Eifel-Schäfer in Aufruhr„Nicht täglich mit der Angst leben, ein Massaker vorzufinden”

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Schäfer_Kulling

Will die Bevölkerung in puncto Wiederansiedlung des Wolfes aufrütteln: Werner Kulling. 

  • Die Rückkehr der Wölfe führt in der Eifel zu schweren Konflikten: Schafzüchter und das LVR-Landesmuseum streiten sich über den Umgang mit den wilden Tieren.
  • 2018 war es auf dem traditionellen Wollmarkt in Euskirchen-Kuchenheim zum Eklat gekommen. Züchter hatten dort unangekündigt Fotos mit blutigen, getöteten Tieren aufgehängt, eine drastische Kampagne gegen den Wolf inszeniert.
  • Die Schäfer wollen nach eigenem Bekunden „nicht täglich mit der Angst leben, morgens ein Massaker vorzufinden.”
  • In diesem Jahr wollen viele Schäfer den Wollmarkt boykottieren.

Kreis Euskirchen – Die meisten Mitglieder des Schafzuchtverbandes des Bezirks Eifel werden beim Rheinischen Wollmarkt am 2. Juni durch Abwesenheit glänzen. „Wir boykottieren die Veranstaltung“, kündigt Werner Kulling, Vorstandsmitglied des Schafzuchtverbandes NRW, an. Dieser Beschluss sei mehrheitlich in einer Versammlung des Bezirks Eifel, der 80 Mitglieder habe, getroffen worden.

Streit mit Industriemuseum

Schuld an dem Boykott ist der Wolf! Das Raubtier ist zwar bei der Veranstaltung in Kuchenheim, zu der im Schnitt mehr als 10.000 Besucher kommen, noch nicht gesichtet worden, spielt aber eine Hauptrolle im Streit zwischen den Schafzüchtern und dem Veranstalter, dem LVR-Industriemuseum Tuchfabrik Müller.

Die Eifel ist bekanntlich Wolfserwartungsland. Dort sind bereits einige Exemplare gesichtet worden. In Züchterkreisen geht daher die Angst um. Nach Angaben von Kulling ist es im vergangenen Jahr beim Wollmarkt zu einem Eklat gekommen. Dort hätten die Schäfer über ihre Sorgen und Nöte zu den Folgen der Wiederansiedlung des Wolfs informieren wollen, so der Alendorfer. Das geschah allerdings in durchaus drastischer Form.

Das ist Kulling klar, der bei einer Rückkehr des Wolfes in die Eifel den Niedergang seiner Zunft befürchtet. Er und seine Kollegen hätten Fotos von Wölfen und weitere, auf denen von den Raubtieren gerissene Haustiere wie Schafe, Kühe, Ziegen, Pferde und Hunde zu sehen waren, gezeigt. „Wir wollten die Besucher aufrütteln und zum Nachdenken anregen.“

Konflikt entzündete sich an drastischen Fotos

Detlef Stender, Leiter des LVR-Museums Tuchfabrik Müller, spricht von einem „Konflikt mit den Schafzüchtern“, der seinen Anfang beim Rheinischen Wollmarkt 2018 genommen habe. Stender wertet dies als eine Kampagne gegen die Wölfe mit reißerischen Fotos. „Wir haben die Schäfer gebeten, die blutigen Bilder abzuhängen. Die waren vor allem Kindern nicht zuzumuten.“

Kulling schildert den Vorfall anders. Es habe nur positive Reaktionen auf die Foto-Aktion gegeben. Doch nach einer Stunde sei plötzlich ein Museumsmitarbeiter aufgetaucht und habe die Fotos abgehängt: „Da gab es keine Diskussion. Der Mann war renitent.“ Wenig später sei der Museumsleiter gekommen und habe gesagt, dass sich Besucher über die Fotos beschwert hätten.

