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Wiederaufbau nach FlutBiologe Wolfgang Büchs prangert Fehler im Ahrtal an

Lesezeit 5 Minuten
Auf dem Areal des Campingplatzes Fringsmühle bei Ahrdorf türmten sich nach der Flut im letzten Jahr Trümmer und Müll.

Auf dem Areal des Campingplatzes Fringsmühle bei Ahrdorf türmten sich nach der Flut im letzten Jahr Trümmer und Müll.

Blankenheim-Ahrdorf – Der Biologe Prof. Dr. Wolfgang Büchs gilt als ausgewiesener Kenner des Ahrtals. Ein Jahr nach der Flutkatastrophe hat sich Büchs, der derzeit eine Gastprofessur an der Universität Hildesheim inne hat, in mehreren Interviews kritisch über den Stand des Wiederaufbaus im Kreis Ahrweiler geäußert. „Es hat sich im Ahrtal leider vieles in eine Richtung entwickelt, sodass die nächste Flut ähnlicher Größenordnung wieder richtig zuschlagen kann“, sagte der Biologe in einem Gespräch, das die Koblenzer „Rhein-Zeitung“ am Wochenende veröffentlichte.

Abbruchkanten und Kiesinseln planiert und beseitigt

Man habe mit Baggern und Planierraupen genau das Falsche gemacht, monierte Büchs: Der Fluss habe bei der Flut Strukturen wie Abbruchkanten, Strudeltöpfe und Kiesinseln geschaffen. „Davon hätte man lernen können und diese Strukturen in den unbewohnten Arealen zwischen den Ortschaften erhalten sollen, wo immer es geht“, fordert Büchs.

Stattdessen seien die Ahr und ihre Zuflüsse in Rheinland-Pfalz sehr stark eingeengt worden. Dadurch werde einem „Düseneffekt“ Vorschub geleistet, der den Abfluss beschleunige. „So wurde etwa der Sahrbach, ein Zufluss der Ahr mit quasi unbewohntem Tal, zu einem kanalartigen Rinnsal verengt“, sagte Büchs: „Beim nächsten Starkregen rauscht das Wasser durch diese verengten Stellen mit umso höherer Geschwindigkeit und Wucht ins Tal.“

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Fehler bereits bei Aufräumarbeiten gemacht

Die Fehler seien bereits kurz nach den ersten wichtigen Aufräumarbeiten im Ahrtal gemacht worden: „In dieser Situation hätte man tief Luft holen und sich fragen müssen: Wollen wir wirklich alles wieder so machen, wie es vorher war?“, so Büchs. „Es hätte unter Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern der Ahrregion ein Katalog mit Zielen entwickelt werden müssen, damit alle wissen, wo es hingehen soll“, kritisiert der Wissenschaftler, dass an vielen Stellen zu schnell Fakten geschaffen worden seien.

Das KAHR-Projekt

Das KAHR-Projekt (Klima-Anpassung, Hochwasser und Resilienz) wird finanziell vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Es soll mit neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen die Aufbaumaßnahmen in den von der Flutkatastrophe im Juli 2021 zerstörten Regionen in NRW und Rheinland-Pfalz unterstützen.

Mit insgesamt 13 Partnern aus Wissenschaft und Praxis sollen dabei Fragen zur Klimaanpassung, der risikobasierten Raumplanung und zum Hochwasserschutz erarbeitet werden. Ziel ist es, konkrete Maßnahmen für einen klimaresilienten und zukunftsorientierten Wieder- und Neuaufbau in den betroffenen Regionen zu schaffen.

Zehn Empfehlungen für den Wiederaufbau in der von der Flut betroffenen Region wurden Ende Juni auf einer internationalen Wissenschaftskonferenz formuliert, die über die Internetseite des Projekts abgerufen werden können. (thw)

Gilt diese Kritik aber auch für den nordrhein-westfälischen Teil des Ahrtals im Kreis Euskirchen? Bis nach Ahrhütte sehe das Tal der Ahr sehr gut aus, betont Büchs: Der stark mäandrierende Flusslauf biete dem Wasser bei Bedarf genügend Überflutungsflächen.

