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Die heikle BürgschaftIst die Pandemie für die Schulden von Schalke 04 verantwortlich?

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Fußball-Bundesligist Schalke 04 braucht Hilfe vom Land in Form einer Bürgschaft von 31,5 Millionen Euro.Fotos: dpa, Kapellmann

Fußball-Bundesligist Schalke 04 braucht Hilfe vom Land in Form einer Bürgschaft von 31,5 Millionen Euro.Fotos: dpa, Kapellmann

  • Wie auch der VfB Stuttgart und Werder Bremen hat der FC Schalke 04 staatliche Corona-Hilfe beantragt.
  • Der Traditionsverein muss nun nachweisen, dass die Pandemie für die finanziellen Schwierigkeiten verantwortlich ist.
  • Gegenstimmen mahnen, die finanzielle Schieflage des Vereins habe jahrelange Misswirtschaft eingebracht.

Düsseldorf/Gelsenkirchen – Die Abgeordneten im Finanzausschuss des Landtags mussten in der letzten Sitzung vor der Sommerpause am Freitag vergangener Woche mit einer kargen vertraulichen Mitteilung der Landesregierung leben. Ja: Der FC Schalke 04, dessen Schulden knapp 200 Millionen Euro betragen, habe eine Landesbürgschaft von 31,5 Millionen Euro für einen Kredit von insgesamt 35 Millionen Euro beantragt. Nein: Über den Antrag sei noch nicht entschieden. Und nein: Es gebe in NRW derzeit keine weiteren Anträge von Profiklubs auf Bürgschaften aus der Ersten und Zweiten Bundesliga.

Bürgschaften für Profivereine sind ein politisch heikles Thema, zumal eine Vergabe dem Bürgschaftsgeheimnis unterliegt. Danach sind „alle Verhandlungen, Beratungen, Unterlagen und Auskünfte vertraulich zu behandeln“, teilt das NRW-Finanzministerium auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit. „Dies schließt auch die Angabe mit ein, ob überhaupt eine Landesbürgschaft beantragt worden ist. Vor diesem Hintergrund ist eine Auskunft zu Einzelfällen nicht möglich.“ Das gelte auch für Fälle aus der Vergangenheit.

„Das Parlament kann das nur schwer kontrollieren, weil die Verträge ja immer vertraulich sind“, sagt ein SPD-Landtagsabgeordneter. „Wir sind allein auf die Informationen der Landesregierung angewiesen.“

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Ministerpräsident Armin Laschet will keine „Lex Schalke“

Der Fall Schalke ist auch deshalb so heikel, weil die Liquiditätskrise des Klubs, der für seine Schulden laut „Spiegel“ jährlich zwischen 20 und 30 Millionen Euro allein für Zins und Tilgung zahlen muss, von dem durch die Corona-Krise aufgedeckten Skandal um die Arbeitsbedingungen in den Schlachtbetrieben des kürzlich zurückgetretenen Aufsichtsratschefs Clemens Tönnies überschattet wird. Hier ein Milliardär, der nach der Schließung seines Betriebs vom Land auch noch Lohnkosten-Erstattung verlangt, dort sein Verein, der durch jahrelange Misswirtschaft in eine große wirtschaftliche Schieflage geraten ist, die sogar zur Insolvenz führen könnte. Emotional mag das schwer zu verkraften sein – wie alles auf Schalke. Für den Bürgschaftsantrag ist es nicht von Belang.

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„Die größte Schwierigkeit ist, dass wir es auf der einen Seite mit einem Wirtschaftsbetrieb zu tun haben, der einem großen Teil der Menschen auch noch sympathisch ist, wir aber auf der anderen Seite ausschließen müssen, dass öffentliches Geld am Ende dazu genutzt wird, um Spitzengehälter für die Spieler zu bezahlen“, sagt der SPD-Abgeordnete. Es werde keine „Lex Schalke“ geben, beeilte sich NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) bereits am 30. Juni zu erklären, obwohl damals noch gar kein Antrag vorlag. Das muss es auch gar nicht, weil die Bedingungen, zu denen Schalke die Bürgschaft erhalten könnte, klar formuliert sind.

EU-Kommission hat Beihilferegeln wegen der Pandemie gelockert

„Der Verein muss nachweisen, dass er durch Einnahmeverluste aus der Corona-Krise in Liquiditätsschwierigkeiten geraten ist“, sagt Robin van der Hout, ein auf das Beihilferecht spezialisierter Anwalt der Düsseldorfer Kanzlei Kapellmann und Partner.

Dann sei eine Bürgschaft des Landes in Höhe von 90 Prozent des Kreditbetrags unbedenklich und nicht als unzulässige Beihilfe zu bewerten. Die Europäische Kommission habe wegen der Corona-Krise den maximal abgesicherten Betrag von 80 auf 90 Prozent erhöht. „Wichtig ist, dass Schalke eine marktkonforme Provision bezahlt. Die ist allerdings wegen des Zinsniveaus derzeit sehr niedrig“, so van der Hout.

