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Coronavirus in der RegionWie Rentner und Altenheime sich auf die Gefahr vorbereiten

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Altenheim

Altenheime wappnen sich für den Ernstfall.

Köln – Ab 60 steigt die Wahrscheinlichkeit stark an, am Coronavirus zu sterben. Auf Familienbesuche verzichten müssen Senioren deshalb nicht unbedingt. Wie engagierte Rentner und Altenheime in der Region sich auf die Gefahr vorbereiten. 

Ob er seine Enkelin weiterhin umarme? Hartmut Schneider aus Bergisch Gladbach reagiert, als habe man ihn gefragt, ob er sich täglich die Zähne putze. „Natürlich umarme ich die!“ Das Covid-19-Virus ist laut Robert-Koch-Institut vor allem für Menschen über 60 Jahren riskant.

Erhöhtes Risiko für Bevölkerungsgruppe ab 60 Jahre

Die Krankheit schlage in dieser Bevölkerungsgruppe häufiger den Weg eines schweren Verlaufs ein – und auch das Risiko daran zu sterben, schnellt laut Zahlen aus China ab 60 Jahren auf 3,6 bis knapp 15 Prozent bei den über 80-Jährigen nach oben. Schneider ist 74 Jahre alt und gehört damit zur Risikogruppe. 

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Sein Leben der neuen Gefährdung anpassen – das widerstrebt ihm. Gut, er wasche sich häufiger die  Hände. „Ich würde nicht in die Disco gehen.  Zum Fußball auch nicht. Ich weiß ja, wie das da abläuft und dass man sich beim Jubeln und Singen schon mal unabsichtlich anspuckt. Insofern fand ich die Entscheidung, die Spiele ohne Publikum anzupfeifen, überfällig“, sagt Schneider.

Keine Einschränkungen im Umgang mit Freunden und Familie

Aber innerhalb der Familie und im Freundeskreis will er keine Abstriche machen.  „Höchstens bei Fremden denke ich schon manchmal nach. Ich habe gerade einen Anhänger aus dem Kreis Heinsberg gekauft. Da habe ich entschieden, dem Verkäufer nicht die Hand zu geben.“ 

Er habe keine Panik, aber in Sorge sei er natürlich schon manchmal. Ein bisschen geschockt habe ihn der Besuch des Straßenverkehrsamtes, zu dem er aufbrach, um seinen Anhänger anzumelden.

„Normalerweise wartet man da Stunden. Heute war ich der Einzige und kam gleich dran.  Da ertappte ich mich bei dem Gedanken: Das öffentliche Leben kommt zum Erliegen. Das erzeugt dann schon ein merkwürdiges Gefühl.“

Ehrenamtliche Tätigkeit ruht

Dieter Voss ist 83 Jahre alt und  zudem Diabetiker. Er weiß: „Wenn mich Corona erwischt, könnte es böse werden.“ Deshalb versucht der ehemalige Ingenieur das Risiko einzudämmen. Seine ehrenamtliche Arbeit beim Verein Mikibu in seinem Wohnort Bergisch Gladbach hat er erst mal abgesagt.

Eigentlich hilft Voss dort Grundschülern, die aus einer Migrantenfamilie kommen, bei den Hausaufgaben. Auch zum Arzt gehe er derzeit ungern. „Da wimmelt es im Moment nur so von Viren“, habe sein Arzt zu ihm gesagt. Eine Quarantäne wäre für Voss und seine 77-jährige Frau „ein echtes Handicap“. Die Kinder wohnten alle nicht in der Nähe. Trotzdem ist er zuversichtlich, dass man auch das „irgendwie regeln könnte“. 

Panik ist unangebracht

Walter Möbius ist 82 Jahre alt und selbst Mediziner. Er war Chefarzt am Bonner Johanniter-Krankenhaus. Er spricht sich gegen eine Panik aus. „Wenn Sie mit Ihrer Familie Ihre alten Eltern besuchen wollen, spricht nichts dagegen.“ Auch „mit Kleinkindern auf den Spielplatz gehen“ hält der Mediziner auch für Senioren für problemlos.