Untergrund in NRW nicht für Rückhaltebecken geeignet

„Das nordrhein-westfälische Einzugsgebiet der Ahr um Blankenheim ist aufgrund des Kalkuntergrundes weniger gut geeignet für die Anlage von Hochwasserrückhaltebecken, kann aber einen großen Beitrag über andere hochwassermindernde Maßnahmen leisten“, betont Büchs im Gespräch mit dieser Zeeitung. Gemeint sind zum Beispiel Versickerungsflächen, Mäanderstrukturen, bachbegleitende Vegetation, Entsiegelungen aller Art, an Hochwasserschutz angepasste Land- und Forstwirtschaft.

Fehler gebe es aber beim Straßenbau, zum Beispiel bei der Wiederherstellung der teils weggerissenen B258: „Bei der nächsten Flut ist die Straße wieder weg. Die Bankette zeigen schon jetzt deutliche Erosionsspuren“, hat Büchs festgestellt.

Besonders kritisch sieht er den seit vielen Jahren geforderten Weiterbau der Autobahn: „Wenn die A1 fertig gebaut wird, kommen große Wassermengen hinzu, die abgeleitet werden müssen. Es wäre katastrophal, wenn die Ahr das noch zusätzlich aufnehmen müsste“, sagt der Biologe. „Bei einem Starkregenereignis mit 120 Millimeter Niederschlag in 24 Stunden wären das auf der Strecke von Blankenheim bis Kelberg überschlagsmäßig 622.000 Kubikmeter, und da sind zusätzliche versiegelte Flächen wie Parkplätze, Ausfahrten und so weiter noch gar nicht mit eingerechnet. Den Lückenschluss halte ich unter diesen Gesichtspunkten für sehr fragwürdig.“

Campingplätze in Ahr-Aue laut Büchs ungeeignet

Bauchschmerzen bereiten Büchs auch die Campingplätze, die es an der gesamten Ahr im Bereich der Fluss-Aue gibt: „Ich halte es für sehr bedenklich, dass die Campingplätze in den Auen der Ahr alle wieder wie vor der Flut aufgebaut werden, an der Ahr und auch in Seitentälern wie bei Houverath und im Sahrbachtal. Da geht man ein großes Risiko ein – im vergangenen Jahr sind dort Menschen gestorben.“

Eine hohe Bedeutung misst Büchs beim Hochwasserschutz an der Ahr der Zusammenarbeit zwischen den Akteuren auf beiden Seiten der Landesgrenze zu: „Eine intensivere Zusammenarbeit zwischen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz wäre wünschenswert. Es ist gut, dass der Kreis Euskirchen auch beim KAHR-Projekt („Klima-Anpassung, Hochwasser und Resilienz“ (siehe auch „Das KAHR-Projekt“) beteiligt ist. Der Bereich der Oberahr im Kreis Euskirchen hat entscheidenden Anteil daran, was bei den Unterliegern im Kreis Ahrweiler passiert. Natürlich muss das finanziell ausgeglichen werden aus Rheinland-Pfalz, wenn im NRW-Teil der Ahr im Kreis Euskirchen in den Hochwasserschutz investiert wird.“

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Die ersten Schritte in diese Richtung sind gemacht: „Die Gemeinde Blankenheim ist jetzt Mitglied der Hochwasserpartnerschaft Ahr“, informiert Bürgermeisterin Jennifer Meuren. Sie sei zuversichtlich, dass die Zusammenarbeit mit den rheinland-pfälzischen Kollegen gut funktionieren werde: „Einige Akteure, zum Beispiel aus der Verbandsgemeinde Adenau, kennen wir bereits gut aus den touristischen Kooperationen“, sagt die Verwaltungschefin. Die Hochwasserpartnerschaft Ahr ist seit 2014 aktiv. In der Hochwasserpartnerschaft arbeiten der Kreis Ahrweiler und die Anlieger-Städte und -Gemeinden zusammen.

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