ErinnerungMeine Begegnung mit Michael Jackson

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Heal the world, make it a better place, lalalala: Jacko mit koreanischem Kinderchor. (Bild: afp)

Heal the world, make it a better place, lalalala: Jacko mit koreanischem Kinderchor. (Bild: afp)

Ina Henrichs: Meine Eltern haben daheim noch das Bett aus meinem Jugendzimmer stehen. Am Kopfende ein Aufkleber aus der Bravo, der sich vor 20 Jahren ins Birkenholz gefressen hat. Jacko nach der ersten Häutung: bleich, gelocktes Haar, kajalumschmierte Telleraugen. Ich habe nie versucht, den Sticker abzufummeln. Wir hatten auch außerhalb meines Bettes Blickkontakt, Michael Jackson und ich. Ganz kurz. 1988 in Gelsenkirchen. Es war mein erstes Konzert. 50.000 Zuschauer – und ich wühlte mich in die erste Reihe. Mein älterer Bruder sollte auf mich aufpassen und fluchte hinter mir her. Dann stand ich eingeklemmt zwischen schwitzigen Mädchenkörpern ganz vorne. Ich ertrug Kim Wilde im Vorprogramm und wurde feierlich still, als Michael Jackson sich materialisierte. Natürlich hat er mich angesehen. Sehr sicher, sogar. Ich schrieb am nächsten Tag meinen ersten Artikel – für die „Popcorn“. Er handelte eben von diesem Augenblick und wurde erfreulicherweise nie gedruckt.

Thorsten Keller: Als Michael Jackson im Sommer 1997 im Müngersdorfer Stadion seinen ungetrübt-naiven "Earth Song" darbietet, rollt eine Panzer-Attrappe auf die Bühne, und ein Soldaten-Statist erdreistet sich, den "King of Pop" mit vorgehaltener Flinte zu bedrohen. Jackson, der Friedensfürst von eigenen Gnaden, redet furchtlos auf den Uniformierten ein, und natürlich streckt der Mann wenig später die Waffen. Das Publikum staunt nicht schlecht: Weltrettung, Abrüstung, und alles hundert Prozent live! Selten so gelacht bei einem Popkonzert.

Christian Bos: Mit 18 war ich auf einem Michael-Jackson-Konzert im Münchner Olympiastadion ("Bad"-Tour). Meine jüngere Schwester hatte eine Karte, traute sich aber nicht hinzugehen, weil es im Stadion so voll war. Also habe ich die Freundin meiner Schwester, die nicht allein hingehen durfte, begleitet. Ich nahm ihr aber das Versprechen ab, niemandem zu erzählen, dass ich bei Michael Jackson war. Es war eines der besten Konzerte, die ich jemals gesehen habe.

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Jürgen Oehler: Dieser furchtbar peinliche Griff in den Schritt. Das Gesicht, die Nase - grauenvoll. Ich mochte Jackson nie sehen, aber hören. Einfach gigantisch. Wie konnte der Typ mit einer so piepsigen Stimme so gut singen? Eine CD habe ich mir selbst aber trotzdem nie gekauft. Ausnahme: meine Frau hat mal den "Earth Song" zum Geburtstag gekriegt.

Christian Löer:Ich war 13 Jahre alt, Michael Jackson spielte im Rahmen der "Bad"-Tour im Stadion und ich war gemeinsam mit meiner Mutter mit dem Fahrrad nach Müngersdorf gefahren, um von der Jahnwiese aus das Konzert zu hören. Als die ersten Lieder gespielt waren, brachen die Preise auf dem Schwarzmarkt zusammen - wir kauften zwei Karten für jeweils 10 Mark. Gut angelegtes Geld, denn nie wieder in meinem Leben bin ich derart gut unterhalten worden. Ein unfassbarer Performer, ein großartiger Sänger - eine Legende.

Kathrin Gemein: Michael Jacksons „Bad“ war in der dritten Klasse die erste Kassette, die ich mir selber aufgenommen habe. Wenn er bei dem Titelsong „Your Word Is Out“ gesungen hat, habe ich immer „Du blöde Sau“ verstanden und gekichert. Seitdem hat mich Jacko begleitet. Ich hatte eine dicke Mappe gesammelten Zeitungsschnipseln und habe verzweifelt versucht, den Moonwalk hinzukriegen. Als 1993 das legendäre Oprah-Winfrey-Interview von der Neverland Ranch mitten in der Nacht live ausgestrahlt wurde, habe ich den Wecker gestellt, um mir das heimlich anzugucken. Jedes Video der „Dangerous“ – von MTV damals jeweils mit großen Tam-Tam als „Weltpremiere“ gefeiert – wurde mit Spannung erwartet. Und das Konzert 1992 im Müngersdorfer Stadion war für mich als 13-Jährige das aufregendste, das ich bislang erlebt habe. Ich konnte es einfach nicht fassen, dass „er“ wirklich da vorne steht. Und schließlich mit einem Raketenrucksack aus der Arena fliegt (dass es nur ein Double war, war damals einfach unerheblich).

