Besuch am RheinuferGeologin Anne Zacke kennt die Geschichten der Steine

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Anne Zacke: Ortstermin am Anleger der Rheinfähre Mondorf

Anne Zacke: Ortstermin am Anleger der Rheinfähre Mondorf

Die Rheinfähre Mondorf erreicht gerade den Anleger von Bonn-Graurheindorf. Ein paar Fußgänger, Rad- und Autofahrer haben schon gewartet. In Richtung Bonn haben einige Angler ihre Ruten aufgestellt und hoffen auf Bisse. Aber Achtung, die Herren, Zander und Hechte haben Schonzeit.

Am Flussufer hockt Anne Zacke und greift sich eine Handvoll Steine aus dem Geröll am Wasser. „Das ist hier nicht mehr der Oberlauf des Rheins“, sagt sie und zeigt wie zum Beweis ein paar ordentliche Kiesel, „hier kommen nur die Harten an.“ Ja, die Rede ist von Gestein. „Da wird es eher langweilig“, sagt sie und zeigt flussabwärts in Richtung Köln, „spätestens ab Düsseldorf ist nicht mehr so viel los.“

Faszinierendes Tigerauge

Anne Zacke ist promovierte Geologin, ein paar Kilometer stromaufwärts arbeitet sie am Steinmann-Institut für Geologie, Mineralogie und Paläontologie im Poppelsdorfer Schloss. Sie ist stellvertretende Leiterin des Mineralogischen Museums der Universität Bonn. Als eine zentrale Attraktion dient dort ein Edelstein mit der abenteuerverheißenden Bezeichnung Tigerauge – drei Zentner schwer, groß wie ein Kleinwagen – auf dessen spiegelglatt polierter Innenfläche grüne, gelbe, weiße und rote Farbschlieren sich mischen und ineinander verlaufen, als seien einem Schöpfergott bei der rauschhaften Kolorierung der Welt die Farbeimer umgekippt. Fantastisch.

Gut, solch eine Sensation wird man an den Rheinufern von Köln, Bonn und Leverkusen eher nicht finden – für diese Feststellung reicht der Augenschein. Aber einen tiefen Einblick in das Werden der Welt – das sagenhafte Zusammenspiel der Kräfte von Gravitation, Klima, Plattentektonik und Vulkanismus – gibt bereits der eben gar nicht simple Umstand, dass Kieselsteine rundlich sind und glatt. Anne Zacke zeigt auf die Steine in ihrer Hand und sagt: „Gesteine erzählen Geschichten. Sie erzählen, wie sie entstanden sind, wann und wo sie entstanden sind.“

Mehr als nur schwarz-weiß

Um zu verstehen, was die Steine erzählen – „wir Geologen sagen übrigens: Gesteine“, sagte Anne Zacke, „wir brauchen schließlich eine eigene Sprache!“ – ist Fachkenntnis hilfreich. „Auf den ersten Blick“, sagt sie, „sieht das Geröll hier am Ufer schwarz-weiß aus.“ Das Dunkle, dies als Faustregel, sind meist die Basalte, die aus Lava entstanden sind; das Helle könnten Kalksteine sein.

Auf den zweiten Blick schimmert es zudem braun bis rötlich – „das deutet auf Sandsteine hin “, sagt Anne Zacke. Weiteres Ausdrucksmittel der Gesteine sind ihre Formen – es gibt die schroffen und die glatten und die runden und die platten. Und auch hier eine Faustregel: „Je runder ein Stein ist, desto länger ist er schon im Fluss unterwegs“, sagt sie – was nicht zwingend heißt, dass er älter ist, weil auch die Härte eine Rolle spielt.

Alter ist ohnehin relativ. „Ich hab mich von Anfang an für Naturwissenschaften und Geschichte interessiert“, erzählt Anne Zacke von ihrem akademischen Interesse an der Vergangenheit. Archäologie klang gut, aber schließlich war das Studium der Geologie ein immerhin nahe liegender Schritt. Zumal es hier um das große Ganze geht: „Wir rechnen nicht in Jahrhundert- oder Jahrtausendschritten“, sagt Anne Zacke, „unsere Fragestellung ist eher: Die Erde ist 4,6 Milliarden Jahre alt – wie hat sich der Planet in die Form entwickelt, die wir heute kennen?“ Gesteine sind bei der Suche nach der Antwort verlässliche Zeugen – denn sie waren ja dabei.

Aus kölner Steinen wird holländischer Strand

Auch in dieser Hinsicht ist der Rhein zwischen Bonn und Düsseldorf interessant, weil Zuflüsse wie die Mosel, die Sieg und der Brohlbach Gestein aus dem Rheinischen Schiefergebirge und der zwar ebenfalls vulkanischen, aber geologisch deutlich jüngeren Eifel einschwemmen.

