Plastikdorf im RegenwaldJunge Organisation „Project Wings“ setzt auf PET-Flaschen

Lesezeit 4 Minuten
Das Projektteam: die 21-jährige Leonie Deimann (Mitte) mit ihren deutschen Mitstreitern Erich Stieb (l.) und Marc Helwing sowie Lehrern und Schülern der Green Class.

Das Projektteam: die 21-jährige Leonie Deimann (Mitte) mit ihren deutschen Mitstreitern Erich Stieb (l.) und Marc Helwing sowie Lehrern und Schülern der Green Class.

  • Junge Organisation „Project Wings“ will ein Plastikdorf in Indonesien errichten.
  • Die 21-jährige Leonie Deimann aus der Voreifel ist Mitbegründerin der Hilfsgruppe.
  • Dafür wollen sie genau den Gegner der Umwelt benutzen – Ja, genau, Plastik! Und zwar in Form von benutzten PET-Flaschen.

Mechernich/Bad Münstereifel – Früher hat sie in der Eifel die Schulbank gedrückt, heute plant sie das größte Recyclingdorf der Welt in Indonesien. Die 21-jährige Leonie Deimann wusste schon früh, dass sie die Welt verändern will.

„Ich habe zu viel Energie und bin mit einer gehörigen Portion Weltschmerz auf die Welt gekommen“, erklärt Leonie Deimann ihre Motivation, mit der sie als 21-Jährige eine Umweltschutzorganisation mitgegründet hat.

Mitbegründerin der Organisation „Project Wings“

Deimann wuchs in der Eifel auf, besuchte das Gymnasium am Turmhof in Mechernich und machte ihr Abitur am St.-Michael-Gymnasium in Bad Münstereifel. Für die Probleme der Welt interessierte sie sich schon damals. „Als ich früher Bilder davon gesehen habe, wie Aktivisten von Greenpeace mit Booten rausgefahren sind, um sich aktiv gegen Wal- und Haifang einzusetzen, wollte ich immer mit“, sagt sie.

Mittlerweile ist sie kaum noch in ihrer alten Heimat, da sie meist von dienstags bis samstags mit ihrem Team von „Project Wings“ in den Fußgängerzonen Deutschlands unterwegs ist. Sie und die drei Mitgründer sind auf Spendersuche, um ihren Traum zu verwirklichen: das weltweit größte Recyclingdorf in den Wäldern Sumatras in Indonesien zu bauen.

Ein „Plastikdorf“ aus alten PET-Flaschen

In Bukit Lawang, einem Dorf am Fluss Bahorok, soll bis 2021 ein „Plastikdorf“ aus alten PET-Flaschen entstehen: mit Restaurant, Bäckerei, Veranstaltungsräumen für Yoga und Naturmedizin, außerdem zwei Hostels. Grundbaustein für alle Gebäude sind sogenannte Eco-Bricks, mit zerkleinertem Müll vollgestopfte Plastikflaschen, die dann einzementiert werden.

Eco-Bricks

Von Algerien bis Panama, von Indonesien bis Schottland: Gebäude aus Plastikflaschen sollen dem langlebigen Plastikmüll einen Nutzen geben. Denn PET-Flaschen haben eine Lebenszeit von 300 bis 500 Jahren, wenn sie nicht direkter Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind.

Aus sogenannten Eco-Bricks entstehen Möbel, Gartenmauern oder auch mehrstöckige Häuser. Den Grundstein eines Eco-Bricks bildet eine PET-Flasche. Gesäuberte und getrocknete Plastikverpackungen werden anschließend sehr dicht in die Flasche gestopft.

Ein Brick wiegt etwa 220 Gramm und sollte so dicht gepackt sein, dass er sich nicht mehr verformen lässt. Vorläufer dieser „Steine“ waren mit Sand gefüllte Flaschen oder auch luftgefüllte PET-Flaschen in Drahtkörben, die als Bausteine dienten. (dth)

Über ein Pfandsystem erhalten die Einheimischen pro Flasche 27 Cent. Mit sechs bis acht Eco-Bricks pro Tag könne sich eine Familie dort gut versorgen, erklärt Deimann. Die Menschen im Ort leben vom Tourismus und der Palmölindustrie.Wer nicht mehr in der Palmölindustrie arbeiten wolle oder als Guide für die Touristen, für den sei das „gerade in der Nebensaison ein guter Nebenerwerb“, so Deimann: „Oder auch die einzige richtige Geldquelle.“

Schon fast 34 000 Eco-Bricks

Mittlerweile sind fast 34 000 Eco-Bricks hergestellt. Im Dorf selbst werden vor allem Leute mit körperlichen Beeinträchtigungen arbeiten, erklärt Deimann. „Sie werden in Indonesien bislang ausgegrenzt“, sagt sie. Wenn das Plastikdorf fertig ist, soll der Erlös aus Hostels, Bäckerei und Restaurant in die anderen Projekte der Organisation fließen: ein Rehabilitations-Center für verletzte und kranke Tiere sowie die Aufforstung gerodeter Wälder.

„Das Dorf ist Einnahmequelle für unsere Projekte und Aufklärungsstelle“, sagt die 21-Jährige. In einer dorfeigenen Recyclinganlage sollen aus Hartplastik Teller, Lampenschirme oder Blumenvasen entstehen. Dabei gehe es nicht nur darum, bei der Bevölkerung ein Bewusstsein für Müllentsorgung zu schaffen: „Viele selbsterklärte Ökotouristen lassen einfach ihren Müll im Wald zurück.“

„Weniger Leute vertrauen in große Organisationen“

Offiziell gibt es die Organisation seit März. Von der ersten Idee bis zur Umsetzung dauerte es nur ein paar Monate. Leonie und ihre Mitgründer lernten sich bei der Arbeit für eine große Fundraising-Agentur kennen, die Unterstützer für große Hilfsorganisationen anwirbt. „Wir haben gemerkt, dass weniger Leute Vertrauen in die großen Organisationen haben“, sagt sie.

Das könnte Sie auch interessieren:

Mit zwei einheimischen Projektleitern starteten sie daraufhin ihre eigene Umweltorganisation. Projektleiter Sebastian Keilholz setzte mit seinem Besuch vor Ort im Sommer 2018 den Startschuss.

„Was in Indonesien passiert, macht Hoffnung“

Als Leonie Deimann im Januar 2019 zum ersten Mal in den Ort auf Sumatra fuhr, war sie vier Stunden lang unterwegs vom Flughafen nach Bukit Lawang, mehr als drei Stunden davon vorbei an endlosen Plantagenwüsten, erinnert sie sich: „Das fand ich richtig krass.“ Als sie schließlich im Ort angekommen sei, habe sie schon die ersten Bauten aus Flaschen gesehen: Mülleimer und Mäuerchen.

Mittlerweile seien schon zwei Nachbargemeinden im Müllsammel-Fieber, eine Motorrad-Crew verwende Taschen-Aschenbecher, damit die Kippen nicht mehr in der Natur landeten und viele der Dorfbewohner beteiligten sich an den zahlreichen Aufräumaktionen am Fluss. „Was in Indonesien passiert, macht Hoffnung“, sagt sie. Wie China oder die Philippinen hat nun auch Indonesien erstmalig Müll aus Deutschland, Kanada oder den USA den Absendern zurückgeschickt.

KStA abonnieren