Da wurden die Schäfer mächtig bockig. „Wir haben Stender gesagt, dass wir nicht mehr zum Wollmarkt kommen. Wir sind schließlich mit unseren Tieren seit mehr als 20 Jahren die Attraktion auf dem Wollmarkt und dürfen uns dann noch nicht einmal kritisch zu Wort melden“, so Kulling. Für den „Streichelzoo-Betrieb“ stehe man am 2. Juni in Kuchenheim definitiv nicht mehr zur Verfügung.

Schafzüchter lehnen Wolfsrückkehr ab

Karl Wey und Werner Kulling vom Bezirk Eifel können die Welt nicht mehr verstehen. Das hängt vor allem mit der Willkommenskultur in Sachen Wolf zusammen. „Wenn 80 Prozent der Bevölkerung für dessen Rückkehr sind, sollten die sich schon mal darauf einstellen, Haus- und Nutztiere nur noch im Zoo zu sehen“, sagen sie.

Wenn die Halter ihre Tiere aus lauter Frust abgeschafft oder in Ställe eingepfercht hätten, sollte auch keiner mehr kommen und eine artgerechte Tierhaltung auf der grünen Wiese fordern, so die Züchter.

Kulling, der 700 Bentheimer Landschafe im Naturschutzgebiet Lampertstal hält, betont, dass es seiner Zunft, falls ein Wolf ein Tier gerissen habe, nicht um Entschädigungszahlungen gehe: „Wir wollen kein Geld. Wir wollen unsere Haus- und Nutztiere und unsere Lieblingstiere mit Familienanschluss in Sicherheit wissen und nicht täglich mit der Angst leben, morgens ein Massaker vorzufinden.“

Was viele Züchter so richtig auf die Palme bringe, so der 61-jährige Alendorfer weiter, sei der Spruch „Wir haben verlernt, mit dem Wolf zu leben“. Überall in der Welt, wo es Rudel gebe, müssten die Tierhalter gegen die Wolfe kämpfen.

Der Wolf ist regelmäßiger Gast

„Die maroden Schutzzäune, die es vorwiegend in der Eifel gibt, werden wohl keinen Wolf aufhalten“, sagt Markus Wunsch, der Gemünder Bezirksleiter des Regionalforstamtes Hocheifel/Zülpicher Börde. Er macht keinen Hehl daraus, dass er als ausgebildeter Luchs- und Wolfsberater für die Neuansiedlung des Wolfes ist. Doch er stellt auch klar, dass man die Sorgen und Nöte der Tierhalter ernst nehmen muss.

„Die Viehhalter dürfen wir dabei nicht vergessen“, sagt Wunsch. Den Aufwand, Gehege wolfssicher zu machen, bezeichnet er als „sehr hoch“. Der Experte betont jedoch auch, dass die Tiere in der Regel Menschen meiden würden. Doch es könne durchaus vorkommen, dass anpassungsfähige Exemplare den Menschen und damit auch dessen Tieren nahe kommen. So gebe es Wölfe, die durchaus Straßen als Fernwechsel nutzten.

Der Wolf sei in der Eifel schon ein regelmäßiger Gast: „Etwa acht bis zehn ziehen pro Jahr hier durch.“ Die Hauptnahrung der Caniden sei Reh- und Schwarzwild. Der Tisch sei für sie somit in der Eifel reichlich gedeckt. (pws/sev) 

Das habe zum Teil schon existenzbedrohende Ausmaße angenommen. Auch wenn die Tierhalter in der Minderheit seien, hätten sie auch das Recht, zu protestieren und auf die Barrikaden zu gehen. „Vielleicht sollten wir auch mal gelbe Westen anziehen und den Hambacher Forst besetzen“, schimpft Kulling.

Stender sucht das Gespräch mit Schäfern 

Zur schaffreien Zone wird der publikumsträchtige Wollmarkt laut Museumsleiter Stender dennoch nicht werden: „Es gibt noch ein paar Schäfer, die ihre Tiere bei uns zeigen werden.“ Er hat durchaus mitbekommen, dass sich Unruhe im Schafzuchtverband breitgemacht hat.

Er könne die Sorgen der Züchter gut verstehen: „Wir werden uns nach der Veranstaltung zusammensetzen und versuchen, wieder eine gemeinsame Basis zu finden.“

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