„Wasser“, sagt Anne Zacke, „ist das zentrale Transportmittel an der Oberfläche unseres Planeten.“ Und der Rhein transportiert alles zurück ins Meer. „All das Gestein, das wir hier sehen“, sagt sie und zeigt auf die Ufer von Graurheindorf, „kommt schließlich in Holland als Sand oder Ton an.“ Interessant, die künftigen Strände Hollands liegen also rund um Köln.

„Das Wasser selbst kann den Stein nicht schleifen“, sagt Anne Zacke, „das machen die Steine gegenseitig durch Kontakt, Druck und Reibung.“ Aber das Wasser sorgt für die nötige Bewegung. „Wasser transportiert jedes Gestein, solange die Fließenergie reicht“, sagt sie. Sind Gesteine zu schwer, werden sie erst erfasst beim nächsten Hochwasser oder beim übernächsten oder irgendwann, wenn dann Wassermenge und Fließgeschwindigkeit ausreichend groß sind für den Weitertransport. Das kann sich beinahe ewig hinziehen, aber Zeit – das lehrt einen ein jedes Gestein – gibt es mehr als genug.

Korallen am Ufer

„Manchmal muss man genauer hinsehen“, sagt Anne Zacke und macht sich auf die Suche nach Fossilien. Ihr Arbeitsbesteck – Geologenhammer, Lupe und ein Fläschchen zehnprozentiger Salzsäure – kommt zum Einsatz bei gräulich-grauem Gestein. Wenn es sich dabei um Quarz handelt, merkt man das sofort – Quarz zerspringt unter dem Hammer, die Säure kann ihm nichts anhaben. Aber wenn sich das graue Gestein unter der Säure auflöst, ist es ein Kalkstein und darin könnten sich Fossilien befinden. „Man findet Muscheln, Schnecken und Korallen“, sagt die Geologin, „und dann fragt man sich, wie das sein kann, wo kommen die her? Der Rhein fließt schließlich in die andere Richtung, zum Meer hin.“

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Und man wird zurückgeführt in die Zeit vor 400 Millionen Jahren, da war das ganze Gebiet ein flaches Meer in den Tropen. Nachdem das Meer verschwunden war, wurden die Fossilien mit dem Meeresboden durch die Hebung eines Gebirges wieder an die Oberfläche gedrückt und gelangten schließlich in das Wassersystem des Rheins. Gut 300 Millionen Jahre ist das her, sagt Anne Zacke und erklärt es dann mit anderen Worten: „Die haben viel erlebt, diese Fossilien.“

Auf geheimnisvolle Weise spektakulär sehen die zwei-, drei- oder mehrfarbigen Gesteine aus. „Magmatische Prozesse“, sagt Anne Zacke, waren hier am Werk, die man sich nicht dramatisch genug vorstellen kann. In den Sandsteinen entstanden bei der Gebirgsbildung – durch ungeheure Kräfte, wie sich denken lässt – Risse. In diese drangen heiße wässrige Lösungen ein, die sich in der Umgebung von Gesteinsschmelze im Erdinnern gebildet hatten und aus denen dann sich bei der Abkühlung Quarz kristallisierte und diese Risse füllte.

Ergebnis solcher Prozesse von Physik, Chemie und Urgewalt sind zum Beispiel Sandsteine, die durchzogen sind mit hellen, vielleicht weißen Quarzadern – ein paar zig Millionen Jahre später ein beliebter Rohstoff für Sammler des Rheinkiesel-Alphabets. Dazu sucht man Kiesel, in denen das Quarzmuster die Form eines Buchstaben bildet. „Das machen viele“, sagte Anne Zacke, „für das komplette Alphabet braucht man vielleicht einen Nachmittag.“ Ja, und ein bisschen Phantasie.

Die Museen im Steinmann-Institut

Mineralogisches Museum

Poppelsdorfer Schloss

(Meckenheimer Allee 169)

53115 Bonn

Öffnungszeiten:

mittwochs und freitags 15.00−18.00 Uhr, sonntags 10.00−17.00 Uhr

Vier verschiedene Ausstellungsräume beschäftigen sich mit den Themen Minerale und ihre Systematik, Gesteine und Meteorite, Erze und mineralische Rohstoffe sowie Edelsteine.

Goldfuß-Museum

Nußallee 8, 53115 Bonn

Öffnungszeiten:

montags bis freitags 9.00−16.00 Uhr,   sonntags 13.00−17.00 Uhr

Eintritt frei.  

Das Goldfuß-Museum zeigt Fossilien aus der ganzen Welt – direkte Zeugnisse für die Milliarden Jahre alte Geschichte des Lebens auf der Erde. Neben versteinerten Meerestieren und Pflanzen gibt es – natürlich – auch Saurier zu sehen.

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