„Redebedarf ist groß“Kreis Euskirchen hilft Flutopfern bei Hilfeanträgen

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Die Flutkatastrophe Mitte Juli hat bislang Versicherungsschäden von rund sieben Milliarden Euro verursacht.

Kreis Euskirchen – Das Wohnmobil mit dem Aufkleber „Aufbauhilfe“ parkt in der Herbstsonne in Kirspenich, einem Ortsteil von Bad Münstereifel. Dahinter fließt die Erft. Jetzt ist sie ein Flüsschen, aber vor zwölf Wochen wälzte sich das zerstörerische Hochwasser durch Straßen und Häuser. Nun wartet an einem Stehtisch David Decker darauf, dass er Hochwasser-Opfer unterstützen kann. Normalerweise arbeitet er im Katasteramt des Kreises Euskirchen. Jetzt geht es um die Aufbauhilfe von Bund und Land für die Menschen, die Hab und Gut verloren haben.

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Markus Ramers (SPD), Landrat des Kreises Euskirchen, steht vor einer Beratungsstelle für Aufbauhilfe.

Rund ein Dutzend Leute kommen an diesem kühlen Herbstmorgen. Hier geht es um ein Gespräch vor dem eigentlichen, umfangreichen Antrag zur Aufbauhilfe für Flutopfer. Was braucht man dafür? Unter anderem eine E-Mail-Adresse, die Steuer-Identifikationsnummer, eventuell einen Gutachter, eine Beschreibung der Ereignisse und Schäden, Angaben aus dem Grundbuch und, und, und. „Jeder Fall ist irgendwie anders“, sagt Markus Ramers (SPD), der Landrat des Kreises Euskirchen. „Wir wollen die Menschen nicht alleine lassen mit diesem Online-Antrag.“ Schon die Anleitung zum Ausfüllen ist 30 Seiten lang.

Schäden sind nicht unbedingt von außen zu erkennen

Im dem Eifel-Kreis Euskirchen hat das Hochwasser besonders schlimm gewütet. 26 Menschen starben. Mehr als 15 000 Haushalte beantragten Soforthilfe. Nach bald drei Monaten sind viele sichtbare Trümmer weggeräumt. Die Dorfstraße sieht wieder adrett aus. Normal ist aber nichts. Gelegentlich stehen schlammbedeckte Möbel und Container mit Mauerteilen vor Häusern. In einem Ort hat der Metzger aufgehört, im anderen der Bäcker noch nicht wieder geöffnet.

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Die Schäden sind nicht unbedingt von außen zu erkennen. In vielen Häusern sind die Erdgeschosse noch entkernt. Manche Betroffene wüssten noch nicht, ob sie überhaupt die Kraft für den Wiederaufbau haben, erzählt eine Studentin aus dem Beraterteam des Kreises. „Mit 85 Jahren nochmal das Haus aufbauen - will ich das?“, sei eine der Fragen. Andere hätten entschieden: „Ich verkaufe lieber, ich bin 82 und kann das nicht mehr.“ „Der Redebedarf ist groß“, berichtet eine Psychologin, die ehrenamtlich vor Ort ist. Eine besorgte Mutter habe ihr Leid geklagt. „Wenn es regnet, fängt ihre Tochter sofort an zu weinen.“

„Aufbauhilfe“-Mobil fährt in alle betroffenen Kommunen

Der Kreis hat 78 Berater im Einsatz. In den nächsten drei Monaten fahren Mitarbeiter mit dem „Aufbauhilfe“-Mobil in alle elf betroffenen Hochwasserkommunen. Dann wird ein fester Termin in einer der elf Anlaufstellen vereinbart. Um genügend Berater zu haben, wurden Pensionäre zurückgeholt, Verträge von Teilzeitern aufgestockt, Mitarbeiter aus anderen Abteilungen geholt und Zeitarbeiter angeheuert. Auf Vermittlung des Landes NRW gab es personelle Unterstützung aus anderen Behörden.

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Im Erdgeschoss der Fachhochschule für Rechtspflege in Bad Münstereifel hilft hinter blauen Stellwänden eine junge Frau beim Ausfüllen des Wiederaufbau-Antrags. „Alles, was mit Handwerkern zu tun hat, ist eine Katastrophe“, erzählt sie. Handwerkerbetriebe seien teils selbst flutgeschädigt, die Nachfrage riesig. Wer Aufbauhilfe beantragen möchte, kann das nur online tun. Aber nicht jeder hat schon wieder Internet, bei anderen sind die „Laptops schwimmen gegangen“.

Euskirchens Landrat Ramers erwartet einen finanziellen Ausgleich für die aufwendige Unterstützung des Kreises. Die Erfahrungen der ersten Wochen zeigten, dass eine Antragstellung für viele Menschen ohne die Hilfe nicht zu schaffen sei. „Wir leisten diese Hilfestellung gerne und werden unser Unterstützungsangebot so lange vorhalten, wie es nötig ist“, sagt er. Das Land solle den Kreis bei der Erfüllung dieser Aufgabe nicht alleine lassen.

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