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Shoppingfrust statt EinkaufslustEinzelhandel im Kreis Euskirchen läuft schleppend

Lesezeit 5 Minuten
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Die Fußgängerzone in Bad Münstereifel war am Freitag fast menschenleer.

Bad Münstereifel/ Euskirchen – Viel ist in der Bad Münstereifler Innenstadt am Freitagmorgen nicht los – trotz Wochenmarkt und letzter Ferientag. Viele Outlet-Läden sind dunkel, die großen Schilder, die Kunden in die Läden locken sollen, stehen hinter statt vor der Tür. Dimitri Krecker stellt trotz allem seine Ware vor die Tür. Der Inhaber des „Indigo Fashion Stores“ hängt fast schon stoisch die T-Shirts auf den Kleiderständer. Oben drüber steht der Angebotspreis von zehn Euro pro Stück. Trotzdem weiß Krecker, dass er wieder so gut wie kein Shirt verkaufen wird.

„Eigentlich lohnt es sich nicht, den Laden aufzumachen. Manchmal kommt in acht Stunden kein Kunde“, sagt Krecker: „Die Leute wollen stöbern und bummeln, die Maßnahmen mit Test und Anmeldung hindern die Leute daran.“

Keine Hoffnung auf guten Umsatz

So wie Krecker handhaben es viele inhabergeführte Geschäfte. Sie machen zwar auf. Hoffnung auf einen guten Umsatz haben sie aber keine. Eigentlich seien die Ferien die umsatzstärkste Zeit, so Krecker. Aktuell retten nur die Stammkunden den Tag.

Auch Katharina Pütz von der Buchhandlung „die leserei“ lebt derzeit überwiegend von ihren Stammkunden. Ihr Geschäft ist gegenüber vom Rathaus, fast neben dem Wochenmarkt. Ein Kunde hatte sich am Freitagvormittag trotzdem nicht in den Laden verirrt. „Es ist mühsam mit den Maßnahmen“, sagt sie. Zum Glück würden viele Kunden noch das Click-&-Collect-Angebot, also bestellen und anschließend im Laden abholen, nutzen. Pütz hat das Gefühl, dass Lesen mehr Aufmerksamkeit bekomme. Eltern mit kleinen Kindern würden die Gelegenheit nutzen, mehr zu lesen und sich Beschäftigungsideen holen.

Ähnliches berichtet auch Josef Mütter von „mütters Buchhandlung am Markt“. Der Inhaber hat vor seinem Laden eine Ampel installiert, die grün oder rot anzeigt, je nachdem wie viele Kunden im Laden sind. Mehr als zwei gleichzeitig dürfen es nicht sein. Daneben hängen rote Zettel mit all den Maßnahmen, die derzeit für die Buchhandlung gelten inklusive aktuellem Datum und einer Erklärung für die Ampel. „Bei Grün kommen sie gerne herein. Bei Rot bitten wir Sie um etwas Geduld. Bei anderen Farben ist irgendwas kaputt, wir sind verpeilt, oder der Chef ist wieder mal komisch... Dann Vorsicht!“

Frust und Ratlosigkeit

„Ich kann das nur noch mit Humor nehmen“, sagt Mütter. Fürs Bücher stöbern, brauchen die Kunden einen Termin, Zeitungen zu kaufen geht ohne. „Seit es die Testpflicht gibt, ist das Geschäft eingebrochen“, sagt er. Vorher sei es kein Problem gewesen, die Kunden hätten die Regelung mit dem Termin ganz gut angenommen. Die jetzige Regelung sei vielen dagegen zu mühsam. „Es sind sehr, sehr wenige Kunden, die noch kommen. Die Verordnung verunsichert die Kunden“, berichtet Mütter. Seine Kundin, die währenddessen eine Postkarte bezahlt hat, nickt zustimmen. „Man weiß gar nicht mehr, was jetzt gilt“, sagt sie: „Alles was helfen würde wäre, wenn es mehr Klarheit gebe“, ist sich Mütter sicher. Mehr als die Kunden nett empfangen und bespaßen könne er nicht. „Das ist alles was wir tun können“, sagt er.

Ein paar wenige Einwohner haben sich auf den Weg in die Innenstadt gemacht. Auf eine große Shoppingtour haben sie aber keine Lust. „Der Aufwand mit dem Test ist mir zu groß“, sagt eine Bad Münstereiflerin. Erst müsse man einen Termin zum Testen machen und dann müsse man auch noch einen Termin zum Shoppen machen. „Das ist umständlich. Das macht doch keiner“, sagt sie. Sie wäre stattdessen lieber für harten Lockdown, damit anschließend das Leben wieder gewohnte Bahnen gehen könnte, statt dem „hier und jetzt.“ Ihre Freundin hat ein Geschäft in der Innenstadt, da habe sie was abgeholt. „Aber wir haben das draußen vor der Tür gemacht. Meine Freundin durfte mich nicht in den Laden lassen, ich habe keinen tagesaktuellen Test“, sagt die Frau.

„Kinderschuhe sind systemrelevant“,

In Euskirchen schlendern am Freitag einige Menschen durch die Fußgängerzone. Zu ihnen gehört Julia Neuburg. „Mit Shoppen vor der Corona-Pandemie kann man das nicht vergleichen“, sagt sie. Auch sie empfindet den Aufwand zu hoch, muss aber zum Optiker. Deshalb hat sich die Euskirchenerin testen lassen.

Christian Lange, Einzelhändler und stellvertretender Vorsitzender des Einzelhandelsverbands Bonn, Rhein-Sieg und Euskirchen, weiß ähnliches zu berichten: „Jemand, der etwas benötigt, der nimmt den Aufwand auf sich.“ Die Frequenz sei in seinem Schuhgeschäft zurückgegangen. Entsprechend habe man die Öffnungszeiten angepasst und den Service vor allem wieder in Richtung „Click-&Collect“ gelenkt. „Das nehmen die Kunden an“, sagt Lange, der nach eigenem Bekunden einen Brief an Detlef Seif geschrieben hat. Der Bundestagsabgeordnete für den Kreis habe im anschließenden Telefonat angekündigt, die Anliegen der Schuhhändler mit nach Berlin zu nehmen. „Kinderschuhe, vor allem die ersten Schuhe für ein Kind, sind systemrelevant“, sagt Lange.

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Die Schuhe seien extrem wichtig für die Entwicklung des Fußes und entsprechend wichtig sei eine Beratung. Das jetzige System schrecke junge Eltern möglicherweise ab. Dabei könne man auch am Schuhhaus Lange, wenn man einen amtlichen negativen Test vorweisen könne, der nicht älter als 24 Stunden ist, einfach an die Glastüre klopfen, so Lange. Man müsse nicht zwangsläufig einen Termin im Internet vereinbaren. Die Pandemie habe gezeigt, dass man auf die jeweiligen Situationen flexibel reagieren müsse.

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