Der Traum vom ProfifußballWie Talente aus der Region beim 1. FC Köln zu Profis werden

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Noah Katterbach

Noah Katterbach hat aus Euskirchen den Sprung in den Profi-Kader des 1.FC Köln geschafft.

  • Zahlreiche Talente aus der Region hoffen auf den Durchbruch beim 1. FC Köln und spielen dort in den Jugendmannschaften.
  • Der Weg ins Profigeschäft ist hart. NLZ-Leiter Carsten Schiel und Matthias Hendrichs müssen regelmäßig Spieler aussortieren.
  • Noah Katterbach hat es beim Effzeh zu den Profis geschafft – und Dinge erreicht, die zuvor auch ein Toni Kroos geschafft hat.

Euskirchen/Köln – Der Euskirchener Jonas Urbig kann sich seit wenigen Tagen sogar deutscher Meister nennen. Der talentierte Torwart feierte mit der U 17 nach dem 3:2-Sieg über Borussia Dortmund den Titel.

Auch Noah Katterbach hat mit dem Geißbock auf der Brust schon einen Titel geholt. Der Dreiborner wurde im vergangenen Jahr in der U-17-Kategorie mit der Fritz-Walter-Medaille ausgezeichnet. „Die Preisträgerinnen und Preisträger verfügen über außerordentliche Qualitäten, großen sportlichen Ehrgeiz und zeichnen sich auch abseits des Platzes durch ihren Teamgeist und ihr Auftreten aus“, sagt Joti Chatzialexiou, Sportlicher Leiter der Nationalmannschaften.

Katterbach wie Toni Kroos: 140 Kilometer für den Profifußball-Traum

Der Aufwand war und ist enorm. Als Katterbach noch in der U 15 der Domstädter spielte, fuhren seine Eltern Edwin und Yvonne täglich 140 Kilometer, um den Außenverteidiger, der in der kommenden Saison verstärkt bei den Profis mittrainieren wird, zum Training ans Geißbockheim. Dass er zwei Jahre später dieselbe Auszeichnung erhält, wie Toni Kroos oder Timo Werner, war da wohl noch nicht abzusehen.

Auch die ehemaligen Euskirchener Offensivspieler Ben Decker und Ben Hompesch spielen beim 1. FC Köln in der Jugend. „Sie machen sich hervorragend“, lobt Matthias Heidrich. Der Ex-Profi leitet mit Carsten Schiel das Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) am Kölner Geißbockheim.

Drei Sterne für die FC-Talentschmiede

Die Talentschmiede ist vom Deutschen Fußballbund (DFB) erneut mit drei Sternen ausgezeichnet worden – die Höchstnote in diesem Bereich. Und das, obwohl die Infrastruktur verbesserungswürdig ist. „Das Geißbockheim hat Charme. Eine Infrastruktur-Verbesserung ist mittelfristig nötig, um mit der Konkurrenz mithalten zu können“, sagt Schiel im Gespräch mit dieser Zeitung.

Die inhaltliche Arbeit sei so gut, dass sie die Rahmenbedingungen kompensieren könne. „Natürlich sind unsere Kabinen kein Aushängeschild, auf der anderen Seite haben wir hoch qualifiziertes Personal. Wer allerdings den Verein nach der Qualität der Kabine aussucht, der spielt nicht beim 1. FC Köln“, so der Sportpsychologe. Auch dass das Internat nicht direkt am Geißbockheim ist, könne im Einzelfall dazu führen, dass sich ein Spieler nicht für den FC, sondern einen Konkurrenten entscheidet.

Katterbach, Urbig, Hompesch und Decker – alle vier kommen aus dem Kreis Euskirchen. „Wir scouten vornehmlich regional und schauen natürlich besonders nach Talenten aus der Region“, erklärt Schiel: „Wir schauen bei den jüngsten Jahrgängen auf Bewegungsgefühl und Koordination. Es geht nicht nur um fußballerische Faktoren. Lernfähigkeit ist ein zentraler Punkt. Das Scouting wird im oberen Bereich weiter ausgedehnt. Im Leistungsbereich sind wir auch überregional unterwegs.“

Bei der U15 wird es richtig ernst

Der Leistungsbereich beginnt beim FC mit der U 15 und geht bis zur U 17. Zudem wird die Ausbildung der Fußballer in den Grundlagenbereich (U 8-U 11), den Aufbaubereich (U 12-U 14) und den Übergangsbereich (U 19-U 21) unterteilt. Dabei nimmt die U 21 eine spezifische Rolle ein. Sie ist die letzte Entwicklungsstufe im NLZ und soll die Spieler in den Lizenzbereich führen. Schiel: „Natürlich darf man im Fußball ein Spätstarter sein. Es gibt kein genaues Patentrezept, sondern man muss auch mal den Mut haben, eine Karriere zu fördern, die nicht in die Schablone passt oder einen Spieler spät holen, der nicht aus einem NLZ kommt.“

Schiel FC NLZ

Leitet gemeinsam mit Matthias Hendrichs das Nachwuchsleistungszentrum des 1. FC Köln: Carsten Schiel.

