrittsalter ab 67 Jahren gelten. Wer früher in Rente geht, bekommt weniger Geld – nicht nur weil dann weniger Jahre eingezahlt wurde. Den Versicherten werden zudem für jedes Jahr 3,6 Prozent von der Rente abgezogen. Bis zu vier Jahre lässt sich der Renteneintritt vorziehen; maximal sind es also 14,4 Prozent. Eine monatliche Brutto-Rente von 1000 Euro beispielsweise würde dauerhaft um 144 Euro gekürzt und auf 856 Euro sinken, wenn der oder die Versicherte schon mit 63 in Rente geht. Früher in Rente darf nur, wer mindestens 35 Jahre gesetzlich rentenversichert war, anrechenbar sind auch Zeiten der Kindererziehung oder der Pflege Angehöriger. Fast jeder vierte Altersrentner ging 2020 mit Abschlägen in den Ruhestand.

Es gibt aber auch die Möglichkeit, den Ruhestand früher zu beginnen, ohne deshalb auf Geld zu verzichten. Statt während der gesamten Rentenzeit monatlich weniger Geld zu bekommen, können Versicherte diesen Abschlag im Voraus ausgleichen. Sie zahlen einen hohen, meist fünfstelligen Betrag in die Rentenkasse ein (siehe Tabelle). Dafür beziehen sie schon früher Rente und erhalten trotzdem die vollen Bezüge. Zuletzt nutzten immer mehr Menschen diese Option: Waren es 2017 noch 11.000 Versicherte, steigt die Zahl stetig an bis auf 35.000 Versicherte im Jahr 2020.

Wie hoch die Ausgleichszahlung im Einzelfall ist, hängt maßgeblich von der monatlichen Bruttorente ab und davon, um welchen Zeitraum der Renteneintritt vorgezogen werden soll.

Zwei Beispiele:

1200 Euro Rente Bei einer voraussichtlichen Rente von 1200 Euro müssten 19.703,36 Euro eingezahlt werden, um abschlagsfrei zwei Jahre früher in Rente zu gehen. Mit Abschlag würde die Rente 1114 Euro betragen. Für die vollen vier Jahre wäre eine Ausgleichszahlung von 42.721,31 Euro nötig, um Abschläge von 172,80 Euro monatlich zu verhindern.

1600 Euro Rente Wird die monatliche Bruttorente 1600 Euro betragen, müsste der oder die Versicherte 12.645,03 Euro in die Rentenkasse einzahlen, um ohne Abschläge ein Jahr früher in den Ruhestand zu dürfen. Bei zweieinhalb Jahren wären es 32.384,37 Euro, um Abschläge von 144 Euro im Monat auszugleichen.

Wie viel es für Versicherte im Einzelnen wäre, kann die DRV im Beratungsgespräch ermitteln. Weitere Beispielwerte zeigt die Tabelle.

3. Zusätzliche Rente sichern

Auch wer bislang nicht viel mit der gesetzlichen Rente am Hut hatte, kann freiwillige Einzahlungen für die eigene Altersvorsorge nutzen, zum Beispiel durch monatliche Beiträge. „Einen großen Unterschied können manchmal schon kleine freiwillige Zahlungen machen“, sagt Martin Klotz vom Online-Ratgeber „Finanztip“.

Wartezeit erfüllen

Besonders profitieren könnten „alle, die aktuell nicht bei der DRV versichert sind, aber im Laufe der Zeit schon einige Jahre Rentenpunkte gesammelt haben“, sagt Klotz. Hier hilft ein Blick auf die bisherigen Versicherungszeiten, eine Übersicht stellt die DRV auf Antrag bereit.

„Um einen Anspruch auf eine gesetzliche Altersrente und andere Leistungen der Deutschen Rentenversicherung zu haben, muss ich insgesamt mindestens 60 Monate versicherungspflichtig gewesen sein“, erklärt Klotz. Auch Kindererziehung, Pflege von Angehörigen oder Ausbildungszeiten können Versicherte sich anrechnen lassen. „Liege ich knapp darunter, kann mir eine freiwillige Einzahlung eine lebenslange monatliche Rente in dreistelliger Höhe bescheren, die ich sonst nicht bekommen würde“, rät Klotz, bei „Finanztip“ zuständig für Altersvorsorge und Einkommenssicherung.