Claudia Hauser: Es war ein ganz normaler Kindergeburtstag, irgendwann in den 80er Jahren. Wir Mädchen tobten herum, stopften uns mit Süßigkeiten voll und Evas Mutter hatte schon die Tütchen fertig, die das Ende eines jeden Geburtstags einläuteten und in denen noch mehr Süßigkeiten waren. Auf einmal kam Evas große Schwester Angeliki mit einer Videokassette an und faselte irgendetwas vom „total abgefahren“ und „eigentlich verboten“. Sie hatte Michael Jacksons Video zu „Thriller“ von irgendjemandem ausgeliehen. Evas Eltern hatten einen Videorekorder, meine Eltern wussten zu diesem Zeitpunkt gar nicht, dass es so etwas gibt. Wir hockten im Schneidersitz vor dem Fernseher und Angeliki übersetzte uns, was Michael Jackson zu seiner Freundin sagt, während sie nach einem abgebrochenen Kinobesuch nach Hause gehen. Wir Kinder hörten schlagartig auf, herumzualbern, als sich die Särge im Video öffneten und unglaublich viele Zombies Michael und seine Freundin umzingelten. Es waren so viele! Und als Michael Jackson dann auf einmal ganz weiße Augen hat und so einen seltsamen Blick, seine Freundin verfolgt, oh Gott...Das Schlimmste war der Heimweg. Ich musste am Friedhof vorbei, was auch vor „Thriller“ immer schon mit einem bedrückenden Gefühl verbunden war. Jetzt wurde der Weg zum Albtraum. Und ich tat das einzig richtige: Ich rannte wie eine Verrückte den ganzen Weg nach Hause – ohne mich umzusehen. Ich hatte noch nie so etwas gruseliges gesehen wie dieses Video.

Miriam Betancourt: Meine Schwester war ein absoluter Michael-Jackson-Fan. „Beat it, beat it“ – dröhnte es immer aus dem Nebenzimmer. Thriller war leider auch nicht wirklich eine Erleichterung. Ob es die ständige Beschallung meiner Schwester war oder ob mich die Musik einfach nicht kriegte – ich weiß es nicht. Mir ist jedenfalls immer der Hype um Michael Jackson ein Rätsel geblieben. Leider hatte sich danach der Musikgeschmack meiner Schwester aus meiner Sicht auch nicht verbessert, sondern nur in eine andere Richtung bewegt. Sie wurde in späteren Jahren Heavy-Metal Fan. Die Beschallung wurde also noch schlimmer. Da wäre ich für Michael Jackson echt dankbar gewesen.

Tobias Kaufmann: "Thriller" hat mir damals richtig Angst gemacht. Nicht wegen Jacksons Outfit, das ist mir als Kind gar nicht so negativ aufgefallen. Aber diese Monster und das gruselige Lachen im Hintergrund. Meine Jackson-Lieblingssongs waren die auf dem "Bad"-Album, auch wenn ich die Westside-Story-Tanznummer im Video peinlich fand. Über den entsetzlichen "Earth Song" und all die privaten Peinlichkeiten der späteren Jahre brauchen wir gar nicht zu reden. Aber die Musik der Achtziger, auf Kassetten in dem riesengroßen, goldenen Kassettenrekorder meines kleinen Bruders abgespielt. "Liberian Girl" hören, Stopp-Taste, zurückspulen, zsssssssst, nochmal hören. Großartig, unvergesslich.

Michael Schulz: Im "Billie Jean"-Videoclip geht Michael eine Straße entlang. Alles, was er berührt, leuchtet auf, vor allem die Platten, mit denen der Bürgersteig gepflastert ist. Sie leuchten und vollziehen so im Rhythmus seiner Tanzschritte das Lied nach. „Wie macht er das bloß“, fragte ich mich als Kind und sah beim nächsten Spaziergang vor allem die Platten unter mir. Sie leuchteten nicht, leuchten immer noch nicht. Im Laufe der Zeit musste man einsehen: Der Einzige, der so rein abgehoben von allem Irdischen war, dass Bodenplatten für ihn aufleuchteten, war Michael Jackson selbst. Hoffen wir, dass er ins Nimmerland kommt und dass der Weg dorthin gut gepflastert ist.

Kendra Stenzel: Es war eine späte Begegnung. Ich war erst ein halber Teenager, auf Musik-Stil-Suche und hatte gerade MTV für mich entdeckt. Ein Sender, der zwar allgemein irgendwie cool war, aber noch nicht zum täglichen Brot gehörte. Bis eines Tages dieses spacig schwarz-weiße, unglaublich aufwändige Video lief: eine bildschöne Frau und ein irgendwie unheimlicher Typ (oder auch eine Frau?), die in ihrem Raumschiff die Wände hoch liefen, Instrumente zertrümmerten und Computerspiele zockten. Michaels und Janets „Scream“ war laut, abgedreht und anders. Der Wahnsinn. Dass der Kerl in dem Video schon uralt war, war egal – der Clip war das coolste, was MTV meiner Altersklasse bieten konnte. Es folgten ein Janet-Jackson-Haarschnitt und die Liebe zum HipHop – entstanden aus dem Versuch, diesen intensiven Beat wiederzufinden.

Thomas Schmitz: Meine erste Begegnung mit Michael Jackson habe ich meinem Onkel zu verdanken. Der hat mir, ich war acht oder neun Jahre alt, "Thriller" auf Kassette aufgenommen. Das Tape habe ich rauf und runter gehört und erinnere mich noch heute daran, dass bei "Human Nature" das Band zu Ende war und der Song auf der anderen Seite wieder von vorne begann.

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