Abo

„In der Tierhaltung besteht Reformbedarf“NRW-Ministerium räumt Mängel ein

Lesezeit 3 Minuten
Auch eine Frage der Kontrolle: die Zustände in den Schweinemastbetrieben

Auch eine Frage der Kontrolle: die Zustände in den Schweinemastbetrieben

Düsseldorf/Köln – In regelmäßigen Abständen wird man daran erinnert, dass Eier, Milch und Schnitzel nicht auf Bäumen wachsen – mal verunsichert eine der periodisch auftretenden Tierseuchen Verbraucher und Erzeuger gleichermaßen; mal geht es um die Bedingungen, unter denen Hühner gehalten werden, und mal wird diskutiert, was eigentlich dagegen spricht, dass Ferkel vor der Kastration betäubt werden und ob männliche Küken wirklich Wegwerf-Ware sind und geschreddert gehören.

Mit inzwischen gut 18 Millionen Einwohnern ist Nordrhein-Westfalen das bevölkerungsreichste deutsche Bundesland – vieles von dem, was hier passiert, hat Pilot- oder Modellcharakter für den Rest der Republik. Und weil NRW neben allem anderen eben auch ein Agrarland mit einer umfassenden landwirtschaftlichen Tierproduktion ist, hat die grüne Landtagsfraktion mal durchgezählt: Mehr als ein Viertel der bundesweit etwa 27 Millionen Schweine werden hier gehalten, hinzu kommen 1,4 Millionen Rinder, 11,5 Millionen Hühner und 1,53 Millionen Puten sowie 300 000 Gänse und Enten.

Bestandsaufnahme der Tierhaltung

Und weil sich aus der schieren Menge des Viehbestands eine Menge höchst unterschiedlicher Probleme ergibt – vom Tierschutz und Transport über die veterinäre Betreuung bis hin zu den Umweltfolgen intensiver Tierhaltung und der Kontrolle der Schlachtbetriebe – haben die Grünen/Bündnis 90 per großer Anfrage im Landtag um eine Bestandsaufnahme gebeten. Die Antwort des Ministeriums für Umwelt und Landwirtschaft beginnt mit einem Eingeständnis: „Die Landesregierung ist der Auffassung, dass in der Tierhaltung grundsätzlicher Reformbedarf besteht.“

„So kann man das sagen“, findet Norwich Rüße, Sprecher der Grünen-Fraktion für die Bereiche Landwirtschaft, Natur- und Tierschutz, freilich dürfe sich die Landesregierung aber nicht hinter der kritischen Mängelauflistung verstecken. Als Beispiel nennt Rüße einige offengelegte Schieflagen, etwa bei den tierärztlichen Kontrollen der Betriebe mit Tierhaltung. Im Jahr 2017 gab es in NRW 4559 Kontrollen in den insgesamt 43 015 Betrieben. Statistisch bedeutet das, dass jeder Betrieb etwa alle zehn Jahre kontrolliert wird.

Das wäre am untersten Rand des Vertretbaren, findet Rüße; die Grünen fordern etwa einen Fünf- oder Sechsjahrestakt – „nicht immer, um Skandale zu verhindern“, sagt Rüße, „ein regelmäßiger Kontakt zwischen Veterinär und Landwirt dient ja auch als Korrektiv, bevor etwas schiefläuft.“ Beunruhigender noch findet Rüße jedoch einzelne Werte.

Eine Kontrolle pro Jahrhundert

Während etwa in Köln den 23 betroffenen Betrieben 16 Kontrollen gegenüberstehen, sind es im Kreis Euskirchen bei 891 Betrieben gerade 11 Kontrollen, im Kreis Olpe sind es drei Kontrolle für 607 Betriebe. „Kontrollen finden hier also – rein statistisch – alle 100 bis 200 Jahre statt“, sagt Rüße und folgert also: „Das kann nicht sein.“ Er fordert den Schritt von der korrekten Analyse zum Handeln: „Es fehlt eine verbindliche Vorgabe für den Takt dieser Kontrollen“, sagt er, „das muss die Regierung jetzt angehen.“

Ebenfalls ein eklatantes Missverhältnis offenbaren die Zahlen der Verstöße gegen Tierschutzrecht auf den Schlachthöfen des Landes. War die Zahl der gemeldeten Fälle zwischen 2010 und 2013 von 18 auf 159 gestiegen, so wurden 2014 noch neun Fälle festgestellt. Klingt wie eine gute Nachricht, ist aber womöglich keine: „Da möchte ich schon wissen, was passiert ist“, sagt Rüße – ob die Meldekriterien geändert wurden oder einfach nicht mehr kontrolliert wurde.

Das könnte Sie auch interessieren:

Verärgert zeigt sich Rüße bei den Themen Tierkörperbeseitigung – „eines der großen schwarzen Löcher in der Tierhaltungs-Thematik“ –, wo laut Ministerium gar keine Daten erhoben werden, und Tierzucht. Dort lautet eine der Antworten, nachdem zuvor Probleme eingeräumt wurden: „Auf Basis des Tierschutzrechtes gibt es keine Möglichkeit des Staates, die Tierzucht zu beeinflussen.“

„Es kann nicht sein“, sagt Rüße, „dass der Staat ein solches Thema aus der Hand gibt.“

KStA abonnieren