Im Oktober 2012 hatte die Europäische Kommission den Profifußball in Europa ins Visier genommen. Alles begann mit einem Brief an die Mitgliedsstaaten, in dem sie unmissverständlich festlegt, dass Profivereine Wirtschaftsunternehmen sind und untereinander im Wettbewerb stehen, beim Ticketverkauf, bei TV-Rechten, Spielertransfers, beim Merchandising und bei Werbevereinbarungen. „Es besteht die Gefahr, dass staatliche Stellen Fußballvereinen staatliche Beihilfen gewähren, die aufgrund von schlechtem Finanzmanagement in Schwierigkeiten geraten sind. Diese selektive Unterstützung wäre unfair gegenüber Konkurrenten“, heißt es wörtlich. Vor allem Klubs in Spanien und den Niederlanden bekamen das zu spüren. Einige haben gegen Sanktionen geklagt und zum Teil Recht bekommen.

Mehrere NRW-Bürgschaften für den Stadion-Neubau in Gelsenkirchen

Dennoch: „Die Situation hat sich im Vergleich zu früher erheblich verbessert. Da wurde auf das Beihilferecht überhaupt nicht geachtet. Bevor die öffentliche Hand heute Geld ausgibt, verlangt sie von den Vereinen den Nachweis, dass sie sich beihilferechtskonform verhalten“, sagt Robin van der Hout. Die Tendenz in der Politik sei eindeutig. „Kommunen und Länder halten sich immer mehr vom Profifußball fern.“ Das habe man noch vor wenigen Wochen bei der Insolvenz des Traditionsvereins 1. FC Kaiserslautern in der Dritten Liga erlebt. „Da wurden immer wieder Forderungen laut, das Land müsse helfen. Das wurde aber abgeblockt“, so van der Hout.

Das gilt in besonderem Maße für Schalke 04. Der Verein muss jetzt den Nachweis erbringen, dass der Liquiditätsengpass nicht aus dem Schuldenberg von 200 Millionen Euro resultiert, sondern durch Verluste wegen der Corona bedingten Geisterspiele.

Den Einnahmeverlust pro Heimspiel beziffern der Klub auf zwei Millionen Euro, die geringeren Einnahmen durch Werbung und Marketing nicht eingerechnet. Auf dem Transfermarkt, der wegen der Krise in diesem Jahr bis zum 5. Oktober verlängert wurde, dürften keine großen Erträge zu erzielen sein. Theoretisch könnte das Land die Bürgschaft mit Auflagen verbinden. „Es könnte in das wirtschaftliche Handeln des Vereins eingreifen“, sagt van der Hout. „Das ist aber absolut unüblich.“

Eine Insolvenz von Schalke könnte auch dem Land teuer zu stehen kommen. Neubau und Modernisierung der Veltins-Arena hat das Land mehrfach mit Bürgschaften abgesichert, zuletzt im Sommer 2019, als es um einen Kredit von 56 Millionen Euro ging.

In Aachen und Duisburg musste das Land schon mal einspringen

Insgesamt hat NRW in den Jahren 2000 bis 2014 zehn Bürgschaften für den Bau von Fußballstadien für Profivereine in NRW übernommen – für Kredite, die an gewerbliche Stadionbesitzgesellschaften gingen. Die Bürgschaften haben ein Volumen von 126,7 Millionen Euro. Kritisch wurde das in Aachen und in Duisburg, dort musste schließlich das Land einspringen.

Unter den Profiklubs der Bundesligen eins und zwei steht Schalke mit seinem Bürgschaftsbitte seit Donnerstag nicht mehr allein da. Auch Bundesliga-Rückkehrer VfB Stuttgart hat zur Überbrückung von Einnahmeverlusten einen millionenschweren staatlichen Hilfskredit beantragt. Und Werder Bremen bestätigt, staatliche Kredite bei der KfW-Bank beantragen zu wollen.

Die Schalker stoßen mit ihrem Antrag sogar beim Erzrivalen Borussia Dortmund auf Verständnis. „Ich finde, das ist nicht ehrenrührig“, sagt BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke. Von der Bundesliga werde zurecht erwartet, dass sie pünktlich ihre Steuern bezahlt, „aber wenn der Bund oder das Land oder wer auch immer beschließt, coronageschädigten Unternehmen beizustehen, dann gelten die gleichen Rechte für uns offensichtlich nicht“. Fußballklubs davon grundsätzlich auszuschließen „entspricht nicht meinem Gleichbehandlungsgrundsatz“. Für einen echten Schalker stellt sich die Frage, was schlimmer ist: die drohende Insolvenz – oder Mitleid aus Dortmund. (mit sid)

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