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Zwischen Tod und BeerdigungWurde die Queen einbalsamiert und wie funktioniert das?

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Der Sarg von Königin Elizabeth II. ist in der Westminster Hall in London aufgebahrt. 

Köln – Der Tod der britischen Königin Elizabeth II. am 8. September hat weltweit große Bestürzung ausgelöst. Elf Tage nach ihrem Tod auf Schloss Balmoral in Schottland soll die Queen nun am Montag, 19. September, in der Familiengruft der St.-George-Kapelle auf dem Gelände von Schloss Windsor beigesetzt werden. Im Moment ist der Leichnam in der Westminster Hall in London aufgebahrt. Menschen stehen kilometerlang an, um sich von der Königin verabschieden zu können, es werden bis zu zwei Millionen Besucher erwartet. Zuvor war der Leichnam quer durch Großbritannien gefahren worden. Wie gelingt es, den Verwesungsprozess des Körpers so lange aufzuhalten? Zwischen dem Todestag und der Beerdigung liegen elf Tage. Es wird gemutmaßt, dass die Queen einbalsamiert wurde. Die Bestatterin Sarah Benz erklärt, was das genau bedeutet. 

Durch Einbalsamieren wird der Körper konserviert

Unmittelbar nach dem Tod setzen die ersten Verwesungsprozesse ein. Damit der Körper möglichst so aussieht wie lebendig und nicht anfängt zu riechen, muss er einbalsamiert werden. Was nach sanftem Eincremen klingt, ist in Wirklichkeit nicht ganz so appetitlich. 

Blut wird abgelassen und durch eine Lösung ersetzt

Die Einbalsamierung ist ein invasives Verfahren, durch das der Verwesungsprozess bei verstorbenen Menschen um eine gewisse Zeit hinausgezögert wird. Dabei wird meist im Halsbereich oder unterhalb des Schlüsselbeins eine Arterie frei präpariert. Anschließend wird mithilfe einer Pumpe eine Chemikalie in das arterielle System hinein gegeben. Gleichzeitig kann man über einen Zugang in das venöse System kontrolliert das Blut ableiten. Da die Verwesung im Unterleib beginnt, folgt meistens noch ein sogenanntes Cavity-Embalming. Dabei wird Flüssigkeit aus dem Brust- und Bauchraum herausgesaugt und eine stark desinfizierende Lösung hineingegeben. Je schneller das nach dem Ableben passiert, umso besser kann der Zustand des Körpers erhalten bleiben. 

Wurde die Queen einbalsamiert?

In Deutschland wird selten einbalsamiert. Es ist vorgeschrieben, wenn eine verstorbene Person per Flugzeug ins Ausland überführt wird. Es ist auch hilfreich, wenn man einen Körper nach schweren Unfällen rekonstruieren möchte, da es leichter ist, mit einbalsamiertem Gewebe zu arbeiten. Manchmal wird es auch gemacht, um den Trauerenden die Möglichkeit zu geben, möglichst lange von der Person Abschied zu nehmen, so wie jetzt bei der Queen. Ihr Sarg ist allerdings geschlossen, sie wird nicht gezeigt. 

Sarah Benz und ihre Sarggeschichten

Foto: Sarah Benz

Sarah Benz ist Bestatterin bei Thanatos-Bestattung in Berlin und arbeitet außerdem als Dozentin, Trauerbegleiterin und Notfallseelsorgerin. Sie ist die Gründerin des Kurzfilmprojektes „Sarggeschichten“ und dreht Youtube-Clips, um über Sterben, Bestattung und Trauer aufzuklären. Sie möchte damit Menschen Mut machen, ihre Abschiede selbstbestimmt zu gestalten. 

Die Filme finden Sie unter www.sarggeschichten.de

Ob die verstorbene Königin Elizabeth II. wirklich einbalsamiert wurde, lässt sich allerdings nur mutmaßen. „Ich denke, man kann davon ausgehen, dass die Queen auch einbalsamiert wurde“, sagt Sarah Benz, die in Berlin als Dozentin, Trauerbegleiterin, Notfallseelsorgerin und Bestatterin arbeitet. 

Einbalsamierung ist meist gar nicht nötig

Wenn ein Mensch stirbt, übernimmt im Normalfall der Bestatter oder die Bestatterin die hygienische Totenversorgung. Für die Einbalsamierung ist dann ein Thanatopraktiker zuständig. „In den USA wird etwa die Hälfte aller Verstorbenen einbalsamiert, leider, wie ich finde. Es ist für eine normale Aufbahrung absolut nicht nötig, aber es wird den Leuten oft als Bedingung für eine Totenwache verkauft“, sagt Sarah Benz. Sie selbst führt Einbalsamierungen nur in Notfällen und immer in Absprache mit den Zugehörigen aus, denn: „Wir wollen so sanft wie möglich mit den uns anvertrauten Verstorbenen umgehen.“ Bei normalen Abschiednahmen, wo der verstorbene Mensch ein bis drei Tage zu Hause oder in einem Bestattungsinstitut aufgebahrt wird, sei keine Einbalsamierung nötig. Nur wenn es sehr heiß ist, sei es sinnvoll, den Körper auf eine Kühlplatte oder in einen kühlen Raum zu legen.  

Es kann Trauernden helfen, die Veränderungen des Körpers zu sehen

Sarah Benz glaubt, dass es manchen Trauernden helfen kann, die langsamen Veränderungen des Körpers zu sehen und zu fühlen, um zu begreifen, dass der Mensch wirklich tot ist. „Die Haut wird langsam kühl und der Farbton kann sich verändern, die Person atmet nicht mehr und liegt ganz still. Sie zu waschen, anzukleiden und in den Sarg zu legen, kann guttun und wirkt sich oft positiv auf den Trauerprozess aus. In unserem Bestattungsinstitut machen wir das sehr oft und ich sehe, dass Zugehörige oft glücklich darüber sind, diese Erfahrung gemacht zu haben“, sagt sie. 

Einbalsamieren stammt aus dem US-Bürgerkrieg

Etabliert hat es sich das Einbalsamieren im US-Bürgerkrieg, damit es möglich war, die getöteten Soldaten in einem angemessenen Zustand zu ihren oft weit entfernten Familien zurückzuschicken. Zu Beginn wurde mit Arsen gearbeitet. Weil das aber so giftig war, dass oft die Einbalsamierer daran starben, ging man über zu Formaldehyd. Anfangs war die Konzentration viel zu stark, sodass viele Tote über Jahrzehnte kaum verwesten. Benz: „Mittlerweile benutzt man eine vier bis acht Prozent-Lösung, aber auch diese Flüssigkeit ist giftig, daher sind einbalsamierte Verstorbene auch ein Umweltrisiko, etwa für das Grundwasser.“

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