Auch Jugendliche dürften sich seiner Meinung nach einigermaßen frei bewegen. Mit Einschränkungen: „Sie sollten aber den Konsum von Alkohol und Zigaretten möglichst einschränken und symptomfrei sein, wenn sie in Kneipen, Clubs oder Discos gehen.“

Die meisten älteren Menschen geben sich gelassen

Lediglich Neugeborene würde Möbius  derzeit nicht besuchen. Und der Mediziner rät älteren Menschen von Großveranstaltungen generell ab. „Und damit meine ich nicht nur solche mit der inzwischen berühmten 1000-Besucher-Grenze, sondern ab einer Größenordnung von 200. Da sollten Sie Ihren Eltern sagen: Lasst das mal für die nächsten 14 Tage sein!“ 

Eine Abfrage dieser Zeitung bei verschiedenen Vereinen zeigt: Die meisten älteren Menschen, die noch so aktiv sind, sich für einen guten Zweck zu engagieren, reagieren bislang gelassen auf die Corona-Pandemie.

Keine Angst um sich selbst, sondern um die Mitmenschen

213 sogenannte Mentoren hat der Verein Mikibu aus Bergisch Gladbach. Acht davon haben sich laut Vorstandsmitglied Christiane Müller vorübergehend abgemeldet. Die 75-Jährige betont aber, dass viele von ihnen gar nicht unbedingt Angst um sich selbst, sondern um vorerkrankte Angehörige hätten.

„Ich bin sehr angetan, wie konsequent unsere Mentoren ihre Arbeit trotz des Virus durchziehen. Trotzdem haben wir natürlich auch Verständnis für diejenigen, die in Sorge sind“, sagt Müller. Man habe allen Mentoren eine Mail mit Informationen zum Virus geschickt und sie aufgefordert, selbst zu entschieden, ob sie weiter in den Grundschulen helfen wollen oder nicht.

Beim Großteil der Helferinnen und Helfer handle es sich um die Gruppe, die aufgrund ihres Alters zur Risikogruppe zählten. Die meisten Engagierten seien zwischen 60 und 80 Jahre alt. 

Fortbildung statt Krankenbesuche

Ähnlich sieht es auch in Köln aus. Wie die Sprecher vom Kölner Caritasverband und dem Kinderschutzbund auf Anfrage mitteilten, haben sich dort keine Ehrenamtler wegen des Virus zurückgezogen.

Die 90 Ehrenamtler, die sich beim Kinderschutzbund unter anderem für das Kinder- und Jugendtelefon oder Kranken- oder Hausbesuche einsetzen, sind zwischen 55 und 75 Jahre alt. Allerdings sei man von der Uniklinik Köln darauf hingewiesen worden, die Krankenbesuche auf den Kinderstationen vorerst einzustellen, sagte Pressesprecher Jochen Muth auf Anfrage. Stattdessen sollen die Betroffenen nun die Zeit nutzen, um Fortbildungen zu machen. 

600 der 1112 Ehrenamtler des Caritasverbands für die Stadt Köln sind Teil der Nachbarschaftshilfe. Ehrenamtler, von Studierenden bis Rentnern, besuchen dabei überwiegend ältere, alleinstehende Menschen zu Hause. Die wöchentliche Besuche finden bislang trotz Corona statt. „Jeder Ehrenamtler kann das frei entscheiden. Wir rechnen aber damit, dass sich doch noch welche abmelden werden“, so Marianne Jürgens von der Pressestelle. 

Vorbereitungen im Seniorenheim

Weil das Coronavirus besonders für Hochbetagte riskant ist, wappnen sich die Kölner Seniorenheime für den Fall einer Epidemie. „Wir verfolgen die Ausbreitung des Coronavirus mit großer Sorge und Aufmerksamkeit“, sagt die Geschäftsführerin der Seniorenhaus GmbH der Cellitinnen, Stephanie Kirsch auf Anfrage dieser Zeitung. 

