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1667 offene FälleNRW will im Kampf gegen Kinderpornografie die Ermittler verdoppeln

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Herbert Reul

Herbert Reul

Düsseldorf – Das Ergebnis der Bestandsaufnahme ist ernüchternd. Von den 1895 Verfahren, die in NRW wegen des Verdachts von Kinderpornografie eingeleitet wurden, werden derzeit nur in 228 Fällen Beweismittel ausgewertet. In 557 Fällen wurden Wohnungen von Verdächtigen noch nicht durchsucht, weil das Personal fehlt. Diese Zahlen hat die neue Stabsstelle zur Bekämpfung der Kinderpornografie erhoben. „Die Ermittler schaffen es nicht, den riesigen Datenmengen Herr zu werden“, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul. „Deswegen wollen wir die NRW-Polizei jetzt endlich handlungsfähig machen“, fügte der CDU-Politiker hinzu.

In einem neuen Erlass fordert der Innenminister die Leiter der 47 Kreispolizeibehörden auf, das Personal bei der Verfolgung von Kinderpornografie mindestens zu verdoppeln. Bislang sind landesweit nur 105 Stellen dafür vorgesehen. Das zusätzliche Personal müsste aus anderen Bereichen abgezogen werden. „Wir brauchen eine kluge Prioritätensetzung. Die zusätzlichen Kräfte müssen dann an anderer Stelle abgebaut werden“, sagte Reul. Bis zum 1. August müssen die Behörden ihre Konzepte melden.

Beschleunigung durch Lügde-Fall

Die Reform wurde nach der Entdeckung des massenhaften Kindesmissbrauchs auf einem Campingplatz im westfälischen Lügde beschleunigt. Dort sollen mehr als 40 Kinder im Alter zwischen drei und 14 Jahren bei sexuellen Handlungen gefilmt worden sein. Ab Donnerstag kommender Woche müssen sich drei Hauptbeschuldigte vor dem Landgericht Detmold verantworten.

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Die enormen Datenmengen, die bei den Ermittlungen im Bereich Kinderpornografie ausgewertet werden müssen, stellen die Behörden regelmäßig vor Kapazitätsprobleme. Bei den Ermittlungen im Fall Lügde war zunächst ein Azubi mit der Auswertung der Beweismittel beauftragt worden. Die Beweismittel wurden unsachgemäß gelagert und verschwanden schließlich spurlos. Künftig soll die Aufbereitung und Auswertung von Daten im Landeskriminalamt zentralisiert werden. Dort soll eine neue Software zum Einsatz kommen, die mit Hilfe künstlicher Intelligenz Datenmaterial vorsortiert.

Grüne begrüßen Reul-Pläne

Die Grünen begrüßten die Reul-Pläne. Die Zahl der noch nicht abgeschlossenen Kinderpornografie-Verfahren sei „erschreckend hoch“, sagte Innenexpertin Verena Schäffer dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Es sei „zwingend notwendig“, dass die Polizeibehörden ihre Prioritäten so setzten, dass mehr Personal für die Verfolgung von sexualisierter Gewalt zur Verfügung stehe.

Sebastian Fiedler, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter in NRW, erklärte, die Behördenleiter müssten die Stellen auch bei der Schutzpolizei suchen. „Dortige Führungsstellen oder Pressestellen dürfen kein Tabu sein, wenn dadurch die Kinderpornografie ein wenig beschleunigter bearbeitet werden kann“, sagte Fiedler dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Er kritisierte zudem, die Reform sei nur ein kleiner Schritt. „Wenn es einen speziellen Kripo-Studiengang gäbe, wäre das nötige Personal schnell vorhanden, ohne dass man ständig Löcher stopft, die man an anderer Stelle aufreißen muss.“ Länder wie Bayern würden spezielle „Cyber-Cops“ innerhalb eines Jahres ausbilden, wenn die Bewerber eine einschlägige Berufsausbildung mitbrächten.

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