Sie senken die Augen, sie stottern, sie wollen im Boden versinken. Wer Fehler macht, will sich verstecken, wegducken, unsichtbar sein. Sie sind peinlich, untergraben Autorität, rauben Vertrauen, sägen am Amt und kratzen am Selbstbewusstsein. Und doch: Nur wer sich ihnen stellt, bringt etwas in Bewegung. Einen Lernprozess, einen Kurs-Wechsel, einen Fortschritt. Fehler machen wir alle - sogar der Papst - doch nur schwer geben wir sie zu. Das lähmt, vernebelt, hält auf, bringt nicht voran. Jüngstes Beispiel: Der Einsturz des Kölner Stadtarchivs hätte womöglich vermieden werden können, wenn Stadt und KVB auf Fehler beim U-Bahn-Bau angemessen reagiert hätten. Doch selbst nach der Katastrophe hielten sie noch Informationen zurück.
Überall sitzen sie, die Alles-Könner, die James Bonds. In Büros, unter Top-Managern oder in der Politik. Alles unter Kontrolle. Alles 007. Projekte ziehen sie durch, auch wenn sie überfordert sind. Fehler kommen dahin, wo sie am liebsten hingekehrt werden: Unter den Teppich. Wird schon keiner merken. Das sitzen wir aus. Das Positive an Fehlern werde damit oft verschenkt, meint Sozialpsychologe Dieter Frey. „Wer sich mit Fehlern auseinandersetzt, hat die Chance, sich kontinuierlich zu entwickeln“, sagt er. Doch stattdessen würden sie häufig verdrängt, vertuscht oder verniedlicht.
Wir leben in einer „Null-Fehler-Kultur“, meint der Kulturhistoriker und Autor Manfred Osten. Fehler sind ein Tabu. Solange die Folgen nicht zu spüren sind, wird nicht darüber gesprochen. Im schlimmsten Fall ist es dann zu spät. Milliarden verzockt, die Weltwirtschaft wankt, die Konjunktur ist am Boden. Fehler, die tausende Arbeitsplätze in Gefahr bringen und Menschen ihren Job kosten. „Die Fehler haben sich lange nicht widergespiegelt in der Realität“, sagt Frey. Dadurch entstand Sorglosigkeit, Arroganz, Gier nach mehr. Wer hat Fehler gemacht? Wie lässt sich das in Zukunft verhindern? Für Aufklärung sorgen, Defizite aufdecken, das wollen sie jetzt alle, aber wer rückt damit raus, was schief lief?
„Das bedroht den Selbstwert. Finger zeigen auf den Betroffenen, man gilt vielleicht als inkompetent“, sagt Frey. Der Verursacher wird bloßgestellt. In der Besprechung. Im Vorstand. Im Klassenzimmer. Dass Fehler bestraft werden, lernen wir schon früh. „Bestraft werden sollte aber eher der, der einen Fehler vertuscht, und nicht derjenige, der einen Fehler macht und daraus lernt“, sagt Frey. Statt zu Fehlern zu stehen, verstecken wir uns hinter Ausreden, verteidigen und rechtfertigen uns.
Verschiedene emotionale Phasen
Wer einen Fehler gemacht hat, durchläuft verschiedene emotionale Phasen, erklärt Psychologin Sabrina Steck. Zunächst bagatellisieren wir, reden alles klein, nach dem Motto: „Ist doch gar nicht so schlimm“. Als nächstes suchen wir die Schuld bei anderen. „Es liegt doch nicht an mir“, heißt es dann. „Das ist ein psychologisches Schutzverhalten“, sagt Steck. Wut und Ärger überdeckten anfangs die Gefühle, die wir um jeden Preis vermeiden wollen: Scham und Unsicherheit. Erst wenn diese Emotionen irgendwann hochkommen, ist Trauer möglich. Wer sagen kann „Es tut mir leid“, ist bereit, nach Lösungen zu suchen. Wer dagegen in den ersten beiden Phasen verharrt, kann nur schwer aus Fehlern lernen
„In der Bankenkrise stecken wir immer noch in der Verleumdungsphase“, meint Sabrina Steck. Nach dem Motto: Amerika hat angefangen. Doch Beispiele wie Andrea Ypsilanti zeigen: Wer sich rausredet, macht vieles nur noch schlimmer, verliert Glaubwürdigkeit und Respekt. Die Welt wird nicht einfacher, sondern komplexer. Das Wissen wächst, Informationen fließen global und blitzschnell. Kaum jemand behält da den Überblick. Damit steigt das Risiko, dass Fehler passieren. Da hilft nur eins: Sind sie gemacht, dann raus damit.