Ein solcher Kicker sei Stürmer Kaan Caliskaner, der 2018 vom SV Bergisch Gladbach zur U 19 des FC gewechselt war und mittlerweile für die U 21 aufläuft. Das zeigt aber auch, dass man sehr individuell arbeiten müsse. Auch auf Lukas Klünter wurde der FC recht spät aufmerksam – nämlich in der B-Jugend.

Wegen seiner Schnelligkeit wurde er beim Euskirchener TSC vor allem in der Offensive auf der Außenbahn eingesetzt. Beim Bonner SC und später beim FC wurde Klünter in der Defensive aufgestellt. Mittlerweile kickt er für Hertha BSC in der Bundesliga.

„Natürlich gab es schon Spieler, die wir haben ziehen lassen. Das passiert aber immer aus einem Kontext heraus. Dazu gehört unter anderem die interne Konkurrenzsituation“, erklärt Schiel: „Wenn ein Verein kommt, der zu dem Zeitpunkt vielleicht besser für die Entwicklung des Spielers ist, dann ist das doch gut für ihn. Wenn er dann dort einen großen Entwicklungssprung macht, freuen wir uns darüber. Die Tür zu uns ist nie zu.“

Vage Talentprognosen – kein klares Erfolgsmodell

Lukas Nottbeck fand nach seinen Stationen TuS Koblenz, Fortuna Köln und Viktoria Köln wieder zur U 21 des FC. Schiel: „Es gibt kein Model, das uns zuverlässig vorhersagt, aus dem Talent wird ein Profi. Talentprognosen sind sehr vage. Hinzu kommt der Alterseffekt. Je älter ein Spieler wird, desto besser wird die Prognosequalität.“

Aus seiner Sicht sei es unverantwortlich einen Zehnjährigen etwa aus München zu verpflichten. Auch ein Fußballer mit dem Talent eines Lionel Messi brauche ein Umfeld, in dem er sich entwickeln könne. „Wenn ich ein Kind aus einem solchen Umfeld herausreiße, wird es sich nicht entwickeln, und am Ende hätte man die bestmögliche Förderung damit zerstört“, sagt der NLZ-Leiter.

Doch warum ist der Sprung aus der Jugend- in den Profibereich so groß – selbst aus einem Nachwuchsleistungszentrum?

Ein Riesensprung: Jugendmeister sind noch keine Profis

„Es ist ein Riesensprung vom Jugend- in den Profibereich. Die mentale Belastung ist eine andere. Das Tempo, die Athletik sind ganz anders. Die Anforderungen im Profibereich seien deutlich höher“, erklärt der Experte. Dadurch ist wohl auch zu erklären, warum so wenige Fußballer den Sprung nach ganz oben schaffen.

Die ARD hat anhand der Daten der U-19-Mannschaften aller Fußball-Bundesligisten aus den vergangenen acht Jahren herausgefunden, dass von diesen Nachwuchsspielern im allerhöchsten Segment nur 3,5 Prozent den Sprung in eine der fünf Topligen Europas geschafft haben (Deutschland, England, Spanien, Italien und Frankreich). Nur 2,6 Prozent haben dabei zehn Spiele oder mehr absolviert.

Bezogen auf die rund 40 Jungs, die sich am Sonntag in Dortmund getroffen haben, wäre das leicht abgerundet einer. Beim FC waren es zuletzt aber einige Talente, die den Sprung in den Profibereich geschafft haben. Timo Horn, Jonas Hector, Lukas Klünter, Salih Özcan und Christian Clemens kamen aus den eigenen Reihen.

Mein Junge wird Profi: Eltern und Druck

„Es gibt viele Eltern, die machen das mit dem Gedanken, mein Junge wird Profi. Sie sind vornehmlich aber auch Eltern. Sie denken, dass leistungsbezogener Fußball ihrem Kind guttut“, so Schiel: „Wir gehen damit transparent um, dass es nur wenige nach ganz oben schaffen. Wir haben gute Strukturen, ein Talent zu entwickeln.“ Es sei aber ein steiniger Weg, so Schiel: „Wenn sich der Junge aber mit dem Fußball vielleicht sein Studium finanzieren kann, findet das bei den Eltern auch Beachtung. Auch wenn es nicht zum Profi gereicht hat.“ Hompesch, Urbig, Katterbach und Decker arbeiten im NLZ nicht nur an der Verbesserung der fußballerischen Qualitäten. Auch die Mentalität der Talente wird konsequent gefördert.

„Viele sprechen im Fußball immer wieder davon. Der Begriff ist aber nicht definiert, sondern jeder Trainer wendet ihn in unterschiedlichen Situationen an. Bei uns spielt die Mentalität bei bestimmten Kompetenzen eine Rolle, die wir vermitteln wollen. Etwa, wie man mit Druck umgeht, wie man gegen Widerstände arbeitet“, erklärt Carsten Schiel.

Es gehe darum, persönlichkeitsfördernde Strukturen zu schaffen. Es gehe darum, Potenziale zu entwickeln, die nicht nur beim Fußball eine Rolle spielen. Die Konkurrenz ist im Westen Deutschlands groß. „Wir behaupten uns gegen die Konkurrenten, in dem wir manche Dinge anders angehen und so den Fokus anders setzen“, meint Schiel.

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