Rätsel über das Motiv der Morde von Overath

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Hartmut Nickel.

Hartmut Nickel.

Die Polizei sucht nach dem Dreifachmord von Overath Motiv und Täter. Die Identität der Opfer scheint geklärt: Ein Anwalt, seine Frau und Tochter starben.

Overath / Köln - Es ist ein Puzzle, das die Kölner Ermittler zusammensetzen müssen. Am Tag nach den tödlichen Schüssen von Overath geben Polizei und Staatsanwaltschaft am Mittwoch in Köln einen knappen Überblick über die Ereignisse. Markus Weber, Leiter der Mordkommission, betont immer wieder, dass man noch am Anfang der Ermittlungen stehe. Allerdings wüchsen die Erkenntnisse über das Geschehen Tags zuvor in der Kanzlei des Anwalts Hartmut Nickel von Stunde zu Stunde.

Die Polizei geht inzwischen davon aus, dass der 61-jährige Anwalt, dessen Ehefrau Mechtild Bucksteeg (53) sowie die 26-jährige Tochter aus erster Ehe, Alja Nickel, dem Mord zum Opfer fielen. Letzte Gewissheit soll allerdings eine DNA-Untersuchung in der Kölner Gerichtsmedizin erbringen.

Die Polizei schildert am Mittwoch den Hergang der unfassbaren Tat: Um 16.25 Uhr hatten Anwohner am Dienstag Schüsse aus der Kanzlei des Scheidungsanwalts vernommen. Nachdem eine Polizeistreife erfolglos geklingelt hatte, traten die Beamten die Tür ein und entdeckten die drei Leichen. Zu weiteren Einzelheiten will er noch nichts sagen: „Aus ermittlungstaktischen Gründen. Das wollen wir vom Täter wissen.“

Auf jeden Fall sucht die Polizei weiterhin einen etwa 35 Jahre alten Mann. Eine Passantin will gesehen haben, wie der dunkel gekleidete Fremde nach den Schüssen aus dem Haus getreten sei. „Er trug eine Mütze. Seine Zähne stehen ziemlich schief“, so die Polizei.

Beim Motiv für die Morde steht die Polizei vor einem Rätsel. Hinweise auf einen Raubüberfall gebe es bisher nicht. „Die Praxis ist nicht auf den Kopf gestellt worden“, sagt Weber. Offen ließ er die Frage, ob der Mörder gewaltsam in die Praxis im ersten Stock eingedrungen sei, da die Spurensuche noch nicht abgeschlossen sei. Die Ermittler richten daher ihr Hauptaugenmerk zunächst einmal auf „das berufliche und private Umfeld der Ermordeten“.

Mit Spekulationen über die Tatwaffe hielt sich die Polizei am Mittwoch noch zurück. Aus Justizkreisen war jedoch zu erfahren, dass der Schütze eine großkalibrige Langwaffe benutzt haben soll.

Schockiert ist die Bevölkerung in Overath über die Tat. Für Sabine H. aus Bensberg ist der Tag nach der Tat besonders schlimm. Die 34-Jährige hat am Abend zuvor über das Fernsehen erfahren, dass ihr Chef und einige Familienmitglieder getötet worden sind. Und sie ahnt, dass sie vielleicht großes Glück gehabt hat: Die Angestellte der Kanzlei in Overath hatte am Dienstag einen arbeitsfreien Tag. Das erzählte am Mittwoch die Schwiegermutter. „Sonst wäre meine Schwiegertochter jetzt wohl auch tot“, befürchtet sie. Am Mittwoch wurde Sabine H. von der Polizei befragt. Die Beamten erhofften sich von der Aussage der Angestellten, Hinweise auf ein Motiv für die Tat.

Fassungslosigkeit herrscht im Bekanntenkreis der Mordopfer, wenn über das Schicksal der beiden hinterbliebenen Töchter der Familie gesprochen wird. Carolin ist 15 Jahre alt, Annika erst 13. Die beiden Mädchen wurden noch am Dienstagabend psychologisch betreut. Sie sind zunächst bei einer Freundin der Mutter untergekommen.

„In der Kölner Anwaltskammer galt Hartmut Nickel als „hervorragend beleumundet.“ Im Amtsgericht Bensberg ging der Rechtsanwalt jahrzehntelang ein und aus. Richter beschreiben ihn als „zurückhaltend aber sachlich engagiert“.

„Es ist noch zu früh für ein Täterprofil“, sagte Christian Pfeiffer, Leiter des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die Toten sind durch die Schüsse bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Sollte der Täter seine Opfer absichtlich unkenntlich gemacht haben, käme ein neues psychologisches Moment hinzu, so der Kriminologe: „Hier hat einer auf grauenhafte Weise seine Emotionen ausgelebt.“

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