„Der Schutz unserer Bewohner hat für uns derzeit höchste Priorität.“ Die ergriffenen Präventionsmaßnahmen seien derzeit aber ausreichend, um Bewohner und Mitarbeiter zu sichern. 

Angehörige würden gebeten, die Anzahl der Besuche auf das notwendige Maß zu beschränken, auf Händedesinfektion vor und nach dem Besuch zu achten sowie bei grippeähnlichen Symptomen von einem Besuch Abstand zu nehmen.

Seniorenheime sind grundsätzlich gut vorbereitet

Alle Veranstaltungen in den Seniorenhäusern wurden bis auf Weiteres abgesagt.  „Auf Händeschütteln wird grundsätzlich verzichtet, ebenso auf nahen Körperkontakt – soweit dies in der Pflege möglich ist.“ Die Cellitinnen betreuen 371 ältere Menschen in drei Seniorenheimen und einer Senioren-Hausgemeinschaft in Köln.

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Die Sozial-Betriebe Köln (SBK) haben einen Krisenstab eingerichtet und die Hygieneregeln verschärft. „Wir haben jeden Mitarbeiter noch einmal zum Thema Hygiene geschult“, sagt SBK-Geschäftsführerin Gabriele Patzke. 

Allerdings seien Seniorenheime in der Regel gut auf Infektionen vorbereitet, da sie auch mit Influenza oder Noroviren umgehen müssten. Vorsichtshalber hätten  die SBK die Vorräte für Pflegeartikel wie Schutzkleidungen sowie Lebensmittel für zehn Tage aufgestockt. Letzteres geschehe für den Fall, dass Küchenmitarbeiter sich infizieren. Dann könnten andere Mitarbeiter einfache Speisen zubereiten.

Unterstützung auf freiwilliger Basis

Denn um für den Notfall gewappnet zu sein, haben die SBK ein Personalausfallkonzept erarbeitet.  Wenn zu viel Personal in den Heimen ausfiele, sollen SBK-Mitarbeiter aus anderen Bereichen die Pflegeeinrichtungen – auf freiwilliger Basis – unterstützen.

Infizierten sich Bewohner mit dem Coronavirus,  sei es nach Absprache mit dem Gesundheitsamt vorstellbar, gesunde Senioren in andere Häuser auszulagern oder vorübergehend zwei gesunde Personen in einem Zimmer unterzubringen. 

Quarantäne mit den Heimbewohnern

Ähnlich äußert sich Marianne Jürgens, Sprecherin der Caritas, die sieben Senioreneinrichtungen in Köln unterhält. Wenn Mitarbeiter in der Pflege aufgrund des Coronavirus ausfielen, würde man dies mit Kollegen aus der Verwaltung ausgleichen – auf freiwilliger Basis. „Wir können ja die Heime nicht schließen, sie sind das Zuhause der Bewohner“, so Jürgens. Freilich dürften sie keine medizinischen Aufgaben übernehmen.

Sollte Covid-19 in Altenheimen ausbrechen, sieht Walter Möbius vor allem ein Problem auf die Senioren zukommen: Die sich durch eine Quarantäne verstärkende Einsamkeit. „Neben der Krankheit wird das zu einer immensen Belastung werden.

Dagegen müssten dringend Vorkehrungen getroffen werden.“ Möbius schlägt vor, dass Heimbewohner ständig die Möglichkeit haben müssten, mit Angehörigen oder Pflegern in  Kontakt zu stehen – per Telefon oder Skype. 

Freiwillige Quarantäne gegen die Einsamkeit

Bei den beiden Pflegeheimen der Arbeiterwohlfahrt mit insgesamt 340 Bewohnern hätten Mitarbeiter bereits signalisiert, sich im Notfall freiwillig mit den Senioren für 14 Tage in Quarantäne zu begeben, sagt die Awo-Fachbereichsleiterin Pflege, Elisabeth Römisch. Für den ambulanten Bereich habe die Awo eine „Ampelliste“ erstellt. Besonders pflegebedürftige  Menschen  müssten auch im Notfall versorgt werden. Andere könnten aber durchaus zeitweise von Angehörigen betreut werden.

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