Selbstständige

Wer selbstständig ist, zahlt für gewöhnlich nicht in die gesetzliche Rentenversicherung ein. Aber auch für sie können freiwillige Einzahlungen Sinn machen, wenn sie bislang nicht für das Alter vorsorgen, erklärt Klotz. „Selbstständige sollten überlegen, ob sie freiwillig mit der gesetzlichen Rente oder privat vorsorgen wollen, um im Ruhestand über die Runden zu kommen.“ Durch freiwillige Einzahlungen können sie sich ebenfalls eine kleine gesetzliche Rente zusätzlich sichern.

Tipps, Risiken: Das Urteil der Experten

Momentan biete die DRV die attraktivste Möglichkeit für Menschen, die sich eine lebenslange Rente sichern wollen, erklärt Max Schmutzer, Experte für Altersvorsorge von Finanztest. Bei privaten Rentenversicherungen gebe es „selbst bei den günstigsten Angeboten deutlich weniger Rente für das eingezahlte Geld.“ Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung würden längerfristig mit zwei bis drei Prozent verzinst, bekräftigt der DRV-Sprecher Dirk von der Heide. Damit lägen sie „vielfach über der Rendite auf dem Kapitalmarkt.“

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Doch Vorsicht: Zwei Dinge sollte man immer bedenken, bevor man sein Geld in die gesetzliche Rentenversicherung steckt. Das Geld ist dann unwiederbringlich weg; der Versicherte kann nicht mehr darauf zugreifen. Und eine Einzahlung in die Rentenkasse ist immer auch eine Wette auf ein langes Leben. Erst nach ungefähr 20 Jahren Rentenbezug haben sich die hohen Einzahlungen gelohnt.

Für wen es sich lohnt

Alle, deren Rente noch nicht ausreicht, um ihre Fixkosten zu decken und die einmalig einen höheren Betrag anlegen können. Finanztest empfiehlt Verbrauchern, die Finanzen für die Rente so zu planen, dass sie ihre fixen monatlichen Ausgaben wie Miete, Versicherungen und Lebensmittel aus ihren monatlichen Renten zahlen können. Daher könne auch eine zusätzliche Einzahlung Sinn machen, erklärt Schmutzer. „Haben Sparer einen größeren Betrag auf der hohen Kante, etwa durch eine Erbschaft, aber noch keine ausreichend hohe Rente, dann wäre das eine lohnende Investition.“

Sein Tipp: Für Frauen lohne es sich eher als für Männer. „Sie werden im Durchschnitt älter.“ Viel wichtiger aber, sie könnten Versorgungslücken im Alter verringern, wenn sie eine zusätzliche Einzahlung leisten können.

Wem die Experten abraten

Wer sein Geld nicht ganz aus der Hand geben, sondern im Notfall noch darüber verfügen möchte, sollte lieber Abstand nehmen von freiwilligen Einzahlungen in die Rentenkasse. „Für Anleger, die ihr Geld im Alter flexibel nutzen wollen, Wert auf Renditechancen legen und auch mal größere Summen auf einem Schlag brauchen, ist eine Rentenversicherung die falsche Wahl“, fasst es Max Schmutzer von Finanztest zusammen.

Eine Rentenversicherung sei außerdem eine Absicherung für ein langes Leben. „Auch für Menschen mit schlechter Gesundheit ist eine Einzahlung nicht sinnvoll“, so der Finanztest-Redakteur. Man müsse ungefähr 20 Jahre Rente beziehen, damit man seine Einzahlung wieder „raus“ habe. „Bei einem frühen Tod in den ersten zehn bis 15 Jahren des Ruhestands hätte ich unter Umständen weniger Geld erhalten als ich eingezahlt habe“, ergänzt Klotz.

Experten empfehlen Beratungsgespräch

Einmal eingezahlt, kommen Versicherte nicht mehr an ihr Geld – das sollten sie sich bewusst machen. „Die geleisteten Einzahlungen können nicht erstattet werden und verbleiben im Versicherungskonto“, erklärt die DRV. Daher sollte dieser Schritt gut überlegt sein. In jedem Fall sei eine Beratung bei der DRV zu empfehlen, rät Martin Klotz von Finanztip – bevor man etwas entscheidet oder aktiv wird. „Da ich nach der Einzahlung nicht mehr auf das Kapital zugreifen kann, sollte ich nur Geld einsetzen, auf das ich verzichten kann“, rät Klotz.

Selbst wenn Versicherte versterben, bevor sie überhaupt Rente beziehen, „verbleibt die Einzahlung im Versicherungskonto der oder des Verstorbenen“, erklärt der DRV-Sprecher. Auch die Hinterbliebenen profitieren nur bedingt von der hohen Ausgleichszahlung. „Besteht ein Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente, so wirkt sich die Ausgleichszahlung in deren Rentenhöhe aus“, so die DRV.

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